Neue Fragen zu alter Tradition Sternsinger in NRW oft ohne schwarzen König

Moers · In vielen Großstädten in NRW ist kaum noch ein Kind bereit, sich traditionell als einer der drei Könige im Gesicht schwarz anmalen zu lassen. In Moers gibt es in diesem Jahr nur noch weiße Könige. Rund 100.000 Sternsinger sammeln in NRW derzeit Geld für Flüchtlingskinder.

 Esther, Klara und Charlotte aus Xanten bewahren die Tradition: Ein König hat sich mit schwarzer Farbe schminken lassen.

Esther, Klara und Charlotte aus Xanten bewahren die Tradition: Ein König hat sich mit schwarzer Farbe schminken lassen.

Foto: Fischer

Die gut 50 Kinder, die auf den Holzbänken der katholischen St.-Josef-Kirche in Moers sitzen, schweigen, als Pastor Mattias Lattek die erste Strophe des Begrüßungsliedes der Sternsinger anstimmt. Lediglich ein zaghaftes "Wir kom-men da-her aus dem Mor-gen-land..." hallt durch die Kirche.

Noch auffälliger als die Textschwäche ist jedoch, dass keines der Kinder schwarz geschminkt ist. Caspar, der Dunkelhäutige unter den Heiligen Drei Königen, ist in Moers weiß. "Dass sich die Kinder schminken sollen, wurde bei den Vorbesprechungen in der St.-Josef-Gemeinde überhaupt nicht angesprochen", sagt Betreuerin Claudia Kirst. Seit fünf Jahren schon begleitet sie die Sternsinger-Kinder in Moers, nie sei dort ein Kind schwarz angemalt worden. Diese Tradition scheint in den Hintergrund zu rücken. "Bei uns ist es so, dass die Rollen nicht fest vergeben werden, damit die Kinder zwischendurch mal tauschen können. Mal trägt der eine den Stern, mal der andere", erklärt Claudia Kirst. Eine pragmatische Lösung also, keine inhaltliche.

Nicht nur in Moers, auch in anderen Großstädten in NRW sind offenbar immer weniger Kinder noch dazu bereit, sich für die Figur des Caspar im Gesicht schwarz anmalen zu lassen. Thomas Mollen vom Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) der Diözese Münster vermutet, dass diese Entwicklung unter anderem mit der Diskriminierungsdiskussion um den "Zwarten Piet" in den Niederlanden zu tun haben könnte. "Das hat sicherlich zu einer Sensibilisierung geführt", sagt Mollen.

 Als Sternsinger in Moers unterwegs (v.l.): Kristina Witt (7), Christina Holtmann, (11) und Núria Holtmann (10).

Als Sternsinger in Moers unterwegs (v.l.): Kristina Witt (7), Christina Holtmann, (11) und Núria Holtmann (10).

Foto: Dieker, Klaus (kdi)

Im Nachbarland war vor kurzem eine heftige Debatte über den niederländischen Nikolaus und seinen schwarzen Helfer, den "Zwarten Pieten", entbrannt. Kritiker hatten gegen den traditionellen Einzug des Sinterklaas in Amsterdam geklagt, weil die "Schwarze Peter"-Figur ihrer Meinung nach rassistisch ist. Ein Gericht wies die Klage zurück. Doch viele Niederländer — besonders die farbigen — fühlen sich weiterhin tief verletzt, denn der Piet trägt Pumphosen, eine bunte Jacke und Pagenkappe mit Feder auf dem Kopf. Das Pagenkostüm, so die Kritiker, erinnere an die Kleidung, mit der reiche holländische Kaufleute ihre schwarzen Sklaven im 17. Jahrhundert ausstaffierten.

Für ähnliche Aufregung sorgte zuletzt eine Publikumswette bei "Wetten, dass ..?" in Augsburg. Moderator Markus Lanz hatte die Augsburger aufgefordert, sich mit schwarzer Schuhcreme oder Kohle anzumalen, um Jim Knopf, den Jungen aus der Augsburger Puppenkiste, darzustellen. Daraufhin wurde dem ZDF Rassismus vorgeworfen, weil das an das umstrittene "Blackfacing" erinnere, bei dem sich Weiße mit aufgemalten dicken Lippen und schwarzer Farbe in die Karikatur eines Schwarzen verwandeln.

Beim Kindermissionswerk in Aachen, das die bundesweite Sternsingeraktion organisiert, hält man diese Diskussion für überzogen. "Es ist doch so, dass Kinder von heute anders sind als noch vor 20 Jahren. Viele von ihnen finden es schlicht und einfach nicht mehr cool, sich schwarz schminken zu lassen", sagt Thomas Römer, Sprecher des Kindermissionswerks. "Das hat nichts mit dem zwarten Pieten oder Rassismus zu tun." Nele Harbeke, Sprecherin des Erzbistums Köln, ergänzt: "Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es unangenehm ist, den ganzen Tag mit stark geschminktem Gesicht durch die Straßen zu laufen, vor allem bei Regen." Sehr oft gingen aber auch dunkelhäutige Kinder bei den Sternsingern mit, so dass gar nicht die Notwendigkeit bestehe, ein Mitglied der Gruppe zu schminken.

Erst seit dem 9. Jahrhundert werden die drei Könige Caspar, Melchior und Balthasar genannt. Und auch erst seitdem wird Caspar als Farbiger dargestellt. Darüber hinaus symbolisieren sie die drei damals bekannten Kontinente: Asien, Afrika und Europa. "Dass Kinder sich die schwarze Farbe für Caspar aufs Gesicht auftragen, ist deswegen auch als Ehrung und Wertschätzung des afrikanischen Kulturkreises zu verstehen — und nicht als Diskriminierung", erklärt eine Mitarbeiterin des Kindermissionswerks. Es sei eher diskriminierend, ergänzt Nele Harbeke, Sprecherin des Erzbistums Köln, wenn keiner der Könige farbig sei. "Das widerspricht der Tradition."

In NRW sind derzeit etwa 100 000 Kinder unterwegs, die als Caspar, Melchior und Balthasar verkleidet an die Haustüren klopfen und um milde Gaben und Geld für die Hilfsaktion zugunsten notleidender Kinder in aller Welt bitten — in diesem Jahr vor allem für Flüchtlingskinder in Malawi. Noch bis heute, dem Dreikönigstag, sagen die kleinen Monarchen an den Haustüren kurze Verse und Gedichte auf, singen Lieder, sprechen Gebete.

Generell fehlt es an Nachwuchs bei den Sternsingern, deren Zahl seit Jahren stetig abnimmt. Der Hauptgrund: die niedrige Geburtenrate. "Der demografische Wandel schlägt sich spürbar auf die Zahl der Sternsinger nieder", sagt Römer. Dem Bund der Deutschen Katholischen Jugend ist aufgefallen, dass besonders in Großstädten die Zahlen rückläufig seien. "In Städten gibt es mehr Freizeitangebote für Kinder, also eine Menge Alternativen", sagt Mollen. In ländlicheren Räumen hingegen sei der Glaube noch stärker verwurzelt. "Man kann sagen: Wo ein Schützenverein ist, da gibt es auch viele Sternsinger." Das Kindermissionswerk lässt gerade untersuchen, wie hoch die Zahl der Rückgänge bei den Sternsingern genau ist. "Daraus können wir dann Schlüsse ziehen, um diesem Trend etwas entgegensetzen zu können", sagt Römer.

(RP)
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