Krankenhausseelsorge Seine Medizin ist das Gespräch mit den Patienten

Moers · Den Aufzug benutzt Jochem Kiwitt fast nie, wenn er im Krankenhaus unterwegs ist: "Im Treppenhaus und auf den Fluren begegne ich viel mehr Menschen und kann mit ihnen ins Gespräch kommen, als im Aufzug", sagt der 62-jährige Seelsorger. Seit rund zehn Jahren arbeitet der ehemalige Krankenpfleger des Moerser Bethanien-Krankenhauses und Diakon nun im Malteser Krankenhaus St. Johannes in Duisburg-Homberg, und er gehört fest zum Team. Das merkt man, wenn man mit ihm unterwegs ist: Ob Pfleger, Ärzte oder der Pflegedirektor, der zufällig den Weg kreuzt, alle grüßen Kiwitt freundlich, viele wechseln schnell ein paar herzliche Worte mit ihm. Und der Seelsorger hat seinerseits den passenden Gruß auf den Lippen, gratuliert einer Pflegerin zur bestandenen Prüfung, klärt schnell ein paar wichtige Angelegenheiten mit der Stationsschwester.

 Jochem Kiwitt im Gespräch mit der Patientin Magdalena Maria Palinski. Sie freut sich über den Besuch des Seelsorgers am Krankenbett.

Jochem Kiwitt im Gespräch mit der Patientin Magdalena Maria Palinski. Sie freut sich über den Besuch des Seelsorgers am Krankenbett.

Foto: Bistum/Christian Breuer

Der Wechsel ins Krankenhaus - zuvor war Kiwitt Gemeinde-Seelsorger in Walsum - sei für ihn ein Weg "zurück zu den Wurzeln" gewesen, sagt er. Denn ausgebildet wurde er im Moerser Bethanien-Hospital zum Krankenpfleger. "Dadurch habe ich eine Ahnung, was ein Krankheitsbild ausmacht und eine Idee, welche therapeutischen Möglichkeiten sich anbieten", erklärt Kiwitt. Diagnosen und deren Konsequenzen überlässt er freilich dem medizinischen Personal, aber "durch meine Ausbildung habe ich auf diese Weise manchmal Ansatzpunkte, um an die anderen Themen der Menschen heranzukommen." Und die sind im Krankenhaus vielfältig. Angst, Unsicherheit, Hoffnungslosigkeit, Trauer, Schmerz - mit diesen Gefühlen wird der Seelsorger immer wieder konfrontiert, wenn er mit Patienten ins Gespräch kommt. Kiwitt sagt: "Das sind grundlegende Themen, um die es hier geht." Er versucht, gemeinsam mit den Patienten dann eine neue Orientierung zu finden, vielleicht auch ein wenig Ordnung und Sicherheit mit Blick auf das künftige Leben. "Einige bauen eine Schutzmauer auf, andere öffnen sich und finden eine Perspektive", erzählt der Diakon von seinen Beobachtungen. Oft werde er nach dem "Warum?" gefragt, und könne dann auch keine Antwort geben. "Krankheit und Übel sind in der Welt, sie können jeden treffen", sagt Kiwitt. Dann helfe es den Patienten manchmal, dass einfach nur jemand da ist um zuzuhören oder ihr Leid mit ihnen gemeinsam auszuhalten, beschreibt Kiwitt.

Dabei ist seine Einbindung in den Krankenhaus-Alltag wichtig. So wird er mit in das therapeutische Team geholt, wenn ein Patient nach einem Suizidversuch in die Klinik kommt. Und dann, wenn ein Mensch an das Ende seines Lebensweges gelangt, ist er da. Er hilft bei Fragen zur Patientenverfügung, berät dabei auch Angehörige. Als Vorsitzender des klinischen Ethik-Komitees kommt ihm dabei eine besondere Rolle zu. In den regelmäßigen Sitzungen werden Leitlinien entwickelt zum Umgang mit Sterbenden oder Notfall-Patienten. Besondere Fälle, etwa wenn ein Schwerstkranker sich nicht mehr selber äußern kann, werden auch akut gemeinsam mit Ärzten, Pflegern, Betreuern und oft den Angehörigen besprochen, um die nächsten Schritte festzulegen.

Barmherzigkeit - das bedeutet für Kiwitt Zuwendung. "Da steckt", erklärt Kiwitt, "auch das Wort ,Wende' mit drin, das finde ich sehr wichtig. Der Blick des Patienten oder des Personals kann sich durch meine Arbeit wenden." Seit er Diakon ist, begleite ihn das Evangelium zur Weihe: Die Geschichte des Gelähmten, der von vier Männern zu Jesus getragen und von ihm geheilt wird (Markus-Evangelium, Kapitel 2, Vers 1-12). "Diese Männer wenden sich dem Gelähmten zu, sie bewegen ihn", sagt Kiwitt, "dieses Bild ist bei mir immer präsent und das Trage ich in meinem Herzen."

Im Gespräch mit den Patienten wird diese Zuwendung deutlich, Kiwitt widmet ihnen seine volle Aufmerksamkeit, macht deutlich, dass er in diesem Augenblick nur für sie da ist. Doch wenn er aus dem Zimmer ist, muss er sich davon wieder frei machen, um dem nächsten Patienten wieder genauso zur Seite stehen zu können. "Ich leide mit, wenn ich bei einem Patienten bin. Aber danach kann ich ihn wieder vertrauensvoll in die Hand Gottes legen", sagt der Diakon. Das gilt auch, wenn er abends zurück zu seiner Familie fährt. "In der Regel kann ich den Klinikalltag hinter mir lassen."

Für die katholische Kirche hat Papst Franziskus ein "Jahr der Barmherzigkeit" ausgerufen, das am 8. Dezember 2015 begonnen hat und am 20. November 2016 - dem letzten Sonntag im kirchlichen Jahreskreis - enden wird. Dieses Jahr richtet den Blick unter anderem auf die "Werke der Barmherzigkeit", die das Christentum aus der Bibel ableitet: "Hungrige speisen", "Durstige tränken", "Fremde beherbergen", "Nackte bekleiden", "Kranke besuchen", "Gefangene besuchen" und "Tote bestatten".

Alle Aktivitäten im Bistum Münster zum "Jahr der Barmherzigkeit" finden sich im Internet unter www.bistum-muenster.de/barmherzigkeit.

(RP)
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