Moers St. Josef will mehr auf Patienten hören

Moers · Krankenhaus fördert eine neue Gesprächskultur. Ein hauseigenes Ethik-Komitee kann in Streitfällen angerufen werden.

 Sie werben für die "Kommunikationsoffensive": Geschäftsführer Ralf Nennhaus, Gynäkologe Jens Pagels, Palliativ-Mediziner Norbert Schürmann und Qualitätsmanager Frank Schneider.

Sie werben für die "Kommunikationsoffensive": Geschäftsführer Ralf Nennhaus, Gynäkologe Jens Pagels, Palliativ-Mediziner Norbert Schürmann und Qualitätsmanager Frank Schneider.

Foto: pogo

Wenn Einsicht der erste Schritt zur Besserung ist, ist das St.-Josef-Krankehaus auf einem guten Weg. Die Rhetorik der Ärzte sei manchmal haarsträubend, sagte gestern Dr. Jens Pagels, Chefarzt der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe. "Wir reden in Hieroglyphen." Kein Wunder, dass Patienten und deren Angehörige oft nicht verstehen, was die Mediziner so von sich geben. So komme es leicht zu Missverständnissen - und in der Folge manchmal zu Beschwerden. "Die Leute verstehen uns nicht und meinen, es läuft etwa schief in der Behandlung."

Solche Probleme möchte das Krankenhaus künftig nach Möglichkeit vermeiden. "Wir wollen die Kommunikation im Haus, aber auch im Umgang mit Patienten und deren Angehörigen stärken", sagte gestern St.-Josef-Geschäftsführer Ralf Nennhaus. Mehr miteinander reden, lautet die Devise. Und nicht nur das: Sowohl Mitarbeiter des Krankenhauses als auch Patienten und Angehörige können ab sofort die Einberufung einer "ethischen Fallkommission" beantragen. Innerhalb von längstens zwei Werktagen tritt dann ein Team aus Behandlern und Mitgliedern eines neuen hauseigenen Ethik-Komitees zusammen, um Probleme zu besprechen. Ein speziell geschulter Moderator leitet die Sitzungen. Angehörige und externe Spezialisten, beispielsweise Juristen, können bei Bedarf einbezogen werden.

Die Fallkommission entscheidet nicht, sondern spricht Empfehlungen aus, die schriftlich festgehalten werden und anderen als Leitfaden dienen können. Dabei kann es um vielerlei Dinge gehen, sei es die Verlängerung des Lebens durch Maschinen, die Fixierung von Patienten, der Umgang mit Frauen, die Fehlgeburten erlitten haben, die Sterbebegleitung oder der Umgang mit Schwerstbehinderten. Grundsätzlich könne die Kommission aber auch in weniger schwerwiegenden Fällen zusammenkommen, selbst wenn es "nur" um einen Beinbruch gehe. "Die ethische Fallkommission geht überall hin, wo sie gebraucht wird", betonte Nennhaus. Den Antrag zur Einberufung des Gremiums finden Mitarbeiter im Intranet, Patienten und Angehörige müssen sich bei Bedarf an die Mitarbeiter wenden.

Insgesamt 27 St.-Josef-Mitarbeiter aus verschiedenen Abteilungen bilden das neue Ethik-Komitee. Vorsitzender ist Jens Pagels, stellvertretender Vorsitzender Norbert Schürmann, Departmentleiter Palliativ- und Schmerzmedizin. "Patientenverfügungen sind oft nicht eindeutig deklariert", sagte Schürmann. In solchen Fällen könne es zu Auseinandersetzungen mit Angehörigen kommen, oder zu Gewissenkonflikten bei Mitarbeitern, die nicht wissen, wie sie sich gegenüber einem Patienten verhalten sollen. Die "ethische Fallbesprechung" könne hier hilfreich sein.

Gerade bei den Krankenhaus-Mitarbeitern sei das neue Angebot auf großes Interesse gestoßen, ergänzte Pagels. In Zeiten der "Verdichtung der Arbeit" könne sich der eine oder andere Mitarbeiter zum Beispiel verleitet fühlen, Patienten vorschnell eine "Beruhigungspille" zu verabreichen. "Das will aber niemand, deswegen müssen wir miteinander sprechen."

Auf die "Kommunikationsoffensive" weist das St.-Josef-Krankenhaus mit Informations-Tafeln im Eingangsbereich hin. Mitarbeiter dürfen sich zudem bunte Buttons ans Revers heften, mit Sprüchen wie "Ich höre zu!", "Kann ich helfen?" oder "Sie und wir: ein Team!" Die Anstecker seien als "kleine Eisbrecher" gedacht, um Gespräche in Gang zu bringen, sagte Qualitätsmanager Frank Schneider. "Kommunikation ist im Gesundheitswesen die Basis allen Handelns."

(RP)
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