Moers Spannender Zeitzeugen-Bericht über SS-Massaker in der Toskana

Moers · Nur wenige Besucher interessierten sich für die zweitägige Begegnung zur Feier der zehnjährigen Freundschaft zwischen Moers und Sant' Anna.

 Weil so wenig Interessierte kamen, wurde aus der geplanten Podiumsdiskusion kurzerhand ein Sitzkreis gemacht.

Weil so wenig Interessierte kamen, wurde aus der geplanten Podiumsdiskusion kurzerhand ein Sitzkreis gemacht.

Foto: Klaus Dieker

Zehn Jahre Städtefreundschaft zwischen Moers und der Comune di Stazzema galt es am Wochenende in der Grafenstadt zu feiern. Doch die Resonanz der hiesigen Bevölkerung auf das zweitägige Festprogramm war zumindest am Samstag äußerst gering. Das scheinbare Desinteresse begann bei der Filmvorführung des Dokumentarfilms "Das zweite Trauma - das ungesühnte Massaker von Sant' Anna di Stazzema" am Mittag und setzte sich fort mit der nur spärlich besetzten abendlichen Diskussion darüber im Martinstift. Statt einer Podiumsdiskussion im Kammermusiksaal reichte es nur zu einem Stuhlkreisgespräch im Glasfoyer der Musikschule.

Das Thema, der Anlass, vor allem aber die Gäste aus Italien hätten seitens der Moerser Bürgerschaft gewiss mehr Aufmerksamkeit verdient. So blieben die italienische Delegation und die Moerser Offiziellen weitgehend unter sich. Dass sich zu beiden Veranstaltungen gerade mal nur eine handvoll Interessierte einfand, sollten die Organisatoren durchaus (selbst)kritisch einmal hinterfragen. Enttäuschend an der Sache war aber auch, dass sich die Veranstalter viel Mühe mit der Zusammenstellung des Gästeprogramms gegeben hatten, die Öffentlichkeit es ihnen aber nicht dankte.

So war das Gespräch über den 2016 von Jürgen Weber gedrehten 72-minütigen Autorenfilm über das ungesühnte Massaker vom 12. August 1944, als Hitlers Waffen-SS in das nordtoskanische Bergdorf Sant Anna einfiel und alle Menschen erschoss, inhaltlich bereichernd und von Zuversicht geprägt. Das lag auch an den Erzählungen des 83-jährigen Zeitzeugen Enrico Pieri. Der war zehn Jahre alt, als das Unfassbare geschah: Seine Mutter konnte ihn noch in einen Verschlag unter der Treppe schieben, als sie vor seinen Augen erschossen wurde und ihn mit ihrem Körper noch im Tode schützte. "Das ist jetzt über 70 Jahre her", sagte Pieri, "längst habe ich dem deutschen Volk verziehen - nicht aber diesen SS-Chargen und der Nazi-Herrschaft, die das Blutbad anrichteten."

Befragt zur Situation heute, was Italien und die Flüchtlinge betreffe, antwortete er: "Wir dürfen nicht aufgeben, gegen den Nationalismus in Europa anzugehen. Ich sage nein zum Nationalismus. Und ich sage nein zum Rassismus. Wieder scheint es offenbar aber leichter zu sein, Hass zu schüren, als Freundschaften zu schließen. Haben wir aus unserer Geschichte denn nichts gelernt?"

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