Moers "Nur eine Ethik der Liebe kann uns retten"

Moers · Der Holocaust-Überlebende Reuven Moskowitz spricht vor Schülern des Adolfinums. Die zehnten Klassen fahren bald nach Auschwitz.

 Reuven Moskowitz gestern im Adolfinum.

Reuven Moskowitz gestern im Adolfinum.

Foto: Christoph Reichwein

"Ein Held ist, wer unaufhörlich versucht, seine Feinde zu Freunden zu machen." Diese jüdische Weisheit ist nicht nur das Lieblingszitat von Reuven Moskowitz, sondern auch ein wichtiger Leitspruch für sein unermüdliches Engagement für den Frieden. Der 87-Jährige erläuterte seine Botschaft gestern vor den Schülern des zehnten Jahrgangs des Adolfinums, die demnächst zu ihrer Fahrt nach Auschwitz aufbrechen und sich gerade intensiv mit dem Holocaust beschäftigen.

Moskowitz wurde 1928 in Rumänien geboren. Trotz Verfolgung und Vertreibung überlebte er den Holocaust und wanderte 1947 nach Palästina aus. Nach dem Studium der Geschichte und der hebräischen Literatur an der Universität Tel Aviv und der Hebräischen Universität Jerusalem war er als Geschichtslehrer tätig. Seit fast 40 Jahren warnt er vor der Gefahr des eskalierenden Terrors und Gegenterrors im Nahen Osten. Er ist Mitgründer mehrerer Friedensbewegungen in Israel und hat ein Friedensdorf mit aufgebaut, in dem sich Juden und Palästinenser vorurteilsfrei begegnen.

Heute ist er unter anderem in Deutschland unterwegs und erzählt der jungen Generation aus seinem bewegten Leben. Dabei erwähnt er sein eigenes Leid nur in den Nebensätzen. Seine persönlichen Erfahrungen von Verfolgung und Hass haben ihn zu seiner Lebensaufgabe geführt: die Arbeit für den Frieden.

Der schöne Gruß "Shalom" sei leider in Israel unmodern geworden, bedauert Moskowitz. "Ich leide darunter, dass die Menschen in meinem Land sich in den Krieg verliebt haben", sagt er. "Sie haben vergessen, dass unsere Nachbarn, die Palästinenser, auch Menschen sind und Rechte haben". Er fühle sich in seine Kindheit versetzt, wenn er sehe, wie die Nachbarn zu Sündenböcken und Feinden erklärt werden. Die Israelis machten den gleichen Fehler, unter dem sie selbst am meisten gelitten hätten. "Ich schäme mich dafür, dass dieses verfolgte Volk nun ein anderes Volk verfolgt." Und das, obwohl das Judentum eigentlich eine Religion des Friedens sei und Muslime und Juden von jeher Geschwister seien. Hass sei eine Krankheit, die alles zerstöre.

Solange die Menschen Kriege führen, habe die Menschheit keine Zukunft. Nur eine Ethik der Liebe und Güte, der Vernunft und der umfassenden Spiritualität könne ein neues Weltparadigma begründen. Moskowitz zitierte hier auch den Dalai Lama und Papst Franziskus und verwies auf die Gültigkeit der Bergpredigt von Jesus Christus. Solange aber Religionen benutzt würden, um Mauern zu bauen und Andersgläubige zu hassen und umzubringen, haben sie keinen Sinn.

Deutschland könne, so Moskowitz, an einer friedlichen Lösung des Nahostkonflikts mitwirken, habe aber eine schwierige Rolle, da jede Kritik am israelischen Staat automatisch als Antisemitismus ausgelegt werde. Auch er selbst sehe sich im eigenen Land von vielen als "Verräter" diffamiert. Die Adolfiner hörten den eindringlichen Worten aufmerksam zu und zeigten durch ihre Fragen, dass sie mitdenken und die Botschaft verstanden haben. "Euer Zuhören und eure Freundlichkeit ist für mich wie eine Oase in der Wüste", bekannte Moskowitz. "Ich bin froh, dass Deutschland ein buntes, multinationales Land ist, in dem Menschen voneinander lernen können". Es stimme ihn hoffnungsvoll, wenn die zukünftige Generation von Politikern, Richtern und Lehrern verstanden habe, dass Hass und Krieg zu nichts Gutem führe und dass jeder Mensch das Recht habe, in Frieden zu leben und aus seinem Leben das Bestmögliche zu machen. Er beendete seinen bewegenden Appell mit zwei Liedern auf der Mundharmonika, einem arabischen Hochzeitslied und einem jüdischen Liebeslied.

(rauh)
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