Moers Kreuzweg in drei Dimensionen

Moers · Was hat der Alltag mit dem Leiden Christi zu tun? Das will ein neuer Kreuzweg in Repelen zeigen.

 "Getröstet" und "gestützt" heißen die Kreuzwegstationen, vor denen Andrea Dieren, Claudia Fritsch und Gudrun Schulte Herbrüggen (v.l.) stehen.

"Getröstet" und "gestützt" heißen die Kreuzwegstationen, vor denen Andrea Dieren, Claudia Fritsch und Gudrun Schulte Herbrüggen (v.l.) stehen.

Foto: siwe

"KreuzArt" in St. Martinus: "Der neue Kreuzweg ist mit seiner Botschaft auf den ersten Blick nicht immer gleich zugänglich", sagt Pfarrer Heinrich Bösing. Man müsse schon länger hinschauen - auf Form und Material - um die einzelnen Stationen zum Sprechen zu bringen. "KreuzArt will bewusst Anstoß zur Auseinandersetzung sein", so Bösing. Dieser Herausforderung haben sich drei Frauen aus der Gemeinde gestellt: Andrea Dieren, Claudia Fritsch und Gudrun Schulte Herbrüggen. Entstanden ist ein bemerkenswertes Kunstwerk mit einer hohen Symbolkraft. Vierzehn weiße quadratisch geformte Holzkästen - dreidimensional - nach dem Vorbild des Schweizer Objektkünstlers Daniel Spoerri - schmücken die Seitenwände des architektonisch schlichten Gotteshauses. Sie geben genügend Raum, um Gedanken und Assoziationen, Fragen und Antworten aufzunehmen.

Der sich daraus entwickelnde Dialog schlägt dann Brücken zwischen dem Leiden Christi auf seinem Weg nach Golgatha, der eigenen Betroffenheit und dem unermesslichen Leid vieler Menschen heute. "So wie man in einer Collage Bilder zusammen fügt, haben wir Objekte und Schriften zu einem Bild arrangiert", erläutert das Team seine Überlegungen - "und wir zeigen auf diese Art und Weise, was wir hier und heute in unserem Alltag mit dem Leiden Christi zu tun haben." Die verwendeten Materialien sind mannigfach, manchmal auch überraschend: Seiten des ausrangierten Gotteslobes zum Beispiel, zu neuem Papier verwandelte Seiten der Kirchengesetze, der Presse, ebenso Beton, Blei, Goldfolie, Abdeckpappe, Wachs, Wolle. Jede einzelne Station hat einen Titel und ist jeweils mit einem Kreuz aus einem Material ausgestattet, das in einer Verbindung zum Thema steht: Leinwandstücke, Seile, Leinenbinden, Moos, Wachs, Beton, Nägel oder auch Draht. In jedem der weißen Kästen befindet sich darüber hinaus ein kleiner Spiegel - sie sind so angebracht, dass sie zusammen gefügt, ein Kreuz ergeben. "Sie heben den Betrachter in die Station und wecken so das Interesse für das gestellte Thema", erklärt Dieren die Idee.

Der Zyklus beginnt mit dem Judaskuss - mit Verrat. Jesus wird als Gotteslästerer angeklagt und verurteilt. Und "verraten und verkauft" stellt hier die Frage nach dem eigenen Unrecht.

Station VIII beschäftigt sich mit den weinenden Frauen, mit Maria und Veronika, die das Schicksal des Herrn beklagen. Das Mitleid, das Leid Unzähliger in den Elendsvierteln der Welt, die Heimatlosen stehen im Mittelpunkt. Und die Gestaltung des weißen Raumes mit Zeitungsberichten über Katastrophen fragt: Wie sensibel bin ich für das Leid meines Nächsten. Die 14. Station aber strahlt Zuversicht aus - der mit strahlendem Gold verzierte weiße Kasten, der eine Öffnung auf den Altarraum hin erfährt, vermittelt Hoffnung, eröffnet neue Perspektiven.

Die Menschen in St. Martinus konnten über ein Jahr lang durch das offene KreuzArt-Atelier unter der Orgelbühne die Entstehung des Kreuzweges beobachten und hatten sogar die Möglichkeit der Mitgestaltung. "Einmal im Monat hat sich hier eine kleine Gruppe mit Mitgliedern der Gemeinde getroffen - und sich der Herausforderung gestellt, den Kreuzweg Jesu in unser Leben hinein zu deuten", so Pfarrer Bösing. Er sei der Gruppe für ihr Engagement zu großem Dank verpflichtet, das immer verbunden war mit der Frage, "wie Leid, Gewalt und Verachtung der menschlichen Würde uns als Christen betreffen und welche Hoffnung und Zuversicht unser Leben prägen."

(h-m)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort