Krankenhäuser im Kreis Wesel Gewalt und Beleidigungen in Notambulanzen

Kreis Wesel · Gewalt ist auch dort ein Thema, wo eigentlich Hilfe im Mittelpunkt stehen sollte. In den Krankenhäusern des Kreises Wesel kommt es immer wieder zu aggressiven Auseinandersetzungen. Dabei bleibt es oft nicht nur bei Wortgefechten. Mitarbeiter sind traumatisiert.

 In den Warteräumen der Notfallambulanzen herrscht mitunter ein rauer Ton und immer öfter müssen sich Angestellte auch körperlich wehren.

In den Warteräumen der Notfallambulanzen herrscht mitunter ein rauer Ton und immer öfter müssen sich Angestellte auch körperlich wehren.

Foto: A. Endermann

"Die Hemmschwellen sind niedriger geworden, Autoritäten werden nicht mehr anerkannt", sagt Georg Milkereit, Pflegerischer Stationsleiter der Zentralen Notaufnahme am Bethanien-Krankenhaus in Moers. "Wir erleben hier einen Querschnitt der Gesellschaft. Die Aggressivität steigt, das Ich-Denken ist gewachsen. Es kommt schneller als früher zu Handgreiflichkeiten."

Das Krankenhauspersonal sei im Umgang mit derartigen Situationen geschult, versuche jede Eskalation im Keim zu ersticken. Das gelingt jedoch nicht immer. "Gewalt gegen Gegenstände kommt häufiger vor. Bei alkoholisierten Personen war es auch schon einmal der Fall, dass sie gegen Bedienstete handgreiflich wurden", sagt Milkereit. "Dann muss die Polizei gerufen werden."

Zwölf Mal mussten die Beamten allein zwischen Januar 2017 und dem 28. Februar 2018 an Moerser Krankenhäusern einschreiten. Die Gründe waren vielfältig: Streitigkeiten zwischen Patienten, Vandalismus im Krankenhaus, Widerstand gegen eine Einweisung. In mindestens vier Fällen richtete sich die Gewalt direkt gegen das Pflegepersonal. "Aggressives Auftreten zieht sich durch alle Patientengruppen. Wir bereiten unser Personal adäquat vor", sagt Ulrike Wellner vom Moerser St. Josef-Krankenhaus. Nicht an allen Krankenhäusern wird von Ausschreitungen berichtet. Das Problem ist aber kreisweit präsent. "In Notfallambulanzen wird es gerne mal stressiger, wenn wir systembedingt überrollt werden und die Diskussionen um Wartezeiten beginnen", sagt Michael Derksen, Geschäftsführer des Sankt Josef-Hospitals in Xanten. "Verbale Dinge treten auf, aber es hält sich in Grenzen." Sebastian Bolten, ärztlicher Leiter der Zentralen Notaufnahme im St. Vinzenz-Hospital in Dinslaken, will eine Zunahme der Gewaltbereitschaft nicht bestätigen. Dass "die Menschen anders geworden" sind und Ungeduld und Respektlosigkeiten zugenommen haben, sagt aber Matthias Ruß, der in der Klinik zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit ist. Er berichtet, dass vor kurzem neue Schilder angebracht werden mussten, die Besucher verstärkt auf das Hunde-Verbot im Krankenhaus hinweisen. "Einige Besucher wollen das nicht akzeptieren und werden ausfällig", sagt Ruß.

Sein Kollege Jörg Verfürth vom St. Bernhard-Hospital in Kamp-Lintfort setzt auf deeskalierende Maßnahmen: "Die Mitarbeiter werden im Umgang mit Patienten geschult. So lassen sich Konfrontationen lösen." Gaby Kalscheur, Leiterin der Notaufnahme, hat in so einer Schulung gelernt, bei Patienten auf Frühsignale zu achten: "Das ist ein Balanceakt zwischen Personal, Zeit und der Angst des Patienten." Wichtig sei es, bei nervösen Patienten für Transparenz in der Wartezeit zu sorgen. "Denn jeder, der Schmerzen hat, fühlt sich besonders wichtig. Aber mit den richtigen Techniken kann man viel schaffen." Problematisch werde es bei Sprachbarrieren. Wie vor ein paar Wochen, als ein Angehöriger einer Patientin das Personal beschimpfte, weil er nicht verstand, warum seine Mutter so lange warten musste. Für Fälle wie diese liegt auf der Station eine Telefonliste bereit, sortiert nach den Fremdsprachen-Kenntnissen der Mitarbeiter im ganzen Haus.

Bereits vor Jahren haben sich die Leiter der Notaufnahmen des Marien-Hospitals und des Evangelischen Krankenhauses in Wesel mit der Polizei zusammengesetzt, um ein Schulungsprogramm für die Mitarbeiter auf die Beine zu stellen. Die Notfallambulanz des Weseler Marien-Hospitals passieren im Monat rund 3500 Patienten. "Die Tendenz, dass Mitarbeiter angegriffen werden, hat zugenommen", sagt die Pflegedienstleiterin Sylvia Guth-Winterink. Beschimpfungen und das Heben der Stimme seien an der Tagesordnung. Deutlich häufiger als früher seien die Mitarbeiter damit konfrontiert, dass Patienten drohen, zur Presse oder zur Polizei zu gehen. Auch zu körperlichen Übergriffen sei es gekommen. "Die Mitarbeiter sind traumatisiert", sagt die Guth-Winterink. Schon öfter sei eine seelsorgerische Betreuung notwendig geworden. In dem Krankenhaus werde eine Doppelbesetzung im Nachtdienst diskutiert, denn: "Bislang ist die Kollegin in der Notambulanz nach 22 Uhr alleine."

Häufig massive Beleidigungen

Die Polizei vermerkt für die Krankenhäuser in Wesel im Zeitraum von Januar 2017 bis zum 28. Februar 2018 "nur" vier Anzeigen wegen gewaltbereiter Patienten. Meistens habe es sich um massive Beleidigungen gehandelt, nicht um körperliche Gewalt. "Es ist keine signifikant steigende Anzahl im Vergleich zu den Vorjahren", sagt eine Polizeisprecherin. "Jedoch sinkt die Hemmschwelle in der Bevölkerung stetig." Grundsätzlich seien Ärzte und Krankenpfleger deutlich weniger der Gewalt ausgesetzt als Feuerwehrleute oder Polizeibeamte.

Ein Umstand trägt in vielen Notaufnahmen zur Zunahme des Problems bei: "Die Leute kommen direkt ins Krankenhaus, anstatt zuerst den Hausarzt zu konsultieren", sagt Gaby Kalscheur aus Kamp-Lintfort. Mit der Anzahl an Patienten im Wartesaal steige auch die Ungeduld. "Hinzu kommt Google: Jüngere Patienten, 20- bis 40-Jährige, kommen mit einer hohen Erwartungshaltung, da sie sich im Vorfeld im Internet umfangreich informiert haben." Was viele Patienten nicht wüssten: "Unter Telefon 116-117 erhalten Sie kostenfrei und schnell Auskunft über Praxen mit ärztlichem Bereitschaftsdienst in Ihrer Region."

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort