Neue Serie Hier Bedient Der Chef Noch Selbst Kommandozentrale für Stützstrümpfe

Moers · Einzelhandelsgeschäfte, in denen der Inhaber noch selbst bedient, werden in der Grafschaft immer seltener. In loser Folge stellen wir deshalb Betriebe vor, die dem Druck der Filialisten erfolgreich widerstanden haben.

 Rolf Unterwagner an der Ladentheke seines Sanitätshauses.

Rolf Unterwagner an der Ladentheke seines Sanitätshauses.

Foto: Klaus Dieker

Moers Im Hinterzimmer des Sanitätshauses Unterwagner an der Homberger Straße sieht es ein wenig aus wie in der Kommandozentrale des Raumschiffs Enterprise. Und tatsächlich spricht Firmenchef Rolf Unterwagner wie einst "Scotty" vom "Raufbeamen", wenn er an dem Steuerpult Platz nimmt. Zwar steht dann keine Teleportation von Captain Kirk oder ahnungslosen Unterwagner-Kunden an, sondern nur eine Übertragung der Daten. Dennoch ist Unterwagner stolz auf das Messgerät, das in der Lage ist, dreidimensionale Daten von Kundenbeinen zu fertigen und sofort online an den Hersteller zu "beamen". Geliefert wird dann eine Stütz-Strumpfware in allen Modefarben, die sich in Dicke und Tragekomfort kaum von herkömmlichen Damenstrümpfen unterscheidet.

Seit 115 Jahren beliefert die Familie Unterwagner Menschen am Niederrhein mit Bandagen, Prothesen, Rollstühlen und anderen Hilfsmitteln des Gesundheitsbedarfs. Firmengründer und Ur-Großvater des jetzigen Chefs war Rudolf Unterwagner. Schon sein Vater war Bandagist gewesen. Die Vorfahren entstammten einer langen Reihe von Handschuhmachern, Korsettmachern und Bandagisten. So machte sich Rudolf als Handwerksgeselle auf den Weg zu namhaften Bandagisten in Karlsruhe, Frankreich und der Schweiz, ehe er am 1. April 1901 in Duisburg-Ruhort seinen ersten eigenen Betrieb eröffnete.

Den Sprung über den Rhein nach Moers wagte das Unternehmen 33 Jahre später. Nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgte der Umzug an die Homberger Straße in ein eigenes Haus. Dort gab es mehr Platz für die Kundenbetreuung und eine immer noch bestehende orthopädische Werkstatt. Im Laufe der folgenden Jahre kamen weitere Niederlassungen in Duisburg, Homberg und Moers hinzu, von denen nur noch das Haus an der Homberger Straße übrig blieb. "Für ein mittelgroßes Sanitätshaus ist der Markt sehr schwierig", sagt Rolf Unterwagner. "Was gut funktioniert, sind ganz kleine und ganz große Betriebe."

Rolf Unterwagner hat sich für klein entscheiden. Zwölf Mitarbeiter zählt das Unternehmen. Die Ehefrau ist für die Buchhaltung zuständig. Der 67-jährige Firmen-Chef ist optimistisch, dass sich sein Unternehmen auch weiterhin gut im Markt behaupten kann: "Bei uns kommt es vor allem auf Beratung und den Kundendienst an. Da haben wir einfach Vorteile. Viele unserer Kunden kommen schon seit Generationen zu uns."

Deshalb spüren die Unterwagners den Preisdruck durch das Internet auch nicht in dem Maße, wie das andere Branchen tun. "Bei uns geht es ja nicht darum, irgendein Produkt zu verkaufen, sondern genau das Produkt zu finden, das zu den individuellen Bedürfnissen des Kunden passt."

Zwar schauen Unterwagner-Kunden auch nach dem Preis, aber auch da hilft das Internet: Das Unternehmen gehört einem Firmenverbund an, das über eine spezielle Software eine gemeinsame Bestell- und Lagerhaltung betreibt, die es den angeschlossenen Betrieben ermöglicht, größere Rabatte beim Einkauf zu erzielen. Die 1-B-Lage an der Homberger Straße empfindet Unterwagner als einen Vorteil: "Wir haben hier einen Kundenparkplatz direkt am Haus. Das macht es für unsere oft gehbehinderten Kunden einfacher, uns zu erreichen. Obwohl der Firmen-Chef bereits das Rentenalter erreicht hat, denkt er noch nicht ans Aufhören. Eine Übergabe an den Sohn wird es nicht geben, das ist schon seit Jahren klar. "Für den Ruhestand habe ich noch keinen Zeitpunkt ins Auge gefasst. Aber sollte es einmal so weit sein, habe ich ein fertiges Konzept vorbereitet."

(RP)
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