Moers Juso-Chefin ohne Revoluzzer-Allüren

Moers · Die 24-jährige Anna Heidekum aus Repelen führt seit wenigen Wochen die Moerser Jungsozialisten. Die gelernte Büro-Kauffrau ist eine Polit-Quereinsteigerin, die in Diskussionen leise Töne bevorzugt.

 Anna Heidekum ist die neue Vorsitzende der Jusos.

Anna Heidekum ist die neue Vorsitzende der Jusos.

Foto: Klaus Dieker

Wie Anna Heidekum so vor einem sitzt und etwas nervös die Finger knotet, könnte man die 24-jährige für vieles halten: eine ordentliche Studentin, eine junge Angestellte oder eine nette Bedienung im Café um die Ecke. Tatsächlich aber ist sie gerade zur Vorsitzenden der Moerser Jungsozialisten geworden. Mithin ist sie Chefin in einem nicht eben unbedeutenden Stadtverband der ruhmreichen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands.

Vielleicht liegt es ja an den eigenen Vorurteilen, an Erinnerungen an die junge Andrea Nahles etwa, wie sie mit großer Klappe den Etablierten in ihrer Partei die Leviten las, ehe sie, einer alten sozialdemokratischen Tradition gehorchend, selbst zum Establishment stieß. Jedenfalls hat man im Gespräch mit Heidekum sehr schnell den Eindruck als liege ihr die ritualisierte Revoluzzer-Selbstinszenierung so gar nicht. Sie wirkt einfach, wie soll man sagen: normal.

Im Gegensatz zu vielen anderen Mitgliedern im Rheinkamper Ortsverein der SPD, dessen Vorstand sie ebenfalls angehört, hat sie keine Familienangehörigen, die das rote Parteibuch in der Tasche haben: der Vater Prokurist, die Mutter Verkäuferin. Kein Hintergrund, der zwangsläufig zu den Jusos führen müsste. Auch während der Schulzeit auf der Gesamtschule in Rheinkamp hatte sie mit Politik wenig am Hut, obgleich ihr, wie sie sich erinnert damals schon eine Lehrerin prophezeit habe, dass sie für die Politik geeignet sei, da sie doch so gut schreibe. Jedenfalls machte Anna nach der Schule erst mal eine ordentliche Ausbildung als Bürokauffrau und arbeitete zwei Jahre lang in einer Immobilienfirma.

Nach der Lehre habe sie nur irgendetwas ehrenamtlich machen wollen, berichtet sie. Da ist kein Signalerlebnis wie in den 60-ern der Vietnamkrieg, der Protest gegen Atomkraftwerke oder die Politik im Nahen Osten. Eher eine Motivlage, die auch zum CVJM, zur Nabu oder einem Sportverein hätte führen können, wenn entsprechende Neigungen vorgelegen hätten.

Wirklich einfach machten ihr die Jusos den Einstieg zunächst nicht. Eine Mail an den damaligen Juso-Vorsitzenden, in der Heidekum ihr Interesse an einer Mitarbeit bekundete, ließ dieser unbeantwortet. Das war vor etwa zweienhalb Jahren. Doch Heidekum ließ nicht locker und wandte sich als Repelenerin an den ebenfalls aus Repelen stammenden Ortsvereinsvorsitzenden Mark Rosendahl. Der sorgte dann dafür, dass die junge Frau ordentlich aufgenommen wurde. Kurz darauf wurde in der Landeszentrale der Jusos in Düsseldorf eine Stelle frei. Heidekum bewarb sich und wurde angenommen. "Seitdem kann ich Hobby und Beruf miteinander verbinden", sagt die 24-Jährige.

Vor wenigen Wochen wählten die Moerser Jusos sie zu ihrer Vorsitzenden. Das mag angesichts der kurzen Parteizugehörigkeit überraschen. Andererseits war sie mit ihren 24 Lenzen die Älteste auf der nicht gerade üppig besuchten Mitgliederversammlung. Und wenn sie berichtet, dass man sich nun zunächst mal vom Kämmerer in die Geheimnisse des Moerser Haushalts einführen lassen will, dann klingt das so vernünftig, dass man ihr auch Führungspotenzial zubilligt. "Auch als Jusos müssen wir versuchen, Einsparpotenzial zu finden", sagt sie. "Andererseits müssen wir auch verhindern, dass gespart wird, wo es nichts zu sparen gibt."

Auch in der Flüchtlingsarbeit müssten die Jusos aktiver werden, als dies zuletzt der Fall war. Überhaupt sollten die Jusos sich mehr um die Probleme der Menschen vor Ort kümmern: "Wenn irgendwo eine Ampel kaputt ist, dann ist das auch unser Thema." Bei einem weiteren Anliegen, das weiß sie, kann die Politik leider nur wenig bis nichts ausrichten: "Am Wochenende werden hier in Moers doch um zwei Uhr nachts die Bürgersteige hochgeklappt. Wir bräuchten einfach wieder so eine Disko wie das alte PM." Dazu dann noch eine direkte Bahnverbindung nach Düsseldorf. Nun gut - mit 24 darf man noch träumen.

Über die Frage, wie denn ihre Arbeit für die Jusos ihr Leben verändert habe, muss sie nicht lange nachdenken: "Ich habe jetzt", sagt sie, "zum ersten Mal in meinem Leben einen Terminkalender."

(RP)
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