Moers Jugendliche: "Repelen wird brennen"

Moers · Bürgermeister Fleischhauer diskutiert mit Jugendlichen über die Entlassung von Said Boluri, Leiter des Jugendzentrums Nord.

 Im Juno: Bürgermeister Christoph Fleischhauer (links) im Gespräch mit Said Boluri (Mitte).

Im Juno: Bürgermeister Christoph Fleischhauer (links) im Gespräch mit Said Boluri (Mitte).

Foto: Klaus Dieker

Bürgermeister Christoph Fleischhauer steht hinter der Theke im Repelener Jugendzentrum Nord (Juno), umringt von rund 40 Jugendlichen und Heranwachsenden. Tränen, Enttäuschung, Wut, Verachtung schlagen ihm entgegen. "Es geht um die Zukunft der Kinder hier. Alle fühlen sich im Stich gelassen!" schimpft ein junger Mann. Fleischhauer hat sein Versprechen wahr gemacht: Keine Woche nach einer Demonstration von Jugendlichen im Rathaus besucht er, begleitet von Jugendamts-Leiterin Vera Breuer, das Juno. Er stellt sich den Mädchen und Jungen, die nicht hinnehmen wollen, dass die Stadt den Vertrag mit Juno-Leiter Said Boluri nicht verlängert. Ende des Jahres muss er gehen.

Für viele der Juno-Besucher scheint Boluri Vaterfigur, Kumpel, Helfer in der Not zu sein. Der Einzige, dem sie vertrauen, der sich um sie kümmert und der sie versteht. "Wenn dieser Mann weg ist, ist hier alles weg", heißt es. "Dann können Sie aus dem Juno ein Gefängnis machen." Es folgt ein Satz, der an diesem Abend mehrfach zu hören ist: "Repelen wird brennen!"

Die Jugendlichen zeichnen ein düsteres Bild: Eltern, die Drogen nehmen und alkoholabhängig sind, Kinder, die ohne Hilfe auf die schiefe Bahn geraten. "Ich war selbst kriminell", sagt einer und zeigt auf Boluri, der an einem Tisch sitzt und die Diskussion verfolgt: "Dank diesem Mann bin ich weg von dem Scheiß." Ein Anderer erzählt, dass ihm bei einer Bewerbung geholfen worden sei. "Dank Said und seinen Mitarbeitern habe ich eine Ausbildung."

Der Bürgermeister lässt keinen Zweifel daran, dass die Entlassung Boluris unwiderruflich ist. Nach Lage der Dinge halte er es für die richtige Entscheidung. Die Lage der Dinge bleibt aber diffus. Aus rechtlichen Gründen äußern sich weder Fleischhauer noch Boluri näher dazu. Dass Fleischhauer Boluris fachliche Qualitäten lobt, macht seinen Stand um so schwieriger. "Sie alle sind der Erfolg seiner sozialen Arbeit", sagt er. Es wird ihm als Heuchelei ausgelegt, dass er sich nicht für Boluris Verbleib einsetzt.

Dann versucht Fleischhauer, mit einem Vergleich die Sicht der Stadt zu erklären: Es sei wie in der Bäckerei, in der die Kundschaft - in diesem Fall die jungen Leute - die leckeren Brötchen zu Gesicht bekomme, aber nicht das, was in der Backstube abläuft. "Ich weiß, was in der Backstube passiert", sagt Fleischhauer. Jemand nimmt seinen Vergleich auf: "Aber wenn die Brötchen gut sind, entlässt man nicht den Bäcker!" Tosender Applaus.

Einige im Raum scheinen zu wissen, oder zu mutmaßen, dass es zwischen Boluri und seinen Mitarbeitern oder Vorgesetzten geknirscht hat. "Warum bekommt er keine Bewährung?" fragt ein Teenager. "Wer sagt, dass er die nicht schon hatte?", antwortet der Bürgermeister und bittet, dies als rhetorische Frage zu sehen. Die Befürchtung, dass mit Boluris Weggang alles vor die Hunde geht, möchte er zerstreuen: "Sie werden nach wie vor in dieser Einrichtung mit offenen Armen empfangen."

Nach fast anderthalb Stunden beendet Christoph Fleischauer die Diskussion. "Ich weiß, dass ich hier heute kein Bein auf den Boden bekomme." Gegen Ende gießt Boluri noch Öl ins Feuer. Er bedankt sich für den Einsatz der Juno-Besucher und bittet diese: "Nehmt euch nicht die Verwaltung und Politik zum Vorbild!"

"Scheiß Bürgermeister!", ruft jemand, als Fleischhauer geht. Ein weinendes Mädchen drückt ihm einen Zettel in die Hand. "Bitte lesen Sie das." Bevor der Fleischhauer auf sein Rad steigt, mit dem er zum Juno gekommen war, fragt er nach Vera Breuer. "Wo ist sie?" "Tot!" zischt ein anderes Mädchen. Fleischhauer zeigt erstmals Nerven: "Sie wissen nicht, was Sie da sagen!" "Na und, mich können Sie nicht entlassen!" Dann wieder: "Repelen wird brennen." Diesmal klingt es nicht nach Besorgnis, sondern nach Drohung.

(RP)
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