Serie Woran Glaubt Moers? "Ich glaube an die Vernunft"

Moers · Dr. Bernd Klähn ist Physik- und Philosophielehrer am Grafschafter Gymnasium. Wichtig sind dem stellvertretenden Schulleiter Grundwerte wie die Achtung des Individuums. Eine religiöse Überzeugung braucht er hierfür nicht.

 Bernd Klähn befasst sich am Grafschafter Gymnasium auch mit den großen Weltfragen.

Bernd Klähn befasst sich am Grafschafter Gymnasium auch mit den großen Weltfragen.

Foto: Marc Latsch

Moers Das Verhältnis zwischen Physik und der Religion war historisch gesehen nicht immer das beste. Kann ein gelernter Physiker da heute etwas mit dem Begriff "Glauben" anfangen? Dr. Bernd Klähn bejaht dies. "Ich beschäftige mich damit, was die Welt zusammenhält. Da ergeben sich auch Glaubensfragen", sagt er. "Man kann sich die Welt auch als Physiker so denken, dass ein Schöpfergott dahinter steckt", erklärt Klähn. Er schickt jedoch gleich hinterher: "Meine Sache ist das nicht."

Klähn ist stellvertretender Schulleiter des Grafschafter Gymnasiums. Neben Physik unterrichtet er auch Philosophie. Beruflich hatte er jedoch zunächst ganz andere Pläne. "Eigentlich wollte ich theoretischer Physiker werden. Die Jobs in diesem Bereich waren mir allerdings zu eng gefasst", sagt er. So wurde es schließlich der Lehrer-Beruf. Seine heutige Fächerkombination hält Klähn dabei für überaus passend. "Die klassischen Physiker waren auch Philosophen", erklärt er.

Während andere für ihre Leitlinien zur Bibel greifen, liest Klähn lieber bei Immanuel Kant. Der Königsberger Philosoph formulierte im Zeitalter der Aufklärung seine drei berühmten Grundfragen: "Was kann ich wissen?" "Was soll ich tun?" "Was darf ich hoffen?" Die letzte Frage zielt dabei auf den menschlichen Glauben. "In diesem Sinne glaube ich an die Vernunft, auch bei meinen Schülern", sagt Klähn. "Wichtig ist der Respekt vor dem Einzelnen, die Achtung des Individuums. Jemand anderem nicht schaden zu wollen, ist völlig unabhängig von einer religiösen Überzeugung. Man tut es von sich aus nicht." Klähn beklagt das Schattendasein der Philosophie im deutschen Schulalltag. Viel zu wenige Schüler kämen mit dem Fach in Kontakt, in Frankreich hingegen gehöre ein philosophisches Basiswissen zur Allgemeinbildung. "Dort ist dann nach dem Abschluss beinahe jeder Schüler zu grundlegenden philosophischen Diskussionen in der Lage." Beim Begriff "Glauben" denkt der Physik- und Philosophielehrer auch ans deutsche Grundgesetz. "Die Würde des Menschen ist unantastbar. Das ist fast schon ein Glaubenssatz", sagt er. Das gesamte Werk sei von Kants Geist durchzogen.

Auch hier zeige sich der besondere Einfluss des Philosophen. Eine gute Verfassung macht jedoch noch keine ideale Gesellschaft. "Die Idee ist großartig, an der Umsetzung muss man noch arbeiten."

(mlat)
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