Doppel-Interview zum Hochschulstandort Kamp-Lintfort „Gute ÖPNV-Verbindung ist wichtig"

Moers · 1880 Studenten studieren an der Fakultät Kommunikation und Umwelt. Dekan und Hochschulpräsidentin geben einen Ausblick auf die weitere Entwicklung der Fakultät.

 Die Hochschule Rhein-Waal.

Die Hochschule Rhein-Waal.

Foto: Ralf Darius

Die Fakultät Kommunikation und Umwelt ist seit der Gründung schnell gewachsen. Wie sieht Ihre Strategie für die nächsten Jahre aus?

Schürholz Die erst vor wenigen Jahren definierten Schwerpunktbereiche der Fakultät wie die Informationstechnologie, die Umwelt- und Energietechnik oder auch die Logistik sowie die Wirtschaftswissenschaften und die Arbeitspsychologie werden wir beibehalten. Sie sollen gestärkt werden. Wir werden die bestehenden Profile der Studiengänge schärfen und die Qualität der Lehre weiter verbessern. Zusätzliche andere größere Themenbereiche sind innerhalb der nächsten Jahre allerdings nicht geplant.

Welchen Stellenwert nimmt die Fakultät in Kamp-Lintfort innerhalb der Hochschule ein?

Schürholz Betrachtet man die Studierendenzahlen, so ist die Kamp-Lintforter Fakultät mit ihren 1880 Studenten die zweitgrößte der Hochschule. Das entspricht 28 Prozent der Studierenden der gesamten Hochschule. Neben dieser rein quantitativen Größe sticht auch die Fächervielfalt am Standort hervor. Diese und die Tatsache, dass die Fakultät die Einzige an dem Standort, ja der Region um Kamp-Lintfort ist, macht sie zu etwas Besonderen.

Psychologie, Design bis Informatik: Die Fakultät in Lintfort ist breit und von der Fächerauswahl wie eine eigene kleine Hochschule aufgestellt. Warum hat sich das so entwickelt?

Schürholz Das entstand durch und während der Antragstellung für den Hochschulstandort. Es hat sich so eine Fakultät entwickelt, die die Interessen und Bedarfe der Region abdeckt und entsprechend mehrere Fächer und Disziplinen beheimatet. Wir nutzen diese Fächervielfalt, um in interdisziplinären Veranstaltungen und Projekten die Synergiepotenziale der Fachrichtungen zu heben.

Mit der Eröffnung von Fab Lab, Open Lab und 3D-Kompetenzzentrum ist es gelungen, hier Prestige-Projekte in anzusiedeln. Wie wichtig ist es, dass sich die Fakultät solche Alleinstellungsmerkmale gibt?

Naderer Das 3D-Kompetenzzentrum im FabLab der Hochschule Rhein-Waal soll den Wissens-, Innovations- und Technologietransfer zwischen Forschung und Wirtschaft vorantreiben. Uns ist der Transfer-Gedanke besonders wichtig. Wir versuchen, mit solchen Einrichtungen die Attraktivität der Hochschule zu steigern. In der heutigen Zeit ist es gerade für Hochschulen fern der Ballungszentren, die nicht von der Anziehungskraft großer Städte profitieren können, wichtig, solche Alleinstellungsmerkmale aufzubauen.

In den vergangenen Jahren wurde stark auf die Internationalität der Hochschule gesetzt. Verfolgen Sie dieses Ziel auch weiterhin?

Naderer Die Hochschule Rhein-Waal entwickelte sich in den vergangenen Jahren im In- und Ausland mit ihrem internationalen Profil in der Hochschullandschaft überaus gut: mit über 30 Bachelor- und Masterstudiengänge, wovon 75 Prozent in Englisch gelehrt werden, rund 6700 Studierenden aus mehr als 120 verschiedenen Nationen und zahlreichen Kooperationen mit Hochschulen und Unternehmen sticht die internationale Ausrichtung der Hochschule in der Hochschullandschaft heraus. Wir werden in den nächsten Jahren weiter innovative und internationale Projekte entwickeln. Wir können derzeit 40 Prozent internationale Studierende bei uns an der Hochschule begrüßen und werden auch zukünftig international über alle Kontinente hinweg arbeiten. Ein besonderer, weiter auszubauender Schwerpunkt liegt in der grenzüberschreitenden Kooperation mit den Niederlanden, sei es in der Lehre oder in Forschungs- und Innovationsprojekten. Der Austausch mit Studenten von Hochschulen in den Niederlanden bereichert die Lehre. Bei der Kooperation im Rahmen von Interreg-Projekten profitiert die Hochschule von der Zusammenarbeit mit verschiedenen Akteuren in der Region auf beiden Seiten der Grenze.

Viele Studienfächer in Kamp-Lintfort haben inzwischen eine Art Numerus Clausus. Warum ist das nötig?

Naderer Die Einführung einer Zulassungsbeschränkung ist dann notwendig, wenn die Zahl der Bewerber die Zahl der zur Verfügung stehenden Studienplätze übersteigt. Dies ist bei einigen Studiengängen an der Fakultät Kommunikation und Umwelt der Fall, da diese sehr beliebt sind. Die Zulassungsbeschränkung ist somit eine Maßnahme der Qualitätssicherung, die eine optimale Betreuung und Infrastruktur für alle Studierenden sicherstellt.

Hat sich die Fakultät gut in die Stadt hinein vernetzt? Wie wird sie von den Bürgern, Unternehmern und Schulen wahrgenommen?

Naderer Als internationale ausgerichtete Hochschule mit einer starken regionalen Verankerung ist es uns ein großes Anliegen, in der Region verwurzelt und mit der Welt vernetzt zu sein. Die Vernetzung mit der regionalen Wirtschaft ist sehr gut und wird durch Forschungs- und Entwicklungsprojekte wie auch durch Praktika, Praxissemester und Abschlussarbeiten der Studierenden mit lokalen, nationalen und internationalen Wirtschaftsunternehmen verwirklicht. Ziel der Zusammenarbeit mit der Wirtschaft ist es, neue Synergien für Forschung, Lehre und Wissenstransfer zu schaffen. Wir orientieren uns auch bei der Gestaltung des Studienangebotes an aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen. Wesentlicher Bestandteil unserer Bachelor- und Masterstudiengänge ist die Projektarbeit. Kooperationen mit der Wirtschaft führen zu berufsqualifizierenden Kompetenzen und erleichtern den Studierenden den Start ins Berufsleben. Auch der Kontakt zu den Bürgern sowie zu Schulen aller Schulformen ist fester Bestandteil unserer regionalen Verankerung. Mit Veranstaltungen wie dem OpenLab öffnen wir uns der Öffentlichkeit. Besonders das FabLab schafft es als "High-Tech-Werkstatt zum Anfassen und Mitnutzen" Brücken zu Bürgern zu bauen. Ebenso wie zu zahlreichen Schülern, die regelmäßig im FabLab an Workshops zum Tüfteln und Erfinden für Kinder teilnehmen können. Zahlreiche Angebote des ZDI-Zentrums Kamp-Lintfort, wie beispielsweise die Kinder-Uni oder auch das Haus der kleinen Forscher ergänzen unser breites Angebot für Kinder und Jugendliche.

Was kann die Stadt Kamp-Lintfort tun, um der Hochschule weitere Standortvorteile zu verschaffen?

Naderer Die Stadt Kamp-Lintfort kann die Hochschule weiterhin bei dem Innovations- und Wissenstransfer aus der Hochschule in die Region unterstützen. Die Kooperation zwischen der Hochschule und der Stadt Kamp-Lintfort im Rahmen der Landesgartenschau 2020 in Kamp-Lintfort wird beispielsweise durch diverse gemeinsame Projekte untermauert. Die Landesgartenschau mit der einhergehenden Flächenentwicklung des ehemaligen Bergwerks West wird ein Meilenstein in der Stadtentwicklung Kamp-Lintforts sein und die Stadt attraktiver machen. Schon jetzt nutzt die Hochschule das ehemalige Magazingebäude des Bergwerks; die Sicherung der historischen Bausubstanz und der Umnutzung der weiterhin erkennbaren industriellen Grundstrukturen des Bergwerks ist für eine Hochschule der angewandten Wissenschaften von besonderem Interesse. Ein weiterer sehr wichtiger Standortfaktor wird die verbesserte Anbindung des Campus Kamp-Lintfort durch die Aktivierung der Bahnstrecke über Moers nach Duisburg, bei der sich die Stadt Kamp-Lintfort maßgeblich beteiligt, sein. Die geplante Bahnanbindung und gute ÖPNV-Verbindung sind für die Hochschule von besonderer Wichtigkeit.

Hochschulrat und Senat sind sich in der Kanzler-Nachfolge uneins. Können Sie die Hintergründe dazu erläutern?

Naderer Seit dem 1. Oktober 2014 ist das neue Hochschulgesetz (HG NRW) in Kraft. Auf Grundlage dieses Gesetzes hat sich am 9. Februar 2017 die Hochschulwahlversammlung als neues Gremium der Hochschule Rhein-Waal konstituiert. Die zentrale Aufgabe der Hochschulwahlversammlung ist die Wahl bzw. Abwahl der Mitglieder des Präsidiums. Die Hochschulwahlversammlung besteht zur Hälfte aus sämtlichen Mitgliedern des Senats und zur Hälfte aus sämtlichen Mitgliedern des Hochschulrats. In der konstituierenden Sitzung fand die Wahl zur Besetzung der Stelle der Kanzlerin/des Kanzlers statt. Die Findungskommission hat die Ausschreibung sowie das Auswahlverfahren vorgenommen und stellte der Hochschulwahlversammlung ihre Überlegungen und ihr Ergebnis in Form des Kandidaten vor. In der Erwartung einer Vorschlagsliste mit mehreren Kandidaten ist eine Mehrheit der Senatsmitglieder in der Hochschulwahlversammlung der Empfehlung der Findungskommission nicht gefolgt, während sich die Mitglieder des Hochschulrats einstimmig für den Wahlvorschlag ausgesprochen haben. Da die Mehrheit in beiden Teilen der Hochschulwahlversammlung für eine Wahl erforderlich ist, muss nun das Verfahren mit einer Neuausschreibung der Kanzlerposition durch die Findungskommission fortgesetzt werden. Diese Neuausschreibung wird in Kürze umgesetzt werden.

ANJA KATZKE STELLTE DIE FRAGEN.

(RP)
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