Moers Hebamme, Ex-First-Lady, Afrikanerin

Moers · Regina Abelt war sechs Jahre lang die "First Lady" in Äthiopien: Bei einem Heimatbesuch in Moers erzählt sie von ihrem ungewöhnlichen Leben hinter den Palastmauern und ihrer Arbeit als Hebamme.

 Die leitende Hebamme im Krankenhaus bethanien, Petra Onasch-Szerman, und Petra Abelt möchten ein Geburtshaus in Addis Abeba aufbauen.

Die leitende Hebamme im Krankenhaus bethanien, Petra Onasch-Szerman, und Petra Abelt möchten ein Geburtshaus in Addis Abeba aufbauen.

Foto: Klaus Dieker

Es kommt nicht oft vor, dass eine Hebamme von Sicherheitskräften zu ihrer Arbeit eskortiert wird. So war es aber, als Regina Abelt vor mehr als 15 Jahren zu einer Hausgeburt gerufen wurde: Damals war sie die Gattin des äthiopischen Präsidenten. "Außerhalb des Palastes konnte ich mich nicht ohne Bodyguard bewegen", erzählt sie.

Nun sitzt Regina Abelt im Bethanien Krankenhaus in Moers, trinkt ein Glas Wasser und schmunzelt, wenn sie an einzelne Episoden zurückdenkt. Anekdoten wie diese kann sie viele erzählen, das weiß auch Petra Onasch-Szerman, die leitende Hebamme am Bethanien Krankenhaus war. Sie ist es auch, die so manches erwähnt, was die ehemalige First Lady vielleicht verschwiegen hätte. Etwa, dass in dem Goethe-Institut in Äthiopien ein Porträt von Regina Abelt hängt - "als inspiring woman."

Die beiden Frauen sind seit elf Jahren befreundet, kennengelernt haben sie sich schon vorher durch ihre Eltern, die immer von der jeweils anderen erzählt haben. Zusammen möchten die beiden Frauen ein Geburtshaus in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba gründen.

Dort lebt Regina Abelt mit ihrem Mann Dr. Negasso Gidada. Einige werden sich an die Geschichte von der Frau erinnern, die an der "Weddigenstraße" in Neukirchen-Vluyn aufgewachsen ist: Sie arbeitete als Apothekenhelferin, machte eine Ausbildung zur Hebamme und ging als Entwicklungshelferin für einige Jahre nach Ruanda. Als sie zurückkehrte studierte sie in Frankfurt am Main Medizin. Dort lernte sie 1984 im "Dritte Welt Haus" Negasso Gidada kennen. "Er strich gerade das Klo", erinnert sie sich, "und ich habe gedacht, meine Güte, was macht der alte Mann hier." Nie hätte sie zu dem Zeitpunkt geahnt, dass sie in jenem Moment nicht nur ihrem künftigen Ehemann, sondern auch dem späteren Präsidenten von Äthiopien gegenübersteht. Nach einem Jahr wurden sie ein Paar und gingen bald nach Äthiopien, Negasso Gidada war dort zunächst Informationsminister, ehe er 1995 zum Präsidenten gewählt wurde. Die junge Familie bezog mit Töchterchen Talile den luxuriösen Palast von Kaiser Haile Selassie. "Es passte nicht zu uns, wir waren ganz normale Leute", sagt Abelt heute, "wir waren eher Jeans-Typen, den ersten Anzug hat mein Mann sich gekauft, als er Minister wurde."

Das Amt der First Lady hat Regina Abelt offiziell nie angenommen: "Ich kannte die Sprache nicht genug, um das Land zu repräsentieren", sagt sie, "trotzdem übernahm ich die Aufgaben einer First Lady. Es war eine bewegte Zeit." Sie engagierte sich sozial und stellte ein Projekt für Straßenmütter und -kinder auf die Beine. Nach sechs Jahren stellte sich Negasso Gidada nicht mehr zur Wahl und ihr Leben normalisierte sich.

Einen ruhigen Alltag hat Regina Abelt trotzdem nicht: Sie gründete das Regina Family Center, ist zu 50 Prozent die Managerin von Signum Vitae, einer Einrichtung für körperbehinderte Menschen. Darüber hinaus arbeitet sie als Beleghebamme. "Ich stehe jeden Tag für 24 Stunden in Rufbereitschaft. Ich liebe meinen Beruf und weiß, wie es den Frauen gehen würde, wenn ich es nicht mache", sagt sie. Andererseits sei sie auch die Geldverdienerin. Ihr Mann bekomme eine monatliche Rente, die unter 100 Euro im Monat liegt.

Der Familienbesuch in Neukirchen Vluyn ist so auch Entspannung für Regina Abelt: "Zu Hause falle ich immer auf", sagt sie. Nicht etwa, weil sie die Frau des ehemaligen Präsidenten ist - da winkt Regina Abelt ab: "Viele erkennen mich gar nicht."

Vielmehr sei es ihre Hautfarbe, die sie hervorstechen lassen. "Hier kann ich auch mal in der großen Menge untertauchen." Dennoch ziehe es sie nach einigen Wochen jedes Mal zurück nach Addis Abeba. "Ich fühle mich sehr verbunden. Mir sagte jemand mal, ich sei eine Afrikanerin."

(ubg)
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