Moers Halt geben in den dunkelsten Stunden

Moers · Yvonne van Holt ist Oberbrandmeisterin bei der Feuerwehr in Moers. Nun hat sie mit 20 anderen Frauen und Männern die Ausbildung zur ehrenamtlichen Notfallseelsorge absolviert. Sie helfen Menschen, Grenzsituationen zu überstehen.

Was sagt man Eltern, die soeben ihr Kind verloren haben? Was einer Frau, deren Mann soeben unter den Händen des Notarztes gestorben ist? In solchen Situationen dürften die meisten Menschen sich hilflos fühlen: Das richtige Wort zu finden, zu trösten in Situationen, in denen es scheinbar keinen Trost gibt, das ist eine Herausforderung.

In solchen Grenzsituationen leisten oft Pfarrer, Diakone und Pastoralreferenten Hilfe. Doch sie brauchen die Unterstützung von Ehrenamtlern. 21 neue Notfallseelsorger sind nun im Kreis Wesel in ihr Amt eingeführt worden. Eine davon ist Yvonne van Holt aus Moers-Scherpenberg.

Notfälle sind für sie nichts Ungewohntes. Sie ist ausgebildete Kinderkranken- und OP-Schwester. Dann entschied sie sich für den Beruf der Feuerwehrfrau - sie war die erste in Moers. Die Oberbrandmeisterin hat drei kleine Kinder und arbeitet zurzeit auf einer Viertelstelle. "Mir fehlte die Arbeit mit den Menschen", erzählt sie. Als sie in der Zeitung las, dass ehrenamtliche Notfallseelsorger gesucht werden, nahm sie Kontakt auf. Ein Jahr lang wurden sie und die anderen Anwärter ausgebildet. "Es ist ein toller Kreis von Menschen", sagt sie. "Und sie kommen aus den verschiedensten Berufen."

Während der Ausbildung haben die künftigen Notfallseelsorger gelernt, wie Feuerwehr und Polizei arbeiten. Gesprächsführung ist ein weiterer wichtiger Teil. "Wir haben viele Rollenspiele gemacht. Da versetzt man sich beispielsweise in eine Mutter, die ein Kind verloren hat." Einem Angehörigen eine Todesnachricht zu überbringen, das übernehmen üblicherweise die Opferschützer der Polizei. "Wir als Seelsorger fangen die Menschen auf." Auf einen solchen Schock reagierten Menschen sehr unterschiedlich. "Manche demolieren die Wohnung. Andere erstarren förmlich. Manche fangen an, sich oder andere Menschen zu beschuldigen."

Die Notfallseelsorger arbeiten auf einer christlichen Basis. "Aber wir missionieren nicht", stellt Yvonne van Holt klar. Nur wenn die Betroffenen Bereitschaft zeigen, sich im Gespräch diesem Bereich zu nähern, gehen die Seelsorger behutsam darauf ein.

Natürlich stehen die Ehrenamtler nicht nur für Christen zu Verfügung, sondern auch für Mitglieder jeder anderen Religionsgemeinschaft. Wird beispielsweise ein muslimischer Geistlicher gewünscht, so kennt man die nötigen Ansprechpartner.

Ohne eine religiöse, spirituelle Ausrichtung könne man diesen Dienst nicht tun, davon ist Yvonne van Holt überzeugt. "Man braucht eine Haltung zu Fragen nach dem Sinn des Lebens." In der Ausbildung steht daher auch das Thema der Theodizee im Fokus, also die Frage, warum Gott das Leiden in der Welt zulässt. Das ist die Frage, vor der Menschen beispielsweise nach einem tödlichen Unfall stehen: Warum nur hat Gott mir mein Kind, meinen Mann, meine Frau genommen?

"Was helfen kann, ist, die Menschen daran zu erinnern, was ihnen im Leben Halt gegeben hat", sagt Yvonne van Holt. "Wichtig ist es auch, dass bei einem Todesfall die Hinterbliebenen einen wirklichen Abschied nehmen können. Das kann in Form einer kleinen Feierstunde daheim geschehen. Solche Rituale helfen, mit der Trauer umzugehen."

Die neuen Notfallseelsorger leisten ihren Dienst in der Anfangszeit zunächst als Tandem mit einem erfahrenen Kollegen. "Wir teilen uns die Zeiten so ein, wie es uns am besten auskommt, manche in der Woche, andere am Wochenende." Sie selber werde voraussichtlich alle fünf bis sechs Wochenenden den Dienst übernehmen. "Ohne den Rückhalt meines Mannes und meiner Eltern würde das kaum gehen."

(s-g)
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