Moers Ein nervenaufreibendes Kammerspiel

Moers · Das Schlosstheater zeigt das Stück "Im Ausnahmezustand". Die Regisseurin Catherine Umbdenstock inszeniert das psychologische Kammerspiel, in dem Maresa Lühle, Frank Wickermann und Patrick Dollas auf der Bühne stehen.

 Maresa Lühle und Frank Wickermann spielen ein Paar, das unter psychischen Problemen leidet.

Maresa Lühle und Frank Wickermann spielen ein Paar, das unter psychischen Problemen leidet.

Foto: Theater

Hinter der Fassade von Erfolg und Wohlstand lauert die Angst. Abgeschottet von der als bedrohlich empfundenen Außenwelt, lebt die Familie in einer so genannten "Gated Community". Hierher schaffen es nur die wirklich Reichen und Schönen. Doch für die Annehmlichkeiten eines geregelten und vermeintlich sicheren Lebens hinter Zäunen ist ein hoher Preis zu zahlen.

Mit dem Theaterstück "Im Ausnahmezustand" von Falk Richter legt die Regisseurin Catherine Umbdenstock ein nervenaufreibendes psychologisches Kammerspiel vor. Maresa Lühle, Frank Wickermann und Patrick Dollas gelang es bei der Premiere des Stückes in der Kapelle des Schlosstheaters Moers, die beklemmende Atmosphäre einer seelisch zerstörten "Familienidylle" überzeugend zu vermitteln und die menschlichen Abgründe dahinter sichtbar zu machen.

Das Stück setzt sich mit dem Problem einer alles beherrschenden Angst vor dem gesellschaftlichen Abstieg auseinander. Realität und Fiktion begründeter und irrationaler Ängste vermengen sich zu einem hochexplosiven Cocktail, der zum Sprengstoff für jede aufrichtige zwischenmenschliche Beziehung wird. Was bleibt übrig, wenn das Glück nur noch im beruflichen Erfolg besteht und alles, was keinen Profit abwirft, aus dem Leben gedrängt wird? Das Stück wirft mehr Fragen auf, als Antworten zu geben.

Lühle verkörpert die Ehefrau mit eindeutigen Zügen einer generalisierten Angststörung, die Ehemann und Sohn mit ihrer Paranoia um den Verstand bringt. Den ganzen Tag wertet sie die Videos der Überwachungskamera aus und vermag dabei Realität und Angstraum nicht mehr voneinander zu unterscheiden. Selbst ihr Ehemann ist ihr plötzlich fremd: "Wo ist mein Mann, was hast du mit ihm gemacht?" Verlustängste und Misstrauen bilden eine fatale Mischung, gegen die auch die regelmäßig geschluckten Pillen nicht helfen.

Wickermann ist als Ehemann im Beruf antriebslos und demotiviert und steht kurz davor, seinen Job zu verlieren. "Die Zahlen sprechen gegen dich, bald gibt es dich nicht mehr", rechnet seine Frau ihm vor. Wenn die eigene Identität an den beruflichen Erfolg geknüpft ist, bedeuten Jobverlust und sozialer Abstieg das Ende. Der Sohn (Patrick Dollas) kommt mit dem überbehüteten Leben schon lange nicht mehr klar.

Auf die Bevormundung seines Vaters und die Kontrollwut seiner Mutter, die sich sogar unter seinem Bett versteckt, um herauszufinden, was ihr Sohn nachts treibt, antwortet er mit Rückzug und Widerstand. Ihn reizt die gefährliche Welt hinter dem Zaun. Am Ende zeigt sich: die eigentliche Gefahr lauert innerhalb der von paranoider Angst getriebenen Scheinidylle. Das Darstellertrio lieferte eine tolle Leistung ab, so dass man zum Schluss als Zuschauer beinahe erleichtert war, aus der klaustrophobischen Atmosphäre der Angst wieder ins Freie treten zu können, allerdings nicht, ohne den verdienten Applaus zu spenden.

(krsa)
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