Moers Ein Moerser soll Syrien Frieden bringen

Moers · UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon hat den Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik, Volker Perthes, zum Leiter eines Teams ernannt, das Verhandlungen in Syrien vorbereiten soll. Perthes hat seine Jugend in Moers verbracht.

 Der Moerser Volker Perthes plädiert für eine pragmatische Haltung etwa gegenüber dem Iran auf der einen und Saudi-Arabien auf der andern Seite.

Der Moerser Volker Perthes plädiert für eine pragmatische Haltung etwa gegenüber dem Iran auf der einen und Saudi-Arabien auf der andern Seite.

Foto: dpa

Volker Perthes gibt derzeit eigentlich keine Interviews. Das ist ziemlich ungewöhnlich, denn einerseits ist der habilitierte Politikwissenschaftler Leiter der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) und somit einer der wichtigsten außenpolitischen Berater von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Andererseits hat er gerade sein neues Buch bei Suhrkamp veröffentlicht: "Das Ende des Nahen Ostens wie wir ihn kennen". Eigentlich müsste er, wie früher schon geschehen, jetzt von Talkshow zu Talkshow gereicht werden. Aber seit Uno Generalsekretär Ban Ki-moon den 57-Jährigen zum Leiter einer von vier Arbeitsgruppen ernannt hat, die Bedingungen für Friedensverhandlungen in Syrien aussondieren soll, lehnt der Experte und nebenberufliche Diplomat alle Gesprächswünsche von Journalisten ab.

Bis auf die Anfrage der Rheinischen Post. Aus alter Heimatverbundenheit sozusagen macht er eine Ausnahme. Seine Schulzeit hat der Politikwissenschaftler nämlich in Moers-Kapellen verbracht, war am Niederrhein sogar als Kreisvorsitzender der Jungdemokraten, einem linken Vorläufer der Jung-Liberalen, politisch aktiv. Vorsitzender der Moerser Ortsgruppe war damals der heutige SPD-Stadtverbandsvorsitzende Harald Hüskes. "Wir waren ein ziemlich linker Haufen, wollten die Parteien antikapitalistisch unterwandern", erinnert sich Hüskes. Aber Perthes sei damals schon durch seinen analytischen Verstand und seinen Humor aufgefallen.

Beides wird er brauchen, wenn er in den nächsten Wochen Gesprächsfäden mit den verfeindeten Lagern knüpfen muss. Dabei kommt ihm zugute, dass er nach seinem Studium der Politik, Geschichte und Orientalistik in Duisburg zwei Jahre in Damaskus als Doktorand lebte und seitdem fließend Arabisch spricht. "Als ich dort war, gab es kaum jemanden, der eine andere Sprache als Arabisch sprach. Da muss man die Sprache sprechen und sei es nur, um sich mit dem Vermieter auseinandersetzen zu können", berichtet Perthes.

Später gehörte der Moerser zu den ersten Ausländern, die nach dem Bürgerkrieg im Libanon an der Amerikanischen Universität in Beirut lehrten. Die Erfahrungen jener Zeit kommen dem 57-Jährigen heute zugute. Er habe Freunde und Bekannte bei mehreren Konfliktparteien, sagt er. Das zählt in einer Region, in der es Vertrauen allenfalls noch zwischen einzelnen Personen, nicht aber zwischen Parteien gibt.

In seinem neuen Buch hat er die historischen Hintergründe für die Konfliktketten skizziert, die gegenwärtig die Welt in Atem halten: Mit dem Arabischen Frühling im Jahr 2011 beschleunigte sich der Zerfall der 1916 im sogenannten Sykes-Picot-Abkommen festgelegten politischen Ordnungen im Nahen Osten. Das führte zu einem Rückfall in Stammesdenken und religiösen Fanatismus. Perthes: "Je mehr im Hier und Jetzt aber Ordnung, soziale, wirtschaftliche und politische Stabilität und Gewissheit fehlen, je weniger das Zusammenleben verschiedener Bevölkerungsgruppen im Rahmen verlässlicher Staatlichkeit abgesichert wird, desto wichtiger werden konfessionelle, ethnische oder tribale Bindungen und Identitäten". Wer die 145 Seiten von Perthes liest, ist verblüfft, wie zielgerichtet die dort ausgeführten Perspektiven zu dem jüngsten Kurswechsel der amerikanischen und europäischen Nahostpolitik führten.

So hatte Perthes in seinem Buch die nach zwölf Jahren unter anderem durch Vermittlung Russlands erfolgreich zum Abschluss geführten Atomverhandlungen der USA mit Iran als ein mögliches Muster für das Management anderer Konflikte in der Region genannt.

Perthes plädiert für eine pragmatische Haltung etwa gegenüber dem Iran auf der einen und Saudi-Arabien auf der andern Seite, ohne die ein Frieden in Syrien kaum möglich sei: "In jedem Fall ist es leichter, mit einem schwierigen, aber funktionierenden Partner umzugehen, als mit gescheiterten Staaten."

Man würde Perthes gerne fragen, wie er das neuerliche militärische Auftreten der Russen in Syrien beurteilt, oder die Bereitschaft der Bundesregierung, den syrischen Diktator Assad zumindest für eine Übergangsphase als Verhandlungspartner zu akzeptieren, doch da verweist der SWP-Direktor dann doch auf sein Schweigegelübde. Allerding hat er vorher schon zu verstehen gegeben, dass er nach einem eventuellen Waffenstillstand eine bewaffnete UNO-Friedensmission für sinnvoll hält, an der sich auch die Bundeswehr beteiligen sollte.

Das führt unvermeidlich zu einer Frage, die wieder zurück zu Perthes' politischen Anfängen führt. Nach dem Abitur hatte Perthes den Wehrdienst verweigert. Nun aber leitet er ausgerechnet die Verhandlungsgruppe, die sich mit militärischen Fragen und Terrorismus beschäftige. Liegt darin nicht eine gewisse Ironie? "Nein, gar nicht", antwortet Perthes. "Dass ich den Kriegsdienst verweigert habe, zeigt doch nur, wie früh ich mich schon mit Sicherheitsfragen beschäftigt habe."

Hüskes hat also Recht. Der Mann ist schlau - und er hat Humor.

(RP)
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