Moers Die Moerser Diebels-Geschichte

Moers · Diebels Alt ist eines der bekanntesten Biere Deutschlands. Die Geschichte der Issumer Brauerei ist auch die des Investors Gustav Prang in Moers.

 1907 Gustav Prang erwarb das Haus vom insolventen Friedrich Giese.

1907 Gustav Prang erwarb das Haus vom insolventen Friedrich Giese.

Foto: Wiltrud Wößner

Der deutsche Sieg im Deutsch - Französischen Krieg 1871 beendete nicht nur die deutsche Kleinstaaterei. Durch die Gründung des Deutschen Kaiserreichs erhielt auch die Wirtschaft durch die Vereinheitlichung der Währung sowie den Milliarden aus französischen Reparationszahlungen einen enormen Schub. Industrie und Handwerk expandierten, Banken verstreuten Kredite an Geschäftsmänner und Investoren, und auch der gemeine Bürger konnte mit etwas Geschick ein bis dato kaum bekanntes Gut aufbauen: Reichtum. Zwar stockt der Aufschwung 1873 mit Einsetzen der "Gründerkrise", dennoch profitierte beispielsweise der Krefelder Josef Diebels, der 1878 in Issum die berühmte Altbier-Brauerei aufbaute, von den neuen Absatzmöglichkeiten.

 Die Aufnahme, vermutlich 1931, zeigt Gustav Prang (2. v.l.) mit Freunden und Kunden vor seiner Gastronomie.

Die Aufnahme, vermutlich 1931, zeigt Gustav Prang (2. v.l.) mit Freunden und Kunden vor seiner Gastronomie.

Foto: Stadtarchiv

Aber auch der Hauptprotagonist der folgenden Geschichte wusste den ersten Wirtschaftsboom auf deutschen Boden für sich zu nutzen. Gustav Prang, geboren in der "Diebelsstadt" Issum, war nun vielleicht nicht der reichste Mann der Stadt, als er Anfang 1907 in Moers in das Geschäft seines Lebens investierte. Schon bald war er aber der drittgrößte Steuerzahler der Grafenstadt. Dazu verhalf ihm Ehrgeiz, das in seiner Familie viel vorhandene wirtschaftliche Geschick und etwas Diebels.

 1942 Eine Phosphorbombe hat das Haus zerstört (Foto: etwa 1947).

1942 Eine Phosphorbombe hat das Haus zerstört (Foto: etwa 1947).

Foto: archiv/wößner

52.000 Mark (heute etwa 300.000 Euro) hatte sich Gustav Prang erspart. Soviel warf sein Metzger-Betrieb mit angeschlossener Gastronomie in Hocheide offenbar ab, als er am 7. August 1907 mit dem Kauf der mit Hypotheken belasteten Gastronomie an der Homberger Straße, Ecke Hopfenstraße, die Chance seines Lebens ergriff.

 Das Haus an der Homberger Straße um 1932. 1953 Gustav Prang verpachtet Otto Bolte das Gebäude. Das Haus an der Homberger Straße um 1932. 1953 Gustav Prang verpachtet Otto Bolte das Gebäude.

Das Haus an der Homberger Straße um 1932. 1953 Gustav Prang verpachtet Otto Bolte das Gebäude. Das Haus an der Homberger Straße um 1932. 1953 Gustav Prang verpachtet Otto Bolte das Gebäude.

Foto: Wiltrud Wößner

Zum Vorteil Gustav Prangs war der schon damals funktionierende niederrheinische Klüngel. Seine Familie bestand aus durchweg tüchtigen Leuten - Handwerker, Landwirten, Lehrern, Kantoren, mittlere Beamte. Sie waren evangelisch, Kaisertreu, dienten in der Marine und im kaiserlichen Heer. Und sie kannten den Neureichen, aus einer Metzgerfamilie stammenden Josef Diebels aus Issum. Und dieser wiederum hatte Vertrauen in den jungen Gustav Prang. Anders lässt sich nicht erklären, dass der Unternehmer 20.000 Mark Schuldbürgschaft beim Kauf des Moerser Gebäudes übernahm. Das geht aus dem Dokument des Kaufvertrags hervor, das neben Gustav Prang auch Josef Diebels unterzeichnete. Selbsterklärend wurde in dem Haus, das heute als "Diebels Live" bekannt ist, vom ersten Moment an mit wenigen Ausnahmen das Issumer Bier ausgeschenkt.

 2017 In einem Jahr feiert das Diebels Live 20 Jahre Bestehen.

2017 In einem Jahr feiert das Diebels Live 20 Jahre Bestehen.

Foto: Dieker Klaus

Vor Erhalt der Konzession am 8. Januar 1908 begann Prang mit den Umbauten der "Reichskrone". Die Küche kam in den ersten Stock, ein Speiseaufzug, Parkettböden und eine Toilettenanlage wurden installiert. Trotz unzähliger Umbauten konnte Prang genügend Geld verdienen, um die Hypotheken abzuarbeiten und vorzusorgen. Krieg und die Inflationen während der Weimarer Republik machten sein Geschäft nicht kaputt. Nachdem Ersten Weltkrieg - Prang war zunächst im französischen Verdun, dann in Russland stationiert - sah er den Verfall der Währung früh kommen, weshalb er sich frühzeitig mit Waren wie Zigarren, Weinen und Spirituosen eindeckte. Eine finanzielle Krisenzeit hat Prang so bis in die 1940er Jahre nicht erleben müssen. Zudem konnte er sich beim gleichnamigen Sohn seines einstigen Unterstützers Josef Diebels endlich revanchieren. Um 10.000 Mark, so schreibt die Enkelin von Gustav Prangs, Wiltrud Wößner in einer Chronik, habe der Bierbrauer gefragt. Eine Summe, die Prang sofort und zinslos entrichtete. Zurückzuzahlen hatte Diebels das Geld - freilich - in Bier.

Moers: Die Moerser Diebels-Geschichte
Foto: Wiltrud Wößner

Die Geschichte des Hauses, der Familien Prang und Diebels sollte aber nach dem Krieg noch enger zusammenrücken. In der Nacht vom 6. und 7. September 1942 brannte das Gebäude nach einem Fliegerangriff auf die Grundmauern herunter. "In der Nacht von Sonntag auf Montag kam der Alarm erst um halb 4 Uhr morgens. Wir hörten (aus Issum) die Flieger in großen Scharen einfliegen, sahen auch bald über Moers 100te von lodernden Feuerbränden [...] Ich mag euch nicht beschreiben wie trostlos es in den schönen gepflegten Räumen aussieht", schreibt Prangs Schwester Elfriede in einem Brief über die Nacht.

"Gustav Prang und Frau Marie standen mit 68 und 65 Jahren plötzlich vor dem Trümmern ihres Besitzes und ihrer Existenz. Kraft für einen Wiederaufbau hatten sie beide nicht, weshalb sie den Entschluss fassten, das Gebäude sowie die Gastronomie zu verpachten", schreibt die Enkelin.

So trat der den Moersern noch heute bekannte Otto Bolte - ebenfalls gelernter Metzger - 1947 an das Ehepaar Prang heran. Der damalige Betriebsleiter der Brotfabrik Allermann hatte vor, den Gastronomiebetrieb wieder in Gang zu setzen. Am 7. Oktober 1947 wurden die Verträge für die Pacht unterschrieben. "Ich kann mich aus Kindheitstagen noch gut an Otto Bolte (sen) erinnern, ein [...] wohlgelaunter Mann mit großem Improvisationstalent [...], der den damaligen chaotischen Zuständen im gesamten Wirtschaftsleben durchaus gewachsen war", schreibt Wiltrud Wößner über den neuen Pächter. Prang bezahlte aus der Pacht wiederum den Wiederaufbau, reich wurde die Familie nach dem Krieg aber nicht mehr. "Es gibt keine Zweifel, dass meine Großeltern [...] im Alter bescheiden gelebt haben", schreibt Wößner.

Ausgeschenkt wurde in der Gastronomie weiterhin Diebels-Bier. 1967 lief der Pachtvertrag von Otto Bolte (sen) aus. Marie Prang, nach dem Tod von Gustav (1964) Bevollmächtigte, schloss im Anschluss direkt mit der Familie Diebels einen Pachtvertrag ab. Die Issumer übernahmen zeitgleich auch die Aufsicht für das Gebäude, weil weder Marie (lebte in einem Issumer Altenheim) noch die Tochter (wohnend in Schweinfurt), sich um das Haus hätten kümmern können. 1984 traten dann drei Enkel, darunter Wiltrud Wößner, in den Pachtvertrag ein. Auch sie verlängerten aufgrund der langjährigen Tradition mit Diebels den 1988 auslaufenden Pachtvertrag um weitere zehn Jahre. Unterpächter Otto Bolte (jun) musste jedoch schon 1996 aus gesundheitlichen Problemen aus dem Beruf ausscheiden. Nach vielen Rechnungen, Telefonaten mit Banken stand für die Nachfahren von Gustav Prang fest: "Wir mussten das Erbe verkaufen."

Seither hat sich viel geändert. Besitzer ist heute die freundliche Familie Schäfer aus Moers, das "Bolten" heißt seit 1998 "Diebels Live", die einstige Familienbrauerei dagegen ist längst Spielball internationaler Brauereikonzerne geworden. Was bleibt, ist die Geschichte. Und die Tradition.

(KT)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort