Nach dem Nelkensamstagszug in Moers Die Kehrseite

Moers · De Zoch von hinten: Gleich hinter dem letzten Wagen, dem Prinzengefährt, sorgt die Kehrmaschine für schnelle Sauberkeit nach dem Spektakel.

 Nach dem Feiern kommt das große Aufräumen.

Nach dem Feiern kommt das große Aufräumen.

Foto: Klaus Dieker

Der Junge im Fuchskostüm steht mit ausgebreiteten Armen auf der Straße, eine Hand umklammert die Bierflasche. 16 oder 17 mag er sein, die Augen sind schmal, sein Blick leer. Er grinst den Fahrer der Kehrmaschine an, als wollte er sagen: "Überfahr' mich doch, ich bin sowieso unsterblich." Klaus Rosen (58) schnaubt: "Das hätt'se wohl gerne, was?" Langsam fährt er auf den Jungen zu. Da flitzt eine blonde Elfe auf die Straße, zieht an der freien Hand des Jungen, bis er ihr auf den Bürgersteig folgt. Rosen schüttelt den Kopf, doch er wirkt nicht verärgert: "Beim Trinken werden die alle mutig. In meinem Job muss ich Dinge sehen, bevor sie passiert sind."

Diesen Job, Kehrmaschinenfahrer, übt der gelernte Gas-Wasser-Installateur seit 28 Jahren bei der Enni in Moers aus. Alle drei bis vier Wochen und jedes Jahr an Karneval arbeitet er auch samstags, Müll liegt schließlich immer auf der Straße. "Ich bin kein Karnevalsfan, deswegen macht es mir nichts aus, dass jetzt alle feiern und ich bis 19 Uhr arbeiten muss", sagt Rosen. Nach dem Zug werden noch die großen Plätze in der Innenstadt abgefahren. Der 58-jährige wirkt entspannt, gibt aber zu: "Natürlich freu' ich mich auf mein Feierabendbier." Um 12.30 Uhr hat sein Arbeitstag begonnen. Mit der siebenköpfigen Kehrmaschinenflotte, zwei davon Kompaktfahrzeuge der Wirtschaftsbetriebe Duisburg, geht es nach Homberg. Von dort aus fährt das Gespann jedes Jahr hinter dem letzten Wagen, dem Prinzengefährt, her und befreit den sieben Kilometer langen Weg in Schrittgeschwindigkeit von Plastikflaschen, Konfetti, Süßigkeitenpapier und Dosen. Gelegentlich sind auch Glasflaschen mit dabei, obwohl die seit 2009 beim Nelkensamstagszug verboten sind. "Och ja, die kann meine Maschine aufnehmen", sagt Rosen und erklärt, wie die funktioniert: Die Turbine unter dem Wagen erzeuge einen Luftdruck, so werde die Luft am Saugschacht angesogen. Der Sog wiederum nehme den Müll auf. Die Bürsten arbeiten dem Schacht den Abfall zu. "Sechs Kubikmeter passen rein", verrät Rosen.

Die Reinigungsfahrzeuge fahren wenige Minuten später los als der Prinzenwagen, doch schnell ist ein Abstand von 500 Metern zwischen dem blauweißen Schiff und der Flotte entstanden, die Musik des Spielmannszuges ist nicht mehr zu hören. "Das ist immer so", erklärt Rosen. Jedes Jahr sieht er die Überbleibsel des Zuges, den bunten Abfall und die Feiernden, die immer jünger werden und von denen sich viele aufgrund des hohen Alkoholkonsums kaum noch auf den Beinen halten können. Da ist das junge Mädchen mit den langen blonden Haaren, das, eingehakt am Arm ihrer Freundin, im Zickzack über den Bürgersteig läuft. Oder der Junge im Tigerkostüm, der seiner Cheerleaderfreundin beinahe eine gefüllte 1,5-Liter-Plastikflasche auf den Kopf wirft. Und am Bahnhof liegt ein Mann auf dem Bürgersteig. Seine Kopfwunde wird versorgt.

"Ein anderen Sinn als Saufen hat Karneval meiner Meinung nach nicht. Da toben sich alle mal so richtig aus", meint Rosen. In diesem Moment klatscht jemand mit der Hand gegen sein Seitenfenster. "Ja, Mensch, hi", grüßt er seinen Indianer-Kollegen, der heute keinen Dienst fährt, sich aber für zwei Meter auf die Trittstufen stellt und mitfährt. "Jo, danke, mach's gut", ruft er und verschwindet in der Menge. Rosen lacht. Mit seinen Kollegen kommt er gut aus, immer wieder winken welche vom Straßenrand oder rufen ihm etwas zu. Ein Clown aus der Personalratabteilung schenkt ihm ein Schnapsfläschchen für den Feierabend.

Nur eines kommt Rosen suspekt vor: "Da verliert doch jemand Öl", sagt er immer wieder und deutet auf die Flecken auf der Straße. "Fällt das denn niemandem auf?" Tatsächlich: Ein Fahrzeug der Wirtschaftsbetriebe Duisburg hat Hydrauliköl auf der Moerser Straße hinterlassen. Ein Kilometer wird deswegen auf voller Breite abgesperrt, die Feuerwehr streut Bindemittel. Erst als die Kehrmaschinen das Mittel entfernt haben, wird die Straßensperre aufgehoben und die Busse zwischen Moers und Duisburg fahren wieder.

(jma)
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