Moers/Berlin Auf Reisen - ein Leben lang

Moers/Berlin · Eine Japanreise zog Katharina Plehn-Martins mit 21 Jahren in die weite Welt: Moers wurde ihr zu klein und Berlin zu ihrer neuen Heimat. Heute ist die 70-jährige Pfarrerin immer noch als Seelsorgerin auf einem Kreuzfahrtschiff unterwegs.

 "Pfarrerin, das bleibt man ja für immer": Katharina Plehn-Martins im Jahre 2012 bei dem Eintritt in den Ruhestand in Berlin.

"Pfarrerin, das bleibt man ja für immer": Katharina Plehn-Martins im Jahre 2012 bei dem Eintritt in den Ruhestand in Berlin.

Foto: Katharina Plehn-Martins

Das wahre Leben erwischte die Urlauber im Hafen der griechischen Insel Kos. Von Bord ihres Kreuzfahrtschiffes blickten sie auf Schlauchboote, in denen ausgemergelte Gestalten mit roten Schwimmwesten hockten - Syrische Flüchtlinge, deren Schiff untergegangen war. Hier Luxus und Unbeschwertheit, dort ein existenzielles Drama. Wie geht man mit einer solchen Situation um? Katharina Plehn-Martins erlebte Reaktionen vom Ausblenden des Unglücks der anderen bis hin zur intensiven emotionalen Anteilnahme. Sie selbst regte an, die Flüchtlinge mit Getränken und Essen zu versorgen; vom Frühstück war noch genug da. Aber die Kreuzfahrt-Direktion machte ihr einen Strich durch die Rechnung. "Sie sagte, dass die Menschen in der sicheren Obhut der griechischen Behörden seien."

 Plehn-Martins 1950 als Dreijährige in Moers-Scherpenberg

Plehn-Martins 1950 als Dreijährige in Moers-Scherpenberg

Foto: Plehne

Plehn-Martins ist 70, pensionierte evangelische Pfarrerin und seit vier Jahren als Bordseelsorgerin auf Kreuzfahrtschiffen unterwegs. Sie war am Nordkap, hat die Ostsee-Länder, die Ägäis, Tasmanien und Australien gesehen. Und sie hat ein Buch über ihre Erlebnisse geschrieben. Anfang des Jahres ist "Segen auf See" im Patmos-Verlag erschienen, und seither hören die Interview-Anfragen von Zeitungen, Radio- und TV-Sendern bei der Autorin nicht auf. Sie war in Talkshows zu Gast, und Lesungen führen sie quer durch Deutschland. Auch in Moers wird sie ihr Buch vorstellen, allerdings erst am 6. September 2018 im Moerser Schloss.

 Plehn-Martins bei ihrer Reise nach Japan 1968.

Plehn-Martins bei ihrer Reise nach Japan 1968.

Foto: Plehne

Katharina Plehn-Martins lebt seit Anfang der 70er Jahre in Berlin-Wilmersdorf. Nach Moers kommt sie aber immer wieder gerne, denn hier ist sie aufgewachsen, hier hat sie noch Freunde, und hier, auf dem Friedhof Klever Straße, sind ihre Adoptiv-Eltern begraben: Else und Ernst Teichmann. 1950 war die dreijährige Katharina - oder Karin, wie sie gerufen wurde - elternlos aus Marburg nach Moers gekommen. Das Ehepaar Teichmann, das einen Tante-Emma-Laden in Scherpenberg hatte, nahm das Mädchen an Kindes statt an und gab ihm ein Zuhause. Vor allem an ihre Pflegemutter denkt Katharina Plehn-Martins mit großer Liebe zurück. "Dieser Frau verdanke ich mein Leben."

Mit der Aufnahme bei Else und Ernst Teichmann schien die Zukunft des Mädchens vorgezeichnet zu sein. "Für sie war klar, dass ich das Geschäft übernehme." Katharina war klug und aufgeweckt und hätte gerne wie ihre Freundinnen das Gymnasium besucht. Stattdessen trat sie nach Abschluss des Volksschule mit 14 eine Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau an und arbeitete danach im Laden.

Ihr Leben veränderte sich, als sie ihre Freundin Ingrid besuchte, die in Bonn Pädagogik studierte. Ein junger Japaner, der an der Uni Deutsch lernte, lud die beiden in seine Heimat ein. "Wir fuhren mit dem Zug von Duisburg bis Moskau, dann flogen wir mit Aeroflot über Sibirien und ein Stück mit der Transsibierischen Eisenbahn. Mit der Fähre ging es bis Yokohama mit dem Taxi bis Tokio." Über das zweimonatige Abenteuer der Moerserinnen im damals noch sehr fernen Fernen Osten berichtete im Oktober 1968 der Grafschafter unter der Überschrift "Ganze Familie badet im selben Wasser". Die Badegewohnheiten der Japaner hätten sie aber nicht gestört, erzählte sie damals dem Redakteur, "weil sich vorher jeder gründlich abseift".

Nach der Japan-Reise war für die junge Frau nichts mehr wie früher. "Ich hatte die große Weite Welt geschnuppert. Ich hatte das Gefühl, ich ersticke in Moers." 1969 zog sie nach Düsseldorf, ein Jahr später folgte sie ihrer Freundin Ingrid nach Berlin. Sie arbeitet als Delikatessen-Verkäuferin, holte im Abendstudium ihre Mittlere Reife nach, machte eine Ausbildung zur Stenokontoristin, lernte weiter, machte mit 28 ihr Abitur am Berlin-Kolleg. Es folgten ein Studium der Theologie und der Beruf, der sie bis heute, auch nach ihrer Pensionierung ausfüllt: "Pfarrerin, das bleibt man ja für immer."

Heute betätigt sich Katharina Plehn-Martins auch als Berufs- und Persönlichkeitscoach. "Ich berate Menschen, die auf der Stelle treten und nicht wissen, wie sie klarkommen sollen." Das wäre dann ihr Beruf Nummer vier. Ansonsten, so versichert sie, wäre sie auch beim Einkochen von Marmelade und anderen Dingen, für die sie viele Jahre lang kaum Zeit hatte, glücklich geworden. Wenn ihr nicht die Seelsorge auf Kreuzfahrtschiffen dazwischengekommen wäre. Die reine Erholung ist dies übrigens nicht, betont die Theologin. Sie baue eine Gemeinde auf Zeit auf, feiere Gottesdienste, sei ständige Ansprechpartnerin der Reisenden an Bord und bei Landgängen. "Ich bin sozusagen immer im Standby-Modus." Aber die mit der Führung einer normalen Gemeinde verbundene Verwaltungslast entfalle. "Es ist nur Kür, keine Pflicht."

Die nächste Kreuzfahrt wird Katahrina Plehn-Martins über Weihnachten und Neujahr vor die südamerikanische Küste führen. Ihr Mann, ebenfalls Pfarrer, hütet derweil seine Berliner Gemeinde. "Wenn ich zurückkomme, werden wir uns viel zu erzählen haben." Dann gute Fahrt!

(RP)
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