Moers Adolfiner helfen Flüchtlingen, in Moers heimisch zu werden

Moers · Kooperation zwischen Gymnasium und Justus-von-Liebig-Schule: Oberstufenschüler üben mit Neuankömmlingen Lesen und Sprechen.

 Lehrer Thomas Nickola (links) hätte gerne ein traditionelles Lied einstudiert. Claudine und Alesja singen aber lieber "In der Weihnachtsbäckerei".

Lehrer Thomas Nickola (links) hätte gerne ein traditionelles Lied einstudiert. Claudine und Alesja singen aber lieber "In der Weihnachtsbäckerei".

Foto: Dieker

Dienstags hat Ellen Jansen, Oberstufenschülerin am Gymnasium Adolfinum, erst ab der dritten Stunde Unterricht. Sie könnte länger schlafen, ausgiebig frühstücken, Zeitung lesen. Stattdessen macht sich die 17-jährige Gymnasiastin auf den Weg zur Justus-von Liebig-Schule. Dort setzt sie sich mit Nadine Zreik (15) zusammen, einer aus dem Libanon stammenden Schülerin, und übt mit ihr deutsche Verben und die Fälle. "Ich finde es wichtig, dass Flüchtlinge in die Gesellschaft integriert werden", sagte Ellen gestern. Und Nadine freute sich: "Das hilft mir, ich kann besser lernen."

Insgesamt 15 Adolfiner helfen in ihren Freistunden Flüchtlingskindern an der Hauptschule, in der deutschen Sprache und im deutschen Alltag Fuß zu fassen. Die Schülerverwaltung des Gymnasiums hat das Projekt angestoßen. "Wir sammeln Spenden, möchten aber auch persönlich etwas machen", sagte der Gymnasiast Philipp Oberberg. Bei den Lehrern am Adolfinum kam die Initative ebenso an wie bei den Schülern. Mehr als 40 wollten sich beteiligen, bei vielen ließ es der Stundenplan aber nicht zu. Allerdings bestehen am Adolfinum auch andere Möglichkeiten, sich einzubringen: Nachmittags gibt es für etwas ältere Flüchtlinge regelmäßig Deutschkurse, Sport- und Musikangebote, die von Schülern betreut werden.

Bei Claudia Corell, Leiterin der Justus-von-Liebig-Schule, rannten die Gymnasiasten mit ihrem Hilfeangebot offene Türen ein. An der Hauptschule gibt es zwei "Vorbereitungsklassen", in denen neben Flüchtlingen auch andere aus dem Ausland stammenden Kinder gefördert werden: Alles in allem 40 Schüler aus 26 Nationen. Der eine spricht besser deutsch, der andere schlechter. Sie alle ihren jeweiligen Fähigkeiten gemäß zu fördern, ist für die zuständigen Lehrerinnen Duygu Yilmaz und Barbara Knopp schwierig. Sie freuen sich über die Entlastung durch die Adolfiner. "Es ist eine schöne Unterstützung", sagte Duygu Yilmaz. Sie hat zum Beispiel einen Schüler, der große Probleme mit dem Lesen und Schreiben hat. Jetzt kann Duygu Yilmaz spezielle Aufgaben für den Jungen vorbereiten, die eine Gymnasiastin mit ihm durchnimmt. "Das ist ein sehr intensives Üben. Für einen Lehrer ist das fast unmöglich."

Claudia Corell hofft, dass der "Einzelunterricht" dazu beiträgt, mehr aus dem Ausland stammende Kindern den Übergang an eine andere weiterführende Schule zu ermöglichen. Bisher haben zwei von der Hauptschule ans Adolfinum gewechselt. "Ein Mädchen aus dem Iran und eins aus Syrien besucht jetzt bei uns die achte Klasse", sagte Maria Vollendorf-Löcher, die das Projekt der Adolfiner vonseiten der Lehrerschaft koordiniert.

Das Engagement entwickelt sich weiter: Inzwischen haben Gymnasiasten Patenschaften für bestimmte Flüchtlingskinder übernommen. Es gibt die Idee, auch nach Schulschluss gemeinsam Moers zu erkunden, so dass die Neuankömmlinge ihren Wohnsitz besser kennenlernen. Versicherungstechnisch sei das kein Problem, viele Eltern - vor allem die der älteren Flüchtlingskinder - hätten bereits ihr Einverständnis signalisiert.

Nächsten Montag treffen sich die Gymnasiasten und die Schüler der Vorbereitungsklassen zu einer gemeinsamen Jahresabschlussfeier. In der Mensa der Justus-von-Liebig-Schule werden Gedichte rezitiert, es wird gegessen und gesungen. Gestern wurde die Feier vorbereitet, und dabei wuchsen die Paten und ihre Schützlinge weiter zusammen. Durch die Schulküche zog der Duft frisch gebackener Schoko-Cookies, in einem Klassenraum wurden Sterne und andere Deko gebastelt. Und im Musikraum schmetterten Alesja aus Albanien und Claudine aus Togo im Kreis anderer Schüler "In der Weihnachtsbäckerei" ins Mikrofon. "Singen verbindet", stellte Lehrer Thomas Nickola fest. Stimmt!

(RP)
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