Mönchengladbach Zwei Minuten, um Notfall zu erkennen

Mönchengladbach · Die Notfallambulanzen sind überlaufen. Jetzt sollen die Ärzte in kürzester Zeit über die Dringlichkeit entscheiden und Patienten auch wieder nach Hause schicken. Eli-Geschäftsführer Horst Imdahl kritisiert die Krankenkassen.

 In nur zwei Minuten sollen Ärzte einer Notfallambulanz entscheiden, ob der Patient ein Notfall ist oder ob zum Hausarzt geschickt werden soll. Diese Regelung wird heftig kritisiert.

In nur zwei Minuten sollen Ärzte einer Notfallambulanz entscheiden, ob der Patient ein Notfall ist oder ob zum Hausarzt geschickt werden soll. Diese Regelung wird heftig kritisiert.

Foto: Mahnke/Elisabeth-Krankenhaus

Es ist ein Ding der Unmöglichkeit, darüber sind sich alle Träger von Notfallambulanzen einig. "In zwei Minuten kann kein Arzt darüber entscheiden, ob ein Notfall vorliegt oder der Patient zu seinem Hausarzt gehen kann", sagt Huan Nguyen, Chefarzt der Klinik für innere Medizin am Elisabeth-Krankenhaus in Rheydt. Um beurteilen zu können, was hinter so vieldeutigen Symptomen wie Rückenschmerzen, Schwindel- oder Schwächegefühlen stecke, benötige ein Arzt im Durchschnitt eine Viertelstunde. Zwei Minuten, nein, das gehe wirklich nicht. Genau das wird aber seit dem 1. April eigentlich von den Ärzten der Notfallambulanzen erwartet. Mehr wird nicht bezahlt. Etwa vier Euro sind das Äquivalent von zwei Minuten.

Was dahinter steckt, ist der Versuch, den Run auf die Notfallambulanzen zu stoppen. Seit Jahren steigt die Anzahl der Patienten, die direkt in die Notaufnahmen der Krankenhäuser kommen. Entweder weil die Praxen geschlossen haben oder auch weil die Patienten die technischen Möglichkeiten einer Klinik schätzen - mit Laboren, Röntgengeräten und EKG.

Um diesem Trend entgegenzuwirken, sollen die Ärzte nun die Patienten kurz sichten und nur die echten Notfälle behandeln. Was aber nicht so einfach ist, wie es klingt. "Wir verwenden auch jetzt schon das Triage-System", erklärt Chefarzt Nguyen. Dabei wird nach dem Ampelsystem die Dringlichkeit der Behandlung festgelegt. Rot bedeutet, dass sofortiges Handeln nötig ist, Grün heißt, dass die Dringlichkeit gering ist.

"Die meisten Patienten fallen aber in die Rubrik Gelb", erklärt der Internist. Das heißt, hier muss abgeklärt werden, was hinter den Beschwerden, die die Menschen in die Ambulanz getrieben haben, steckt. Und das kann sehr unterschiedlich sein. Rückenschmerzen zum Beispiel können orthopädische Ursachen haben, müssen aber nicht. "Wenn die Schmerzen schon länger andauern, kann auch Krebs dahinter stecken", erklärt Nguyen. "Treten sie plötzlich auf, kann ein Herzinfarkt der Auslöser sein." Sie können auch auf Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse oder der Hauptschlagader zurückzuführen sein. Nach einem zweiminütigen Gespräch kann jedenfalls kein Arzt beurteilen, ob der Patient nicht auch nach Hause gehen und später seinen Hausarzt konsultieren kann.

Kein Arzt kann das, und kein Arzt muss das am Elisabeth-Krankenhaus in Rheydt. "Wir haben schließlich einen klaren Auftrag, den wir erfüllen müssen", sagt Professor Nguyen. Die Ärzte haben weiterhin die Zeit, die sie brauchen. Das bedeutet allerdings, dass die Notfallambulanz noch höhere Defizite machen wird als ohnehin schon in den Jahren zuvor. Eine Notfallbehandlung kostet im Schnitt hundert Euro. Das bekommen die Krankenhäuser nicht ersetzt, bisher nicht und jetzt noch viel weniger.

"Alle Ambulanzen arbeiten defizitär", erklärt Horst Imdahl, Geschäftsführer des Elisabeth-Krankenhauses. Er kritisiert die neue Regelung: "Den Kassen scheinen die Patienten egal zu sein." Er fordert, die Finanzierung des Bereichs neu und anders zu gestalten. "Wir brauchen einen separaten finanziellen Topf für die Notfallbehandlungen", sagt der Geschäftsführer. "Die Abrechnung sollte direkt zwischen Krankenhäusern und Kassen erfolgen." Hier sei der Gesetzgeber gefordert. Ob der den Hilferuf hört?

(RP)
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