Mönchengladbach Zupfen an 4 x 2 Saiten auf hohem Niveau

Mönchengladbach · Mit Herzblut dabei sind die Mitglieder des Mandolinenorchesters. Geprobt wird montags bei der Awo Giesenkirchen.

 Josef Reidmacher ist gerade erneut zum Orchesterleiter gewählt worden. Bald will er "Sound of Silence" von Simon & Garfunkel einstudieren.

Josef Reidmacher ist gerade erneut zum Orchesterleiter gewählt worden. Bald will er "Sound of Silence" von Simon & Garfunkel einstudieren.

Foto: Reichartz

Ingrid Schippel ist 75. Die Noten zu Romanesca hat sie auf ihrem Tablet. Dennoch: "Peter, tu mal den Notenständer 'n bisschen runter, sonst kann ich den Dirigenten nicht sehen." Der 1. Konzertmeister des Madolinenorchesters Edelweiß Giesenkirchen tut der regelmäßigen Gastmusikerin von Rheinlust Rheydt natürlich den Gefallen. Und schon hebt Dirigent Josef Reidmacher seine Hände und summt zur Erinnerung die ersten Takte.

An den Wänden roter Samt, an der Tür der Hinweis "Vorsicht Rutschgefahr", die Akustik durchaus akzeptabel. Seine Proben hält das 92 Jahre alte Ensemble in einem Raum bei der Awo in Giesenkirchen ab. Dort, wo üblicherweise bei Feiern das Buffet aufgebaut ist. Nun stehen im Halbrund Stühle, Notenständer und Fußbänkchen.

Gegen 19.15 Uhr treffen die ersten Musiker ein. Es herrscht das übliche Gewusel eines Orchesters vor der Probe: Noten werden sortiert, die Mandolinen gestimmt, man kennt sich, man foppt sich, und es kommen Fragen auf: "Was spielen wir zuerst?" Nervös ist aber niemand. Eher erwartungsvoll.

Romanesca klingt im ersten Teil etwas rumpelig. Kein Wunder. Es ist das erste Stück am Abend, das Ensemble muss erst zusammenfinden. Was zunehmend gelingt. Erstaunlich, wie ausgereift der Klangkörper daherkommt. Und wie vielseitig Mandolinen klingen. Die an diesem Abend 20 Musiker spielen diszipliniert, konzentriert, dynamisch; für Amateure auf einem hohen Niveau.

"Links sitzt die 1. Mandoline, rechts die 2.. Hinten links Mandola, hinten rechts Gitarre, dahinter der Bass", erläutert Josef Reidmacher die Zusammensetzung des Orchesters, das 1926 als Wander- und Mandolinenverein begann. Obwohl einige Musiker verhindert sind, sei die Probendisziplin erstaunlich, so der 84-Jährige. Er ist sein halbes Leben dabei. Und gerade erneut zum Orchesterleiter wiedergewählt. Er ist ein wenig gehandicapt: "Meinen rechten Arm kann ich derzeit nicht gut bewegen." Seinem Engagement tut dies jedoch keinen Abbruch.

Auf dem Probenplan stehen an diesem Abend russische, ungarische, aber auch Stücke wie die Marionetten-Wachtparade ("bitte nicht zu schnell beginnen"), Espagna, Traum Tango ("der nimmt ja langsam Gestalt an"), und Sangue Italiano ("das machen wir noch mal"). Bei Impressioni Musicali schwant dem Dirigenten, dass in dem anspruchsvollen Stück immer noch Stolperfallen stecken. Und prompt muss das Orchester an einem Übergang neu ansetzen:

Eigentlich wollte Josef Reidmacher das Ensemble an ein neues Stück heranführen, an Sounds of Silence von Simon & Garfunkel. Aber Peter Esser, der 1. Konzertmeister, seit 66 Jahren im Verein, will sich das Stück erst noch zu Hause erarbeiten, bevor der Song vom gesamten Orchester eingeprobt werden kann. "Wir geben uns an alle Sachen ran", erklärt Sabine Moll das Repertoire von "Edelweiß Giesenkirchen". Dazu gehören Musicals, Filmmusiker, Klassik, aber auch Walzer und Foxtrott, ergänzt Birgit Peters. Die 49-Jährige hat schon als Kind bei Edelweiß gespielt: "Mein Großvater hat das Orchester mitgegründet." Nach einer längeren Pause ist sie vor 15 Jahren wieder eingestiegen. Nun sorgt sie für das Bereitstellen der Noten. Die Mandoline war schon früh das Instrument ihrer Wahl: "Ich fand Blockflöte doof."

Tanja Lennartz ist 43. Sie ist durch ihre Eltern infiziert worden: "Meine Mutter spielt hier Gitarre. Und der Dirigent ist mein Vater." Was nicht heiße, dass sie ihre Begeisterung an die nächste Generation weitergeben kann: "Meine Familie ist nicht so begeistert. Ich verziehe mich zum Spielen in einen anderen Raum." Sie hat festgestellt, dass die Mandoline, vier Doppelsaiten, bauchiger Korpus, kurzer Hals, bei Laien kaum bekannt ist.

Das bestätigen die anderen. Gelehrt würde das Spielen in den Gladbacher Musikschulen nicht. Musiker im Orchester springen da ein. So droht das Mandolinenspiel zu verschwinden, meint auch Karola Wöffen: "Die Leute sind baff, wenn sie hören, was wir spielen."

Das Mandolinenorchester Edelweiß ist für die Musiker nicht nur der Ort ihrer Leidenschaft. Für viele ist es Familie. Einige Mitglieder sind miteinander verwandt, alle befreundet. Eine gewachsene Gemeinschaft, die aber stets offen und neugierig ist für und auf neue Mitstreiter. Irmgard Oellers ist 57 und seit 2007 dabei: "Ich liebe Musik. Und Mandoline ist leicht zu erlernen. Die Gemeinschaft ist gut, und es ist schön, zusammen zu spielen."

Das nächste Konzert ist Samstag, 21. April, 16 Uhr, im Caritaszentrum (Konstantinstr. 263). Der Eintritt ist frei. Josef Reidmacher verspricht ein "bunt gemischtes Programm".

(akue)
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