Mönchengladbach Wohlanständiges Morden - so geht das

Mönchengladbach · Uta Koschel inszeniert die Krimi-Komödie "Arsen und Spitzenhäubchen" in Mönchengladbach. Mit viel Charme spielen neun Schauspieler Joseph Kesselrings schwarzes Stück aus einem hyperspleenigen Tollhaus in Brooklyn.

 Entsetzt ist Neffe Mortimer (Cornelius Gebert), als er dahinter gekommen ist, dass seine beiden alten Tanten einsame Männer mit einem Gifttrunk ins Jenseits befördern. Szene mit Esther Keil (links) und Eva Spott.

Entsetzt ist Neffe Mortimer (Cornelius Gebert), als er dahinter gekommen ist, dass seine beiden alten Tanten einsame Männer mit einem Gifttrunk ins Jenseits befördern. Szene mit Esther Keil (links) und Eva Spott.

Foto: Matthias Stutte

Nach dieser Aufführung wissen wir, bei welchem Lehrmeister in Sachen Komödienbau der britische Dramatiker Alan Ayckbourn in die Schule ging: nämlich bei dem heute kaum noch bekannten New Yorker Joseph Kesselring (1902-67). Wie der Plot einer Slapstick-Komödie, mag die Handlung auch schreiend unglaubhaft sein, bühnenakkurat umzusetzen ist, hat Kesselring mit der schwarzen Komödie "Arsen und Spitzenhäubchen" 1941 am Broadway exzellent vorgeführt. Die versponnene Persiflage auf das Sprichwort von Leichen im Keller muss stimmig und punktgenau abgespult werden. Das hatte Frank Capra heraus, als er das Opus 1944 ins Leinwandlicht der Kinotheater katapultierte und damit Weltruhm erntete.

Nun nahm sich die Berliner Regisseurin Uta Koschel des Originals an und zelebrierte ein köstliches Stück Unterhaltung auf Udo Hesses Bühne, die liebevoll die Atmosphäre eines altmodischen Mittelschicht-Hauses im New Yorker Bezirk Brooklyn einfängt. Hesse hatte den richtigen Riecher, als er vom Theater Coburg das Interieur dazu auslieh: ein Vertikalschnitt durch den muffigen Empfangssalon der Schwestern Abby und Martha Brewster - mit Treppenaufgang zu einem Mezzaningeschoss, Türen und plüschigem Mobiliar.

Liebe zum Detail hatte Kostümbildnerin Esther Kemter walten lassen. Galt es doch, den methodischen Wahnsinn im Stück zu bedienen, der es erfordert, dass der Neffe Teddy, ein von multipler Persönlichkeitsstörung betroffener junger Mann, abwechselnd im Dress von US-Präsident Roosevelt, als Safari-Pfadfinder oder Offizier auftreten muss. Am Ende darf Teddy (Jonathan Hutter) endlich ins Sanatorium umziehen. Glücklich folgen ihm dorthin die beiden Tanten, die es für völlig normal ansehen, dass man ältere, einsame Männer mit vergiftetem Holunderwein ins Jenseits befördern darf. Das halten Martha (Eva Spott), welche jeweils die Rezeptur für das "letzte Glas" mixt, und Abby (Esther Keil) für "Wohltätigkeit und reine Nächstenliebe". Gut gelaunt trippeln die beiden sympathischen Damen durch ihre Wohnung. Den Wahnsinn hinter der wohlanständigen Fassade kann sich kein Polizist vorstellen, also verzichtet der tumbe Inspektor auf die wiederholt angebotene Kellerbesichtigung.

Als nach jahrelanger Abwesenheit der kriminelle, sadistische Neffe Jonathan - Paul Steinbach als Wiedergänger von Boris Karloff - vor der Tür steht, der zusammen mit dem sinistren Chirurgen Dr. Einstein (Bruno Winzen mit ganovenhaftem Charme und ungarischem Akzent) eine Leiche im Haus der Tanten entsorgen möchte, platzt denen der Kragen: Brutale Gewalt, das verträgt sich nicht mit ihrem christlichen Selbstverständnis! Außerdem sei ihr Keller mit inzwischen zwölf Männerleichen voll, kein Platz mehr für weitere Tote, basta!

Über diese makabre Haltung gerät der einzige "normale" Neffe, Mortimer, in Verzweiflung. Cornelius Gebert spielt den zunehmend Verwirrten, der sich tapfer abmüht, seine Tanten vor einer Mordanklage zu bewahren, mit akrobatischer Bravour, zappelig, nervös, immer neu verblüfft über die Entwicklung, der er heillos hinterherjagt. Worunter seine Verlobte, die kindlich piepsende Pfarrerstochter Elaine (Henrike Hahn), ganz schön zu leiden hat. Doch wächst sie an dieser Herausforderung. Ende gut, alles gut. - Das meinte auch das begeistert applaudierende Premierenpublikum.

(RP)
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