Denkanstoss Wo ist der Zugang zu Gott?

Mönchengladbach · Wissen viele Menschen nicht mehr, was sie mit der Kirche anfangen sollen? Diese Frage stellt sich der Rheydter Pfarrer Olaf Nöller. Dabei biete die Kirche heute eine an den Menschen orientierte Religiosität an.

 Als er auf dem Wochenmarkt war, sah Olaf Nöller ein junges Paar, das den Eingang zur evangelischen Hauptkirche nicht fand.

Als er auf dem Wochenmarkt war, sah Olaf Nöller ein junges Paar, das den Eingang zur evangelischen Hauptkirche nicht fand.

Foto: Olaf Nöller

Neulich war ich auf dem Rheydter Wochenmarkt. Während ich Obst und Gemüse auswählte, läutete die Hauptkirche zur Trauung. Als ich schon zum Auto zurückging, beobachtete ich ein junges Paar, das zu spät gekommen war, und versuchte die Kirche zu betreten. Vergeblich rüttelten sie im Bereich der Sakristei an Türen und gerieten schon leicht in Panik. Sie wussten nicht wo "vorne und hinten" ist. Vielleicht hatten sie nie gelernt, mit einem Gotteshaus "umzugehen"? In einem Augenblick, als der Strom der Autos unterbrochen war, rief ich hinüber und versuchte ihnen - wild gestikulierend - den Weg zum Haupteingang zu weisen. Sie fanden dort Einlass.

Mich hat das berührt. Gleichen diese jungen Leute nicht solchen Zeitgenossen, die auch nicht mehr so recht wissen, wie sie die Kirche "gebrauchen" sollen? Es gibt mittlerweile nicht wenige, die keine Berührung mehr mit dem Gott der Bibel finden, weil ihnen überlieferte "Wege" der Frömmigkeit fremd geworden und "Zugänge" zur Tradition verschlossen sind. Eine wachsende Zahl von Mitbürgern tritt aus den Volkskirchen aus. Die leidenschaftlichen Leserbriefe, die vor ein paar Tagen als Reaktion auf die Stellungnahme zweier Amtsträger zum Thema Kirchenaustritte abgedruckt waren, auch sie zeugten von Enttäuschung und Bitterkeit.

Aber wie wäre meine Antwort ausgefallen? Auch ich kann keine schlüssige Erklärung bieten, zumal ich, offen gestanden, den Eindruck habe, dass sich viele Kirchengemeinden - bei allen belastenden personellen, strukturellen auch finanziellen Problemen - viel Mühe geben, die Botschaft von der Menschenliebe Gottes in Wort und Tat zu praktizieren. Da mag manches kritikwürdig sein, und doch bieten die in der Ökumene verbundenen Konfessionen heute - nach vielen Irrwegen der Intoleranz - eine differenzierte, aufgeklärte und auch an den Bedürfnissen der Menschen orientierte Religiosität an. Sie haben dem Fanatismus, der in unseren Tagen weltweit zunimmt, abgeschworen und suchen den Dialog - auch mit anderen Religionen!

Viele Menschen verspüren auch heute ein tiefes Bedürfnis nach Spiritualität und "Religion" (übersetzt: "Rückbindung"). Sie probieren darum neugierig an Türklinken, um glaubwürdige Antworten auf ihre existenziellen Grundfragen zu finden. Sie entdecken dabei alles Mögliche und auch Unmögliche. Kürzlich hatte ich in der Seelsorge einen religiös interessierten jungen Mann vor mir sitzen. Er war zeitweise von einer christlichen Sekte manipuliert und auch finanziell geschröpft worden. Aber er hatte den Ausstieg alleine geschafft. Im eigenen Bibelstudium war ihm klar geworden: "Was die mit mir machen, das will Gott sicher nicht."

Ich wünsche mir, dass es heute noch viel mehr Christen gibt, die den Mut aufbringen, modernen Gottsuchern zuzuhören und ihnen "sachdienliche Hinweise" zu geben. Am besten erzählt man mit einfachen Worten, warum einen die christliche Botschaft im Herzen tröstet, warum sie einen von Ängsten und Komplexen befreit und auch zu Taten der Liebe motiviert. So bekannte zum Beispiel neulich jemand aus vollem Herzen: "Ich habe Gott so lieb, dass ich dafür die Kirche in Kauf nehme!"

Das gefällt mir, und das ist ja auch alternativlos, denn noch leben wir nicht im Reich Gottes. Gerade die real existierende Kirche gehört an allererster Stelle unter das Kreuz dessen, auf den sie all ihre Hoffnung setzt.

(RP)
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