Norbert Post (CDU) "Wir müssen die Menschen persönlich erreichen"

Mönchengladbach · Der scheidende CDU-Landtagsabgeordnete Norbert Post über seine Zeit im Landtag und die Bedeutung der Kommunalpolitik.

Norbert Post erinnert sich
9 Bilder

Norbert Post erinnert sich

9 Bilder
Foto: Knappe Joerg

Sie verlassen den Landtag mit Ablauf der Legislaturperiode. Haben Sie Ihr Büro schon ausgeräumt?

Post Ich werde am Dienstag noch den Rechner abgegeben. Die Unterlagen von 17 Jahren Abgeordnetenarbeit habe ich mir auf eine 3-Terabyte-Festplatte gezogen.

Mit welchem Gefühl gehen Sie? Wehmut?

Post Es tut schon ein bisschen weh. Ich kann mich noch gut an das erhebende Gefühl zu Beginn meiner Abgeordnetentätigkeit erinnern: Ich war gemeinsam mit 200 Abgeordneten gewählter Vertreter von 18 Millionen Menschen. Die Realität hat das dann ein bisschen gedämpft. Ich habe lernen müssen, wie viel abzusprechen ist und dass die freie Meinung durch viele Diskussionen umgeprägt wird. Mit dem Abschied verbindet sich nun auch das Gefühl von Freiheit, ich kriege den Kopf wieder frei, was mir während der Zeit im Landtag weniger oft gelungen ist.

Nach der krachenden Niederlage 2012 war die CDU diesmal bei der Landtagswahl die Siegerin. Wären Sie gern dabei gewesen, wenn die CDU wieder das Land regiert?

Post Klar ist Regieren schöner als Opposition, weil man etwas umsetzen kann. Aber in der Regierung ist andererseits der einzelne Abgeordnete nicht so stark prägend wie die drei bis vier, die mit dem Koalitionspartner verhandeln. Mit einer Stimme Mehrheit wird es nicht so viel Freiheit für den einzelnen Abgeordneten geben. Im Vorfeld muss alles exakt bis aufs Komma ausgehandelt werden. Der Koalitionsvertrag wird mit Sicherheit ein dicker Schinken, der bis ins Letzte ausformuliert ist.

Freuen Sie sich auf Schwarz-Gelb?

Post In einer Demokratie ist eine Große Koalition nicht immer das Beste. Aber bei einer Ein-Stimmen-Mehrheit ist die Situation auch nicht einfach. Ich habe eine schwarz-gelbe Koalition erlebt, da war die Ausgangslage aber eine andere. Die jetzigen 33 Prozent für die CDU sind nicht so glorreich wie die knapp 40 Prozent damals.

Mönchengladbach schickt vier Abgeordnete in den Landtag. Können wir uns auf einen Mönchengladbacher Minister freuen?

Post Da es keine Große Koalition geben wird, kommt Hans-Willi Körfges nicht in Betracht, der bei einer Großen Koalition ein Kandidat gewesen wäre. Die anderen drei sind noch zu neu.

Aber das Innenresort wird doch die CDU beanspruchen?

Post Das hoffe ich. 2005 musste ich erleben, wie ein FDP-Ministerium die Kameraüberwachung am Alten Markt in Frage gestellt hat und sie erst nach Einspruch unsererseits erhalten blieb. Dabei ist das sinnvoll: Ein einzelner Polizist kann immerhin zum Beispiel vier Monitore im Auge behalten. Und wir haben inzwischen 80 Polizisten weniger in Mönchengladbach.

Ein zentrales Wahlkampfversprechen der CDU lautete, mehr Polizisten auf die Straße zu bringen. Wird es mehr Polizei geben?

Post Ja, sonst würden wir ja wortbrüchig. Im Wahlkampf 2005 haben wir 50 neue Lehrer für Mönchengladbach versprochen, und das haben wir auch eingehalten. Ich gehe davon aus, dass das Versprechen auch diesmal umgesetzt wird.

Haben Sie einen Ratschlag für die Neulinge im Landtag?

Post Man muss sich schnell ein Netzwerk schaffen. Man schafft es nicht mehr, alles alleine hundertprozentig zu erarbeiten. Dann braucht man Kollegen, die man zum jeweiligen Fachgebiet befragen kann.

Auch die AfD hat den Einzug in den Landtag geschafft. Wird sie so schnell wieder verschwinden wie die Piraten, die nicht wieder drin sind?

Post Es wird nicht so einfach gehen. Je weiter wir uns zeitlich von den geschichtlichen Ursprüngen dieses Denkens entfernen, desto eher verfestigt sich das rechte Gedankengut. Wir müssen die AfD im Landtag stellen und zeigen, dass sie nur ideologisierte Forderungen, aber keine Lösungen präsentieren. Ich bin auch ein Fan größerer Sicherheit, aber das hat nichts mit der Farbigkeit der Gesellschaft zu tun. Die meisten, die zu uns kommen, sind eine Bereicherung für unsere alternde Gesellschaft, aber es gibt natürlich auch einige, die sich nicht so verhalten, wie es bei uns üblich ist. Alle dafür verantwortlich zu machen, ist eine primitive Ideologie.

Aber wie kann die Politik diejenigen erreichen, die AfD gewählt haben? Mit den sozialen Medien Facebook, Twitter und Co.?

Post Ich glaube nicht, dass das die Lösung ist. Komplexe Vorgänge und Ideen kann man nicht auf 140 Zeichen zusammendampfen. Das ist naiv und gefährlich. Wohin das führen kann, können wir in der Weltpolitik beobachten. Wir müssen die Menschen persönlich erreichen. Ich kenne nicht den Königsweg, aber wenn ich Menschen erreichen will, muss ich durch Neuwerk gehen. Da finde ich die Gesprächspartner.

Es gibt Themen, die auf Landes- und solche, die auf Bundesebene angesiedelt sind. Viele Wähler verstehen das nicht und wünschen sich beispielsweise eine zentrale Schulpolitik. Können Sie das nachvollziehen?

Post Ja, ich verweise da aber gern auf Frankreich und Großbritannien. In beiden Ländern ist die Schulpolitik zentralisiert, und beide haben sehr viele Privatschulen. Ich glaube, dass das an der Vereinheitlichung liegt. Je einheitlicher und damit starrer ein System wird, desto mehr Privatschulen entstehen. Es dürfen sich aber nicht nur Besserverdienende gute Schulen leisten können,

Sie waren lange Zeit Lehrer und Gesamtschuldirektor. Wie sehen Sie die Schulpolitik? Kann Bayern Vorbild sein?

Post Ich kann mit Auswahl arbeiten wie in Bayern, dann machen weniger Abitur. Ich kann auch mit Förderung arbeiten, dann gibt es mehr Abiturienten. Es existieren viele Möglichkeiten. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass wir den Unterricht so stark individualisieren können, dass 28 Kinder in einer heterogenen Klasse individuell gefördert und gefordert werden. Eine äußere Gliederung bleibt oft notwendig. Die Menschen sind verunsichert, aber ich glaube, ein super Hauptschüler mit Selbstbewusstsein ist besser als ein schlechter Gymnasiast ohne Abschluss. Wir brauchen auf Dauer auch die eher praktisch versierten Menschen.

Sie haben als Politiker die Ochsentour gemacht: vom Bezirksvertreter bis zum Landtagsabgeordneten. Welche Erfahrungen haben Sie mitgenommen?

Post Ich habe 1975 nach der kommunalen Neugliederung als Bezirksvertreter angefangen. Es reizte mich, mich für Neuwerk einzusetzen. 1984 bin ich dann Bezirksvorsteher geworden, damals allerdings noch ohne Ratsmandat. Das erwies sich als schwierig, und später hatte ich dann erst das Ratsmandat für Bettrath, später dann das für Neuwerk-Mitte. In die Landespolitik habe ich diese Erfahrungen aus der Kommunalpolitik mitnehmen können. Ein Kommunalpolitiker ist es gewohnt, sich zu kümmern - um die Menschen und um das, was nicht funktioniert. Wenn Abgeordnete beispielsweise über Reservelisten nachrücken, die keine Verbindung zum Wahlkreis haben, merkt man den Unterschied.

Wo konnten Sie konkret Ihre Erfahrungen aus der Kommunalpolitik einbringen?

Post Zum Beispiel beim Nordring. Die Verlängerung, die in der Schwebe hing, war für Engelbleck problematisch. Der ganze Verkehr quälte sich durch. Ich bin dann im Ministerium vorstellig geworden, und nach 20 Jahren wurde endlich ein neuer Anlauf genommen und die Bezuschussung genehmigt. Wenn man aus der Bezirkspolitik kommt, versteht man die Bedeutung von solchen Projekten für den einzelnen Menschen..

Kommunalpolitik wird im Allgemeinen ehrenamtlich gemacht. Das ignorieren Bürger oft. Ärgert es Sie, dass das Ehrenamt häufig nicht anerkannt wird?

Post Es ärgert mich schon. Es kommt natürlich immer darauf an, wie man die Aufgabe angeht. Man kann es sich auch einfach machen. Ich kann nur sagen, dass ich 75 bis 80 Stunden pro Woche auf die Politik im Hauptamt verwandt habe. In der Kommunalpolitik ist man jeden Abend auf Tour. Mein Sohn hat mich, als er klein war, mehr auf einem Wahlplakat gesehen als zu Hause - leider.

Wo kann man mehr für den einzelnen Bürger bewegen - im Rat oder im Landtag?

Post Das ist eine sehr gute Frage. Die Entscheidungen im Landtag betreffen den Einzelnen sehr, sei es zum Beispiel bei der Grunderwerbssteuer, dem Krankenhausentwicklungsplan oder dem Kibitz, dem Kindergartengesetz. Auch die Schulpolitik ist Landessache. Bei den Ratsentscheidungen wiederum ist der Kommunalpolitiker sichtbarer, er wird angesprochen, wenn eine Straße später saniert wird als eine andere.

Sie haben zahlreiche Politiker kennengelernt. Wer hat Sie am meisten beeindruckt?

Post Hans Katzer, der ehemalige Bundesarbeitsminister, Norbert Blüm und die Wissenschaftler Oswald von Nell-Breuning als Spiritus Rektor und Reinhard Marx. Außerdem habe ich Angela Merkel erlebt, direkt nach der Wende. Wie sie über Freiheit gesprochen hat, hat mir sehr imponiert. Geprägt hat mich auch mein Freund, der Ministerialdirektor Hans-Horst Viehof, der viel zu früh gestorben ist.

Sie haben jetzt wieder mehr Zeit: Was werden Sie in Zukunft tun?

Post Ich werde mich intensiver in die Ratsarbeit einbringen. Es ist mir wichtig, die Anliegen der Bürger nicht zu vergessen. Da gibt es viele Gebiete, in denen ich unterstützen kann.

Sie waren immer aus vollstem Herzen Sozialpolitiker. Heute streben die meisten Jungpolitiker diese Aufgabe nicht mehr an.

Post Defizite auszugleichen, ist nicht so attraktiv, wie Leuchttürme aufzubauen. Und durch die gute Lage am Arbeitsmarkt geraten manchmal die Probleme aus dem Blick. Aber sie sind noch da.

Welches Hobby werden Sie künftig intensiver pflegen?

Post Wandern. Ich werde wieder "rund" um die Niers und rund um den Flugplatz marschieren. Im September/Oktober werde ich vielleicht meine Frau, die Brudermeisterin bei der St. Matthias-Bruderschaft ist, nach Trier begleiten.

ANDREAS GRUHN, MAXIMILIAN KRONE, GABI PETERS, DENISA RICHTERS, ANGELA RIETDORF UND DIETER WEBER FÜHRTEN DAS INTERVIEW

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort