Serie Gladbacher Lesebuch (4) Wie man Fan der Gladbacher Borussia wird

Mönchengladbach · Die heutige Folge unserer Serie stammt aus Kevelaer: RP-Leserin Elfi Welbers schreibt über ihre Kindheit, in der sie Günter Netzers Dreck beseitigte.

 Elfi Welbers' Vater war Leiter des Jugendheims in Kevelaer, in dem junge Fußballer gefördert wurden.

Elfi Welbers' Vater war Leiter des Jugendheims in Kevelaer, in dem junge Fußballer gefördert wurden.

Foto: Welbers

Der Fußballverband Niederrhein hatte in den 50er Jahren die Idee, in allen seinen Land- und Stadtkreisen Jugendheime zu bauen. Dort wurde der Fußball, insbesondere der Jugendfußball auf Kreisebene, gefördert. Die Heime standen theoretisch allen nicht politisch tätigen Vereinen zur Verfügung.

Es wurden monatlich wechselnde Filme gezeigt, eine Tischtennisplatte konnte genutzt werden, Spiele und Bücher waren vorhanden, ein Klavier stand im großen Saal auf einer Bühne. Es gab einen für damalige Verhältnisse sehr modernen Duschraum und einen Umkleideraum. Es konnten Gäste bewirtet werden, Porzellan, Besteck und Gläser waren ausreichend vorhanden. Das Jugendheim bei uns in Kevelaer war umgeben von einer großen Grünfläche und jeder Menge zu pflegende Rosen- und andere Beete.

 Noch heute erinnert sich Elfi Welbers gerne an ihre Jugendzeit.

Noch heute erinnert sich Elfi Welbers gerne an ihre Jugendzeit.

Foto: Elfi Welbers

Was man brauchte, war ein Heimleiter, der sich um alles kümmern und dem Heim Leben einhauchen musste. Und hier kam unser Vater Theo ins Spiel, beziehungsweise wir alle, auch unsere Mutter und mein kleiner Bruder. Vater bewarb sich um diesen Posten. Da er aktiver Fußballer/Torwart gewesen war und sich ehrenamtlich im damaligen TuS Kevelaer engagierte, bekam er ihn auch.

Wir waren sehr glücklich dort. Endlich hatten wir eine schöne große Wohnung, zwar nur ein Kinderzimmer für mich und meinen Bruder, aber zum ersten mal ein richtiges Badezimmer. Gemessen an unserer vorherigen Bleibe zusammen mit Oma, Opa, Tante, Onkel, Neffe und Nichte in sehr beengten Verhältnissen wie das viele nach dem Krieg hatten, waren wir im Paradies. Unsere gesamte Einrichtung hatten wir von irgendwelchen Onkeln und Tanten geschenkt bekommen, aber es waren jetzt unsere Möbel. Ich erinnere mich noch daran, dass die Betten, Nachtschränkchen und der Kleiderschrank in unserem Kinderzimmer von Omas Schwester, Tante Johanna aus Krefeld, stammte, die im Krieg ausgebombt war. Dementsprechend war an meinem Nachtschränkchen noch ein Durchschussloch und ich bekam das Bett, welches im Krieg weniger gelitten hatte, weil ich ja schon groß war und im Bett nicht so rumhopste wie mein sechs Jahre jüngerer Bruder.

Die Arbeit im Jugendheim war nicht ohne. Die meisten Veranstaltungen fanden abends und am Wochenende statt. Dafür durften wir in der Woche die großen Rasenflächen mähen, Rosen schneiden und Unkraut jäten. Unsere Mutter putzte das Jugendheim einschließlich der großen Fensterflächen. Dafür wohnten wir mietfrei und unsere Mutter bekam monatlich ganze 60 DM zusätzlich! Natürlich konnte sie das nicht alles allein bewältigen, aber Vater musste tagsüber arbeiten und somit wurden wir Kinder mit in die Arbeit einbezogen. Wenn also am Wochenende Veranstaltungen waren und die Versammlungsteilnehmer bewirtet werden mussten, halfen wir Kinder beim Bedienen, aufräumen und sauber machen.

Alles eigentlich nicht so schlimm bis auf eine Ausnahme: Ich habe es gehasst, wenn ich am Sonntag nach einem Fußballspiel zusammen mit meiner Mutter den Duschraum und den Umkleideraum wieder sauber machen musste. Meine Mutter bestand darauf, diese Arbeit sofort anzugehen, wenn der letzte Spieler den Raum verlassen hatte. So waren also etliche Sonntagnachmittage mit dem Putzen dieser oftmals stinkenden, von dreckigen Fußballschuhen verschlammten Räume erfüllt. Nach Regenspielen auf einem Aschenplatz war es besonders arg.

Aber: So lernten wir auch die späteren Stars der Mönchengladbacher Fohlenelf kennen. Denn viele von ihnen spielten als Jugendliche in der Kreisauswahlmannschaft von Mönchengladbach-Rheydt. Und die zogen sich nach ihren Freundschaftsspielen gegen unsere Kreisauswahl Kleve-Geldern bei uns um. Nach einem dieser Spiele zeigte unser Vater auf einige der Spieler und war voller Begeisterung über deren Können. Einer hatte es ihm besonders angetan. Von dem behauptete er, dass der mal ein ganz großer Spieler werden würde. Und er hat recht behalten, denn es war kein Geringerer als Günter Netzer. Wir haben in der Familie den Weg der damaligen Jugendfußballer weiter im Auge behalten, und so ist es also logisch, dass wir alle nur Fans der Borussia aus Mönchengladbach werden und bleiben konnten.

Und wenn man bedenkt, dass ich damals die "Ehre" hatte, den Dreck der späteren Fohlenelf und den von Günter Netzer zu beseitigen, dann waren die paar Sonntagnachmittage, die ich so verbracht habe, eigentlich gar nicht so schlimm.

(RP)
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