Mönchengladbach Wie ein Biotop verschwand

Mönchengladbach · Die Anwohner in Sittardheide hegen ihr Biotop im Dorf, nur führt es schon lange kein Wasser mehr. Richtig so, sagt der Schwalmverband.

 Alles trocken und überwuchert: So sieht das Biotop in Sittardheide heute aus. Nur noch bei Starkregen ist es mit Wasser gefüllt.

Alles trocken und überwuchert: So sieht das Biotop in Sittardheide heute aus. Nur noch bei Starkregen ist es mit Wasser gefüllt.

Foto: Detlef Ilgner

Mit einem Seufzer lässt sich Josef Baltes an dem Teich nieder, der eigentlich keiner mehr ist. Er hockt sich auf die Bank, die er vor vielen Jahren selbst gebaut hat. Mit zitternden Händen zieht der 81-Jährige einen Stapel Fotos aus einem Umschlag. Auf den Bildern ist Wasser zu sehen. Männer, die knietief durch den Teich waten. Eine Feuerwehr-Drehleiter, die ein Entenhaus hinein hebt. "Das war unser Biotop", sagt Anwohner Baltes.

Sittardheide ist ein äußerst putziges Dorf mit etwa 70 Einwohnern im Rheindahlener Land. Der Maibaum an der Kapelle steht auch Mitte Juni noch, und auf einer Bürgerversammlung wollen die Bewohner in Kürze das Dorffest für den Spätsommer planen. Kurz: Die Welt ist an sich in Ordnung. Nur so wie vor knapp 20 Jahren wird das Dorf vermutlich nie wieder aussehen. Das Biotop ist trocken und wuchert zu. Schlimm, finden die meisten Anwohner. Alles richtig, sagt der Schwalmverband, der für die Gewässer im Westen der Stadt zuständig ist.

Das Biotop stammt aus der Zeit gegen Ende der 80er Jahre. Damals liefen den Anwohnern bei Starkregen regelmäßig die Keller voll. Um sie vor Hochwasserständen zu schützen, legte der Schwalmverband direkt neben der Bundesstraße 57 ein Hochwasserrückhaltebecken. Das Becken wird befüllt vom Wasserlauf aus Sittard und Sittardheide - und dort wurde das kleinere Becken damals auf einem städtischen Grundstück mit angelegt. Die Probleme bei Starkregen mit dem Wasserabfluss waren auf einmal vorbei. Und die Anwohner fingen an, es sich richtig nett zu machen drumherum.

Eine eingebaute Tondichtung sorgte dafür, dass das Biotop über Jahre permanent einen Wasserspiegel hatte. "Wachsende Pflanzen, Bisame und Nutrias haben die Tondichtung aber so stark beschädigt, dass das Wasser versickert", sagt Thomas Schulz, Geschäftsführer des Schwalmverbandes. Und weil das Grundwasser seit dem Braunkohletagebau eben nicht mehr so hoch reicht, hat das Biotop auch keinen Grundwasseranschluss: Deshalb steht nur noch dann Wasser, wenn es mal stark geregnet hat. Oder wie es der Schwalmverband ausdrückt: "Das Gewässer ist nur temporär."

Das Problem ist aber, dass der Wunsch der Anwohner nach ihrem Dorfidyll eben nicht nur temporär ist. "Wir mähen immer den Rasen und schneiden Sträucher", sagt Josef Baltes. Die Abfallkörbe haben sie selbst gebaut und an einem Baum ein Schild befestigt, das Wanderer ermahnt, ihren Müll doch bitte anständig zu entsorgen: "Sorge bittewohl dafür, dass sauber bleibt hier, unser Revier", reimten sie. Das sei achtenswert und richtig prima, sagt der Schwalmverband, allerdings hat er wenig Interesse daran, die Tondichtung zu erneuern. "Wenn das Wasser nach einem Regen ins Grundwasser versickert, ist es dort für die Natur genauso wertvoll", sagt Schulz. "Eine neue Tondichtung würde sämtliche Gewächse zerstören." Und eine neue Wasserzuleitung zu legen, das halten die Gewässerschützer ebenfalls für unmöglich. "Wir können das Wasser nicht hinzaubern."

So bleibt den Bewohnern von Sittardheide im Moment ein etwas trostloser Anblick. Die Gräser an den Rädern - jedenfalls dort, wo die Bewohner sie nicht selbst schneiden - sind schon so hoch gewachsen, dass die Bänke fast überwuchern. Die Gewässerunterhaltung beginne am 15. Juni, wenn die bodenbrütenden Vögel fertig sind, versichert der Schwalmverband, zwei Mal im Jahr werde geschnitten, im Prinzip. "Das darf hier nicht verwildern", sagt Baltes und erzählt von laichenden Fröschen und Froschkonzerten in lauen Sommernächten. Ein einziger Frosch im Ufergras ist noch übrig geblieben. Er ist aus Porzellan.

(RP)
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