Mönchengladbach Wie der Virologe Edward im Alter abbaut

Mönchengladbach · Tommy Wieringa stellte seinen Roman "Eine schöne junge Frau" vor. Die Recherche für das Kapitel zum Leid der Tiere habe sein Leben verändert, sagte der Autor - und gestand, dass er darüber seine Angelleidenschaft verloren habe.

 Der niederländische Schriftsteller Tommy Wieringa bestritt die erste Lesung des Literarischen Sommers in der Stadtteilbibliothek Rheydt.

Der niederländische Schriftsteller Tommy Wieringa bestritt die erste Lesung des Literarischen Sommers in der Stadtteilbibliothek Rheydt.

Foto: Jörg Knappe

Amsterdam sei wohl doch etwas weiter weg als vermutet, stellte Dr. Gert Fischer zu Beginn der Lesung mit dem niederländischen Autor Tommy Wieringa schmunzelnd fest. So übernahm der Kulturdezernent ein wenig verspätet seine inzwischen traditionelle Begrüßung zur ersten Lesung des Mönchengladbacher Parts im nunmehr 16. Literarischen Sommer. Mit Tommy Wieringa war einer der vielseitigsten Autoren der Niederlande in der Stadtteilbibliothek Rheydt zu Gast. Der große Durchbruch war ihm 2005 mit dem Entwicklungsroman "Joe Speedboat" gelungen. In Rheydt stellte der Autor in einem Mix aus Lesung und Talk mit der Moderatorin Maren Jungclaus seinen Roman "Eine schöne junge Frau" vor.

Das 2014 in den Niederlanden und dieses Jahr in deutscher Übersetzung erschienene Buch erzählt die Geschichte des Virologen Edward, der mit der 15 Jahre jüngeren Ruth eine schöne junge Frau heiratet. Doch in der Ehe baut Edward physisch und psychisch ab, da er neben ihr das Altern stärker empfindet und im Beruf ihren Moralvorstellungen nicht standhalten kann.

Der Autor nutzte die Zweisprachigkeit seines Romans: Einen ersten Abschnitt stellte er im Original vor und griff dann zur Übersetzung. In das mit Selbstironie und Selbstreflexion geführte Gespräch mischte sich ebenso hin und wieder das Niederländische ein - passend zum binationalen Charakter des deutsch-niederländischen Literaturfestivals.

Jungclaus' Verweise auf Wieringas Tätigkeiten als Journalist und Musiker tat dieser als "mein früheres Leben" ab. Seit 15 Jahren widme er sich ganz der Literatur. Den aktuellen Roman schrieb der 48-Jährige als Auftragswerk für die niederländischen Buchhändler zur Woche des Buches. Das sei eine Auszeichnung, die im Nachbarland beinahe wie ein Nobelpreis gehandelt werde, betonte Jungclaus. Ja, er habe begierig darauf gewartet, ausgewählt zu werden, gestand Wieringa. Tatsächlich habe er schon lange vorher für eine solche Anfrage eine Idee im Kopf gehabt, dann aber doch eine andere bevorzugt. Das nun gewählte Thema der Verbindung zwischen einem alten Mann und einer jungen Frau habe immer auch etwas mit Macht zu tun - und das habe ihn interessiert. Mit 42 Jahren sei der Virologe zu Beginn des Romans zwar nicht wirklich alt, doch aus der Perspektive der jüngeren Ruth eben schon. Durch sie lernt Edward, Versuchstiere mit anderen Augen zu sehen. Die Recherche für das Kapitel zum Leid der Tiere habe sein Leben verändert, sagte der Autor und gestand, dass er darüber seine Angelleidenschaft verloren habe. "Hat das Buch ein trauriges Ende oder nicht?", fragte Jungclaus. Wieringa dankte für ihr gutes Gespür als Leserin, gab aber keine Interpretation vor, um stattdessen zu antworten: "Das ist nur eine Möglichkeit".

(RP)
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