Mönchengladbach Wie aus Werten Wetter wird

Mönchengladbach · Ach ja, das Wetter. Kaum ein Thema eignet sich so sehr für den Einstieg in Gespräche und zum Überbrücken unangenehmer Konversationspausen wie das allgegenwärtige Schimpfen über zu kalte Winter und zu nasse Sommer.

Dass "das Wetter" jedoch wesentlich mehr ist als eine bloße Temperatur- und eine Niederschlagsprognose, ist dabei den wenigsten bewusst. Luftdruck, Windrichtung und -geschwindigkeit, Sonnenscheindauer, Taupunkt, Luftfeuchtigkeit — all das sind Werte, die etwa in der Hydrologischen Station der NVV in Rheindahlen gemessen werden.

"Die Anlage entspricht den Anforderungen des Deutschen Wetterdienstes", sagt Detlef Schumacher von der NiederrheinWasser, einer Tochter der NVV und der Niederrheinwerke Viersen. Doch die Gladbacher Wetterstation kann noch mehr als die meisten anderen: Mithilfe eines so genannten Lysimeters misst sie die Versickerung und die Verdunstung von Niederschlag. Dazu wurden mit Waagen versehene Stahlbehälter von einem Quadratmeter Oberfläche in den Boden gerammt, die auf 100 Gramm genau festhalten, wie viel Wasser versickert oder verdunstet.

Daraus erklärt sich auch der ursprüngliche Grund für den Bau der Anlage im Jahr 1982: "Man wollte den Einfluss des Tagebaus auf das Grundwasser untersuchen", sagt Schumacher. Denn damals glaubten noch viele, dass durch den in der Region üblichen Lößlehmboden kein Wasser sickert. Schnell wurde jedoch deutlich: "Ein Drittel des Jahresniederschlags sickert durch", sagt Schumacher. "Und zwar mit einer Geschwindigkeit von einem Meter pro Jahr." Heißt: Der Regen, der heute fällt, ist erst 2023 im Grundwasser angekommen. Jedes Jahr fielen in Gladbach auf einen Quadratmeter Boden 230 Liter Niederschlag, sagt Schumacher.

Genutzt und unterhalten wird die Anlage von RWE Power, dem Erftverband und dem Land. Immer wieder — "zwei, drei Mal im Jahr", wie Schumacher sagt — wird in der Hydrologischen Station aber auch geforscht. "Vor einigen Jahren untersuchte ein Team der Uni Bonn, wie sich mit zunehmender Tiefe PH-Wert und Nitratkonzentration entwickeln", erinnert sich Schumacher. Auch Forscherteams aus den Niederlanden nutzten die Anlage.

Die einzelnen Geräte auf dem Gelände sind auf den ersten Blick unscheinbar, arbeiten aber mit hoher Präzision — und seit 2005 voll automatisch. Darunter befindet sich etwa ein Regenmesser, der mit einer kleinen Heizung versehen ist — damit das Gerät nicht von Schnee verstopft wird. Die detaillierten Messdaten werden alle zehn Minuten aufgenommen und sind in Echtzeit im Internet (www.nvv-ag.de/new_service) abrufbar. "Die Seite ist einer der am häufigsten aufgerufenen im Angebot der NVV", sagt Schumacher. "Nach ,Xynthia' gingen die Leute ins Netz, druckten die Ausschläge auf den Messdiagrammen aus und schickten das ihren Versicherungen."

Auch für regenerative Energien, deren Ausbau sich die NVV auf die Fahnen geschrieben hat, ist die Station wichtig. Die Daten aus über 25 Jahren über Windaufkommen und Sonneneinstrahlung sind wichtig, wenn es darum geht, Photovoltaik- oder Windkraftanlagen zu planen. Für das Wetter-Imperium von Jörg Kachelmann trägt die Anlage allerdings keine Daten bei. "Dann hätten wir alles umrüsten müssen, da Herr Kachelmann stets seine Standard-Geräte verwendet", sagt Schumacher. "Diese Investition hielten wir für übertrieben."

Die Serie "Neue Energie" ist eine Kooperation von NVV und Rheinischer Post.

(RP)
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