Mönchengladbach Wenn der Stecker gezogen wird

Mönchengladbach · Energiearmut ist weiter ein großes Problem in Mönchengladbach: Im Jahr 2016 sperrte die NEW 3802 Anschlüsse in der Stadt, weil Rechnungen nicht bezahlt wurden. Ein Beratungsprojekt hilft, die Grünen fordern das "Saarbrücker Modell".

Energiearmut in Mönchengladbach ist nach wie vor ein großes Problem, auch wenn der Versorger NEW und die Verbraucherzentrale in einem gemeinsamen Projekt erfolgreich dagegen ankämpfen. Im Jahr 2016 kam es im Stadtgebiet Mönchengladbach zu insgesamt 3802 Sperrungen, in den allermeisten Fällen sind dies Stromanschlüsse. Im Vergleich zum Jahr 2015 war dies immerhin ein Rückgang von knapp 6,5 Prozent. Das geht aus einer Antwort des Versorgers auf eine Anfrage der Grünen-Ratsfraktion hervor, die unserer Redaktion vorliegt.

Umgekehrt bedeutet dies immer noch, dass in fast drei Prozent aller Mönchengladbacher Wohnungen im Jahr 2016 einmal der Strom abgeschaltet wurde, weil die Rechnungen bei der NEW nicht bezahlt wurden. Nicht in allen Fällen konnten die Zahlungsprobleme behoben werden: In knapp 3200 Wohnungen kam es zu Entsperrungen, also blieben rund 600 Wohnungen ohne Energieversorgung.

In diesem Jahr war bisher die Zahl der Sperrungen im Stadtgebiet konstant, im ersten Halbjahr wurde in 1761 Fällen der Strom abgedreht. Die Zahl der Mahnungen im Stadtgebiet Mönchengladbach war leicht rückläufig und lag 2016 bei rund 160.000 (10.000 weniger als ein Jahr zuvor). "Das sind die Fakten in unserer Stadt"; sagt der Grünen-Fraktionsvorsitzende Karl Sasserath. Er plädiert dafür, dass in Mönchengladbach das sogenannte "Saarbrücker Modell" eingeführt wird. Darin erklären sich Sozialhilfeempfänger damit einverstanden, dass der Grundversorger (also die NEW) und das Jobcenter Daten austauschen. Bei einer drohenden Sperre aufgrund von Zahlungsrückständen meldet der Versorger dies ans Jobcenter, das wiederum mit einem Darlehen einspringt, das vom Hartz-IV-Bezieher abbezahlt werden. Damit ist aber die Stromsperre vermieden. Anders als Heizkosten (die werden als Betriebskosten der Wohnungen direkt vom Jobcenter bezahlt) müssen Hilfeempfänger die Stromkosten selbst zahlen. Im Rat fand ein Vorstoß der Grünen zuletzt keine Mehrheit. Die NEW bekannte in ihrer Antwort an die Grünen-Fraktion indes, sie sei "offen für solche Lösungen".

Der Versorger und die Verbraucherzentrale gehen seit 2013 in einem gemeinsamen Projekt gegen Energiearmut vor. Dabei geht es darum, Menschen, die von einer Stromsperre bedroht sind oder schon eine haben, zu helfen. Die NEW vermittelt diese Fälle direkt an die Verbraucherzentrale, wie Fachberaterin Ursula Winbeck die Kunden berät zu Themen wie Budgetplanung des Haushalts, rechtlichen Fragen und Energieverbrauch. Die Beratung ist durch finanzielle Hilfe vom Land und der NEW kostenfrei. Rund 50 Prozent der Verbraucher, die beraten wurden, beziehen Hartz IV. Weitere 23 Prozent sind Erwerbstätige, elf Prozent beziehen Rente. Die Landesregierung unterstützt das Projekt, das auf drei Jahre ausgelegt ist, mit 1,5 Millionen Euro, der Energieversorger NEW gibt in seinem Verbreitungsgebiet rund 30.000 Euro jährlich hinzu.

Seit dem Start des Projekts 2013, das derzeit noch bis 2019 läuft, gab es insgesamt 947 Budget- und Rechtsberatungen, wie die NEW jüngst mitteilte. In 128 von 159 Fällen konnte eine angekündigte Sperre abgewendet werden, in 52 von 119 Fällen wurde eine schon eingetretene Sperre wieder aufgehoben. "Das Projekt zeigt positive Effekte", sagt Ralf Poll, Geschäftsführer der NEW Niederrhein Energie und Wasser GmbH. "Einer der Erfolge ist, dass die Bürger das Beratungsangebot frühzeitig in Anspruch nehmen."

Bevor eine Sperre in Kraft tritt, erhält der betroffene Haushalt Erinnerungen, Mahnungen und schließlich eine schriftliche Sperrankündigung. Die Androhung einer Sperrung muss laut Gesetzgeber dabei vier Wochen im Voraus erfolgen.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort