Mönchengladbach Warum Wurst vom Metzger Heimat ist

Mönchengladbach · Es gibt Dinge, die erinnern einen an Zuhause. Unsere Autorin empfindet dieses Gefühl beim Blick in den Kühlschrank ihrer Eltern – denn dort liegt meistens etwas Wurst. In der Rheydter Metzgerei von Wolfgang Mühlen wird sie noch selbst gemacht. Das schmeckt man.

Wolfgang Mühlen in seiner Metzgerei in Rheydt. Dort verarbeitet er zusammen mit seinen Mitarbeitern die Wurst noch selbst.

Wolfgang Mühlen in seiner Metzgerei in Rheydt. Dort verarbeitet er zusammen mit seinen Mitarbeitern die Wurst noch selbst.

Foto: Sabine Kricke

Es gibt Dinge, die erinnern einen an Zuhause. Unsere Autorin empfindet dieses Gefühl beim Blick in den Kühlschrank ihrer Eltern — denn dort liegt meistens etwas Wurst. In der Rheydter Metzgerei von Wolfgang Mühlen wird sie noch selbst gemacht. Das schmeckt man.

In der kleinen Kiste im Kühlschrank meiner Eltern verbirgt sie sich. Sie ist eingewickelt in durchsichtiges Papier, einzeln verpackt. Das Auspacken der kleinen Päckchen ist immer eine kleine Überraschung. Man weiß nie so genau, was im Angebot war, bei welcher Sorte Fleisch meine Mutter an der Metzgertheke zugeschlagen hat. Aber eines ist sicher: Meine heiß geliebte Leberwurst ist dabei.

 Ein Blick in den gut gefüllten Kühlraum der Metzgerei.

Ein Blick in den gut gefüllten Kühlraum der Metzgerei.

Foto: Kricke Sabine

Seitdem ich zu Hause ausgezogen bin, kommt bei mir abends selten etwas anderes als Käse oder Marmelade aufs Brot. Die Zeit, um nach der Arbeit noch beim Metzger anzuhalten, ist meistens zu knapp. Und überhaupt, in meiner Wohngegend findet man gar keine echten Metzgereien mehr. Sie sind Supermärkten mit abgepackten Massenwaren gewichen. Davon gibt es übrigens zahlreiche.

Eine der wenigen Metzgereien mit viel Geschichte ist die von Wolfgang Mühlen in Rheydt. Der 49-Jährige übernahm 1996 den Betrieb seines Vaters und führt das Unternehmen nun in der vierten Generation. "Angefangen hat alles mit meinem Ur-Opa Heinrich Mühlen", sagt der Metzger im Gespräch mit unserer Redaktion. Damals habe es nur Blut- und Leberwurst gegeben. "Das war halt so, das hatte gereicht." Im Laufe der Jahre und Generationen kamen immer mehr Wurstwaren und Fleisch hinzu. Heute bietet Mühlen neben der Fleischerei auch einen Partyservice und Mittagsgerichte an. Die Metzgerei an der Rheydter Hauptstraße verarbeitet ihre Wurst noch selbst. Das Fleisch bekommt der 49-jährige Metzger von Bauernhöfen aus dem nahegelegenen Straelen. "Der Schlachthof ist auch nur zehn Minuten von den Höfen entfernt", sagt Mühlen. Das sei wichtig. So seien die Tiere nicht gestresst von einer langen Fahrt. "Ich kenne die Bauern gut. Da sind die Rinder im Sommer auf der Wiese. Das schmeckt man", sagt er.

Wie es sich für einen Metzger gehört, gibt es eine große Auswahl an Wurst.

Wie es sich für einen Metzger gehört, gibt es eine große Auswahl an Wurst.

Foto: Kricke Sabine

Ich finde auch, dass man das schmeckt. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass ich mit Wurst vom Metzger zu Hause aufgewachsen bin. Jeden Freitag fuhr meine Mutter elf Kilometer weit ins nächste Dorf zum Metzger ihres Vertrauens. Wenn sie nach Hause kam, stibitzte ich mir erstmal eine Scheibe Schinkenwurst aus der Tüte. "Na, warst du schon wieder dran?", fragte sie dann. Mit roten Wangen setzte ich mich dann an den Küchentisch und freute mich auf das Brötchen mit guter Butter und dick gestrichener Leberwurst darauf.

Auch Metzger Mühlens Kunden nehmen, wie meine Mutter, einen weiteren Fahrtweg auf sich, um bei ihm Wurst und Fleisch zu kaufen. "Das liegt halt auch daran, dass viele andere Metzger schließen mussten. Davon profitieren wir hier schon", sagt der 49-Jährige. Noch läuft das Geschäft in Rheydt sehr gut, an einem Samstag kommen im Schnitt 180 Kunden in den kleinen, unscheinbaren Laden. Aber mit einem großen Problem hat Mühlen trotzdem zu kämpfen: "Ich finde einfach keine Mitarbeiter", sagt er. Niemand habe mehr Lust auf diesen Beruf. Das sei unter anderem auch der Grund, warum viele andere Betriebe schließen mussten.

Dafür habe er sogar ein bisschen Verständnis. "Man hat so gut wie keine Freizeit. Samstags, wenn alle frei haben, stehen wir hier im Laden oder verarbeiten das Fleisch vom Schlachter", sagt er. Praktisch, dass seine Lebensgefährtin als Verkäuferin ebenfalls in dem kleinen Geschäft arbeitet. "Sonst würde man sich ja kaum sehen", gesteht der 49-Jährige.

Und warum hat sich Mühlen Junior damals dazu entschlossen, das Handwerk seines Vaters zu erlernen und den Metzgerbetrieb zu übernehmen? "Mein Vater sagte zu mir: ,Junge, wenn du nicht lernen willst, dann musst du arbeiten'". Ein Studium sei für Mühlen nicht interessant gewesen, und da er schon als Junge in der Schulzeit bei seinem Vater in der Fleischerei ausgeholfen hatte, sei die Sache klar gewesen. "Außerdem hat es mir auch wirklich Spaß gemacht, mit Fleisch und Wurst zu arbeiten", sagt er. Welche Wurst ist eigentlich des Metzgers liebste? "Kochschinken und Leberwurst", sagt Wolfgang Mühlen genüsslich mit einem Lächeln auf den Lippen.

Ich hoffe, dass die wenigen urigen Metzgereien in unserer Region noch lange bestehen werden. Zumindest so lange, bis ich keine Lust mehr auf Leberwurstbrötchen habe. Und das kann dauern.

(skr)
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