Serie Gladbacher Lesebuch (24) Warum in Eicken eine Straßenbahn entgleiste

Mönchengladbach · Drei Autoren erinnern sich an ihre Kinderzeit. Sie erzählen von Kindergärten, Straßenbahnen, alten Geschäften und den Folgen des Kriegs.

 Die Mutter von Hans Schmitt zusammen mit seiner Schwester Renate vor der Haltestelle Am Bour. In den 1950er Jahren gab es dort noch eine Trinkhalle, die in der Bildmitte im Hintergrund zu erkennen ist. Dort gab es Getränke, Tabakwaren, Süßigkeiten und Zeitschriften. Die Kinder kauften dort gerne ein.

Die Mutter von Hans Schmitt zusammen mit seiner Schwester Renate vor der Haltestelle Am Bour. In den 1950er Jahren gab es dort noch eine Trinkhalle, die in der Bildmitte im Hintergrund zu erkennen ist. Dort gab es Getränke, Tabakwaren, Süßigkeiten und Zeitschriften. Die Kinder kauften dort gerne ein.

Foto: Hans Schmitt

Eicken Meine Eltern kauften mir bei der Spätkirmes 1949 ein Windrad, von dem ich so begeistert war, dass ich es auf dem für mich damals langen Heimweg nach Eicken nicht mehr aus der Hand geben wollte. Da ich schon als Knirps fest mit meinen Beinen im Leben stand, wurde dieser Heimweg natürlich zu Fuß bewältigt. Zwischendurch entstand ein Foto etwas in Höhe der alten Pumpe vor dem heutigen Zeughaus. Apropos "Zu Fuß": Zumindest noch in der Nachkriegszeit sparte man sich das Fahrgeld für die Straßenbahn. Ob zur Arbeit, zur Schule oder in die Stadt - alle Wege wurden möglichst fußläufig bewältigt.

Meine Kindheit verbrachte ich meinen Eltern und Schwestern in den 1950ern in Eicken, genau gesagt in dem Bereich Bozener-/ Hindenburgstraße und an der Alsstraße. Als typische Stadtkinder hielten wir uns damals an folgenden "Spielplätzen" auf: auf der Straße und auf Trümmergeländen wie Hausruinen und dem Bahndamm am alten E-Werk. Ich erinnere mich noch gut daran, dass wir als kleine Kinder ab und an einen Pfennig auf die Straßenbahnschienen legten und dann abwarteten, bis die nächste Elektrische den Pfennig "kraneplatt" fuhr, also platt wie eine Zeitung.

 Hans Schmitt im Jahr 1949. Bei der Spätkirmes am Geroplatz hatten ihm seine Eltern ein kleines Windrädchen gekauft, das er stolz nach Hause trug.

Hans Schmitt im Jahr 1949. Bei der Spätkirmes am Geroplatz hatten ihm seine Eltern ein kleines Windrädchen gekauft, das er stolz nach Hause trug.

Foto: Hans Schmitt

Ein harmloser Spaß im Grunde. Dazu eine kleine Episode, die auf den ersten Blick ebenso spaßig anmutet, jedoch böse hätte enden können: Oft sah ich nur zu, wenn die Straßenbahnen aus ihrem Depot an der Voltastraße fuhren. Doch eines Tages kam ich auf den abstrusen Gedanken, einmal einen Stein in die Schiene zu legen, um dann zu sehen, was passieren würde. Die nächste Straßenbahn kam prompt, fuhr über den Stein, sprang augenblicklich aus den Schienen, rollte noch zwei Meter weiter und blieb einfach stehen. Schuldbewusst flitzte ich davon und versteckte mich vor meinen Verfolgern auf dem Schulgelände der ehemals katholischen Volksschule Alsstraße. Aber irgendwann musste ich natürlich nach Hause. Dort wurde ich schon "freudig" begrüßt. Schließlich hatte sich herumgesprochen, dass Schmitt Hansi der Übeltäter war. Für alle Beteiligten blieb der Unfall glücklicherweise folgenlos.

Ich erinnere mich auch an einige Geschäfte, die es damals gab. So an die Gaststätte Hänseroth an der Bozener Straße, die Bäckerei Wegmann, den Konsum, die Heißmangel Gertzmann und die Maßkonfektion Fischer. An der Alsstraße lagen Schreibwaren Sudmann, die Metzgerei Fleißgarten, Alex Wüllenweber (ein Lebensmittel- und Muschelgeschäft) und die Gaststätte Tambour. An der unteren Hindenburgstraße gab es Radio Adler, den Friseursalon Vennedey, die Drogerie Kerpen, Obst und Gemüse Wilms, Lebensmittel Baum, das Muschelhaus Jansen und Sport Petry. Ich könnte noch viele Geschäfte nennen.

 So sah es in den 1950er Jahren an der Hindenburgstraße aus. Die Geschäftswelt war vielseitig und inhabergeführt. Die Menschen strömten auf die damals florierende Einkaufsstraße.

So sah es in den 1950er Jahren an der Hindenburgstraße aus. Die Geschäftswelt war vielseitig und inhabergeführt. Die Menschen strömten auf die damals florierende Einkaufsstraße.

Foto: Stadtarchiv

An der Haltestelle Am Bour gab es eine Trinkhalle. Das waren in der Regel freistehende Holzhäuschen, die Getränke, Tabakwaren, Zeitschriften und Süßkram anboten. Der Volksmund betitelte diese Trinkhallen allerdings als Büdchen. Die waren auch meine Anlaufstelle als Kind, denn dort ließ ich die wenigen Groschen, die mir Oma ab und zu in die Hand drückte.

Auf die Frage, wie wir "Penze" unsere Kindheit in den 1950ern erlebt haben, kann man eine eindeutige Antwort geben: Wir hatten nicht viel, aber alles, was man brauchte, um glücklich zu sein!

(RP)
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