Mönchengladbach Walross vor Tieftöner, Damo aus dem Sack

Mönchengladbach · Jan Werner und Damo Suzuki verwandeln zur Ensemblia das Foyer des Museums Abteiberg in einen krächzend klingenden Kommunikationsraum mit fünf Stationen. Damit spielen sie auf ein Projekt des Künstlers Sigmar Polke an.

 Jan Werner (links) und Performance-Mitstreiter Damo Suzuki beim Abrollen eines gelben Schleifbandes, das auf dem Boden des Museums Abteiberg ausgelegt wird. Links der obligatorische Kartoffelsack sowie eine Lautsprecheranlage.

Jan Werner (links) und Performance-Mitstreiter Damo Suzuki beim Abrollen eines gelben Schleifbandes, das auf dem Boden des Museums Abteiberg ausgelegt wird. Links der obligatorische Kartoffelsack sowie eine Lautsprecheranlage.

Foto: Knappe

Man mag sich voll Wehmut an Ensemblia-Festivals erinnern, als Komponisten von Weltgeltung, Ensembles von Weltruf, Werke von überzeitlicher Bedeutung in Mönchengladbach neue Wege zwischen den künstlerischen Sparten erkundeten. Doch selbst in Zeiten, die im Zeichen klammer öffentlicher Kassen stehen, bietet die Ensemblia weiterhin Raum für das Besondere, Experimentelle, Durchgeknallte.

Susanne Titz und dem Stab des Museums Abteiberg ist zu danken, dass jetzt ebendort Außergewöhnliches stattfindet: "Apparat, mit dem eine Kartoffel eine andere umkreisen kann" zitiert ein Werk von Sigmar Polke, doch Polke selbst ist höchstens als Reminiszenz präsent bei dem, was die zwei Künstler-Musiker Jan St. Werner und Damo Suzuki im Foyer des Museums - und inmitten der aktuellen Polke-Schau - so alles auf- und anstellen.

Die Ensemblia-Gemeinde hat ihren Spaß. So viele gut gelaunte Leute, die mit offenen Sinnen im Foyer umhergehen, auf Hockern sitzend miteinander plaudern, ihre Zugehörigkeit zur Szene feiern und sich von der Originalität der Installation euphorisch stimmen lassen, findet man eben nur bei der Ensemblia. Werner und Suzuki hatten zuvor eine Reihe von im Foyer verteilten Klanglandschaften in Betrieb gesetzt. Dazu hatten sie mit rituell anmutender Geste per Fußschalter Klangquellen eingeschaltet, die ihr Signal über teils in Kartoffelsäcke gepackte, teils skulptural inszenierte unverpackte, aber bemalte oder beklebte Lautsprecher in den Raum abstrahlen. Hier rotiert eine runde, mit bizarren Worten und Zeichen bekritzelte Trennscheibe neben den Klangerzeugern auf einem 60er-Jahre-Tisch. Dort liegt eine gelb bemalte Uralt-Studio-Box quer über einem gelben Metallstuhl, daneben baumelt ein als Klopapierrolle inszeniertes gelbes Schleifband von der Decke. Aufschrift: "Neugierig?". Nebenan bildet ein Löscheimer mit Adressvermerk "Rubensstraße 5" den Bauch einer Sandmann-Figur aus Boxen. Vor dem Café gibt ein mit Flechtwerk verkleideter Lautsprecher aus den 70ern zur Telefunken-Anlage Gesprächsfetzen von Adler und Kaninchen wider. In Nachbarschaft von Beuys' Armenhaustür knistert ein Zeitungsausschnitt mit Walrosskopf vor einer Lautsprecher-Bassmembran.

Man wandert herum und staunt. Die erkennbaren Gesprächsfetzen kreisen ums Kochen, um Kultur, Musik, Gott und die Welt, um Polke und die geplante Inszenierung. Damo Suzuki, in den 1970ern Sänger der legendären (und von Polke verehrten) Kölner Psychedelic-Band "Can", seine Partnerin und Jan Werner, Elektronik-Musiker von "Mouse on Mars" und Klang-Künstler in Stockhausen-Nachfolge, plaudern. Jan Werner hat die Aufnahme geschnitten, zu jedem Gesprächsschnipsel Klänge komponiert und passgenau überlagert. Damo Suzukis Stimme kommt jeweils aus dem Kartoffelsack, die Geräusch-Musik ist unverpackt. Klänge, Worte, Bedeutung überlagern einander. Und erinnern an Polkes doppelt belichtete Filme, die im Sonderausstellungsraum großformatig über die Wände flimmern. Jan Werner will die Arbeit als Hommage an den Künstler Soulis Moustakidis verstehen, in dessen Atelier die Band Mouse on Mars in den 90ern probte. Alles scheint ein einziges Experiment, ein Laboratorium der Ideen, wie Polke es in seinen produktivsten Tagen betrieb. (Bis 5. Juli)

(ark)
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