Mönchengladbach Vorbereitung auf den schlimmsten Fall

Mönchengladbach · Bei einer Fortbildung der Notfallseelsorge referierte ein Experte über Amokläufe an Schulen, Entstehungsmechanismen und Präventionsansätze. Eine wesentliche Erkenntnis des Abends: "School Shootings" können verhindert werden.

 Gemeindereferent und Notfallseelsorger Bernhard Krinke-Heidenfels (links) und Notfallseelsorger Ulrich Meihsner (rechts) mit dem Referenten Harald Karutz.

Gemeindereferent und Notfallseelsorger Bernhard Krinke-Heidenfels (links) und Notfallseelsorger Ulrich Meihsner (rechts) mit dem Referenten Harald Karutz.

Foto: Jörg Knappe

Die gute Nachricht zuerst: Amok-läufe an Schulen können verhindert werden. Die schlechte Nachricht: Es gibt keine einfachen Erklärungen und keine typischen Täter. Prof. Dr. Harald Karutz, ausgewiesener Experte auf diesem Gebiet, referierte im Rahmen einer Fortbildungsveranstaltung über das Thema Amokläufe an Schulen. Im bis auf den letzten Platz gefüllten Vortragssaal waren Notfallseelsorger, Feuerwehrleute, Polizisten, Lehrer und Mitarbeiter von Hilfsdiensten, um sich auf den schlimmsten Fall zu beschäftigen.

Am Anfang des Vortrags stand Überraschendes: Deutschland ist nach den USA das Land mit den meisten "School Shootings" weltweit. Zwei der drei folgenschwersten Ereignisse fanden hier statt, nämlich in Erfurt und Winnenden. Grund genug, sich intensiv mit dem Thema auseinanderzusetzen.

Es lassen sich Risikofaktoren benennen: Leistungsdruck in der Schule etwa oder subjektives Empfinden von Mobbing, Eltern, die wenig Bindung zu ihrem Kind aufbauen, aber viel Wert auf Leistung legen. Computerspiele, die die Tötungshemmung reduzieren, emotional abstumpfen und zu Schwarz-weiß-Denken führen, eine Medienberichterstattung, die Rankings veröffentlicht und den Täter in den Mittelpunkt rückt.

Das alles kann dazu führen, dass junge Männer zwischen 14 und 22 Jahren aus Mittelschichtfamilien mit geringem Selbstwertgefühl und Neigung zu Depressionen, aber mit durchschnittlicher bis hoher Intelligenz, zu Amokläufern werden. Aber - und das ist die Krux - es gibt nicht den einen Auslöser, das eine Motiv oder den typischen Täter. Auch nach den Taten gibt es gewaltige Unterschiede.

Die meisten Täter überleben den Amoklauf nicht. Von denen, die überleben, berichten einige, dass sie wie in Trance gehandelt hätten und hinterher von ihrem Tun erschreckt seien, andere aber zeigen überhaupt keine Reue. "Es ist ein zutiefst uneinheitliches Bild", sagt Karutz. Dennoch gibt es auch Gemeinsamkeiten.

Die meisten Täter kündigen ihre Tat an, wenn auch verklausuliert. "Ihr werdet schon sehen", "Ihr werdet euch noch wundern" sind Formulierungen, die aufhorchen lassen sollten. Vor allem wenn der Schüler großes Interesse an Waffen zeigt, Tatzeichnungen anfertigt oder im Internet aufseiten zum Thema Amoklauf unterwegs ist.

Diese verklausulierten Ankündigungen, Leaking genannt, führen zur positiven Nachricht: Amokläufe lassen sich verhindern, wenn die Umwelt aufmerksam ist und auf Signale reagiert. Tatsächlich ist die Sensibilisierung für das Thema weit fortgeschritten. "In den letzten Jahren gab es keine großen neuen Taten", sagt Karutz. "In den Schulen ist man sensibilisiert. Vieles hat sich zum Guten verändert."

Die Möglichkeit der Prävention bewegte die Zuhörer. "Ich bin auch an einer Schule tätig", sagt Gemeindereferent und Notfallseelsorger Bernhard Krinke-Heidenfels, "ich möchte wissen, was es für Möglichkeiten der Einwirkung gibt."

(RP)
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