Mensch Gladbach Vom wahren Aufblühen

Mönchengladbach · Der Frühling und auch der Aufbruch in der Stadt passen gut zum neuen Karnevalsmotto: Gladbach blüht auf! Doch was dem Boom noch fehlt, ist mehr kreative Blüte.

Mensch Gladbach: Vom wahren Aufblühen
Foto: Jacobs

Spüren Sie es auch? Wie die Natur im Aufbruch ist? Hier und dort blüht es, die Bäume tragen schon Knospen. Ein paar Tage und Sonnenstrahlen noch, dann explodiert alles in einem frühlingshaften Rausch aus frischem Grün und Buntheit. Winter? War da was? Gladbach blüht auf. Und da kommt das gleichlautende Motto für die nächste Karnevalssession gerade recht. Auch wenn die Narren im Winter regieren. Doch der Satz birgt ja eine viel tiefere Botschaft.

Denn Mönchengladbach ist nach Krisenjahren spürbar im Aufbruch: Die Wirtschaft wächst, die Einwohnerzahl ebenfalls, es werden immer mehr Babys geboren, Ehen geschlossen und Häuser gebaut. Der Trend hält schon einige Zeit an. Selbst Skeptiker sprechen inzwischen von Boom. Gladbach blüht auf. Und das ist mit Zahlen belegbar.

Doch wahres Aufblühen bedeutet mehr als das. Große neue Wohngebiete wie in City-Ost, tschuldigung in "Seestadt MG +" meinen wir natürlich, Neuansiedlungen in Gewerbegebieten wie die von Amazon in Rheindahlen sind wichtig, aber reichen nicht aus. In einer Atmosphäre des Aufbruchs ist doch viel spannender, was der künftige Charakter unserer Stadt sein soll. Modern und urban, aber auch traditionell und sozial. Grün und lebenswert, wegweisend und vorausreitend, aber die alten Werte bewahrend. Das ist eine gesunde Mischung. Vieles davon hat Mönchengladbach. Tradition, von Brauchtum bis Borussia. Das Soziale, das sich in vielen Vereinen, Organisationen oder im Engagement Einzelner findet. Das viele Grün. Zu Recht reagieren die Bürger empfindlich, wenn die Kettensäge zu oft angeworfen oder Asphalt ausgewalzt wird, nur um Sichtachsen zu schaffen oder Kosten bei der Pflege zu sparen. Warum nicht die andere Richtung einschlagen, im öffentlichen Raum Obst, Beeren, Gemüse pflanzen und Mönchengladbach damit zur essbaren Stadt machen? Andernorts wird schon längst so gedacht.

Da ist auch die Substanz an tollen alten Gebäuden, viele davon sind frühere Fabriken. Sie werden zu oft abgerissen. Natürlich ist es am einfachsten, sie durch Neubauten zu ersetzen. Damit geht aber Stadt-Charakter verloren. Kurzsichtig ist es auch. Denn gerade die besonders umworbenen jungen Kreativen, die Mitglieder der Gründerszene leben und arbeiten am liebsten in modernisierten Fabriklofts. Damit könnte Gladbach punkten - und sich zu etwas Besonderem entwickeln.

Mehrere Gladbacher tauschen sich bei sozialen Medien gerade über kleine effektive Transportmittel in anderen Städten aus: In Paris zum Beispiel fahren Elektro-Kleinbusse Touristen zum Montmartre hinauf. Sie sehen knuffig aus, sind ein Hingucker. Noch besser sind ähnliche Modelle, die jetzt in Berlin durch die Gegend fahren - und zwar führerlos, also autonom. Ein Pilotprojekt, das weltweit Aufmerksamkeit erregt. Und die Gladbacher Politik diskutiert noch immer darüber, ob große Dieselbusse in eine oder in zwei Richtungen au der Hindenburgstraße über den Abteiberg fahren. Zur Erinnerung: Es handelt sich dabei um die Haupteinkaufsstraße der Stadt. Warum also nicht hier so kleine, knuffige Elektrobusse? Positiv-Schlagzeilen wären uns sicher.

"Je üppiger die Pläne blühen, um so verzwickter wird die Tat", hat Erich Kästner mal sehr weise angemerkt. Oder anders ausgedrückt: Wer zu viel gleichzeitig verändern will, verheddert sich leicht. Wahres Aufblühen drückt sich nicht nur in Zahlen aus, sondern auch im Geist.

In diesem Sinne: Ein blütenreiches Osterfest!

(dr)
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