Mönchengladbach Verbrechensopfer: Das leise Leiden

Mönchengladbach · Und plötzlich ist alles anders: Ein Verbrechen kann beim Opfer ein schweres Trauma auslösen. Manche verlassen aus Angst nicht mehr das Haus, andere entwickeln einen Waschzwang.

 Wie sehr die Folgen einer Straftat das Leben eines Menschen verändern kann, ist laut Opferschützer Werner Bredies für Nicht-Betroffene kaum vorstellbar.

Wie sehr die Folgen einer Straftat das Leben eines Menschen verändern kann, ist laut Opferschützer Werner Bredies für Nicht-Betroffene kaum vorstellbar.

Foto: Seybert

Heute ist der Tag des Kriminalitätsopfers. Werner Bredies weiß, was Menschen durchleiden, die durch ein Verbrechen geschädigt wurden. Er ist ehrenamtlicher Mitarbeiter des Weißen Rings in Mönchengladbach und hat dort in den 15 Jahren seiner Tätigkeit "viele liebe Menschen kennengelernt, die mit beiden Beinen fest im Leben standen und dann durch eine Straftat plötzlich herausgerissen wurden".

60 bis 80 Verbechensopfer holen sich pro Jahr von Werner Bredies und fünf weiteren Mitarbeitern in der Mönchengladbacher Außenstelle des Weißen Rings Rat und Unterstützung. Denn die Folgen einer Straftat können ein ganzes Leben trüben. "Wie sehr, das kann man sich gar nicht vorstellen, wenn man es nicht selber erlebt hat. Es gibt Menschen, die wurden so aus der Bahn geworfen, dass sie nicht mehr wissen, wie man das Frühstück zubereitet", berichtet Bredies. Manche schafften es, nach außen hin die Fassade zu wahren.

Er hat schon oft erlebt, wie die Opfer eines Wohnungseinbruchs ihre Kleidung wegwerfen, weil der Täter darin gewühlt hat, wie sie die Bettwäsche immer wieder waschen, weil sie möglicherweise von dem Eindringling berührt wurden, wie schließlich das komplette Haus verkauft wird, weil es zum Angstraum wurde. "Manche sind so traumatisiert, dass sie bei jedem Fremden auf der Straße denken: ,Der könnte es gewesen sein.' Denn bei einem Einbruch kennt man den Täter nicht, hat kein Gesicht vor Augen", sagt Bredies.

Beim Weißen Ring hört man den Opfern zu, vermittelt sie in Beratungsstellen, begleitet sie zu Terminen bei Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht, stellt Hilfeschecks für eine kostenlose anwaltliche und psychotraumatische Erstberatung aus und kann in bestimmten Fällen auch materiell helfen. "Es kann zum Beispiel sein, dass eine Seniorin, der falsche Wasserwerker kurz vor dem Wochenende das komplette Bargeld aus der Wohnung stahlen, von uns eine finanzielle Soforthilfe bekommt, damit sie ihren Kühlschrank auffüllen kann", berichtet Werner Bredies.

Ein großes Thema in der Mönchengladbacher Beratungsstelle des Weißen Rings ist häusliche Gewalt. "Rund 60 Prozent der Menschen, die zu uns kommen, haben das erfahren", sagt Bredies. Und: "Oft kommen Frauen wegen einer Körperverletzung zu uns, und dann stellt sich heraus, dass sie schon jahrelang beleidigt, gedemütigt und geschlagen wurden."

Manchmal können die ehrenamtlichen Helfer schon mit einem Telefonat helfen. Da reicht einfach die Erklärung, wie man nach einer Straftat vorgehen soll, was man alles beachten soll. Oft ist die Unterstützung intensiver, nicht selten geht sie über Jahre. Der Kontakt vom Verbrechensopfer zum Weißen Ring geht in der Regel über die Polizei, häufig aber auch über Mundpropaganda. Wer sich beim Weißen Ring helfen lässt, muss nicht Mitglied sein. Dennoch finanziert sich die Organisation über Mitgliedsbeiträge sowie Spenden und Einnahmen aus Bußgeldern. "Leider ist unsere Mitgliederzahl von einst 60.000 auf unter 50.000 gesunken", sagt Bredies.

(RP)
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