Was macht eigentlich? Tue Recht und scheue niemand

Mönchengladbach · Erich Oberem hat mehr als ein halbes Jahrhundert in und für Mönchengladbach gearbeitet: in der Verwaltung und im Stadtrat. Ein Mann, der keinen Streit scheut, wenn es der Sache dient. Geachtet, aber auch beschimpft. Sich durchzusetzen, das hat er schon früh als Sportler gelernt.

 Höhenangst kennt er nicht: Erich Oberem beim Abseilen vom Rathausturm beim Rheydter Turmfest 1991.

Höhenangst kennt er nicht: Erich Oberem beim Abseilen vom Rathausturm beim Rheydter Turmfest 1991.

Foto: EO

Das Thema war kürzlich noch einmal aktuell - nach gut 20 Jahren: Kommt die große Rolltonne, oder darf es weiter die kleine für den Hausmüll sein? 1996 war dies ein hochbrisantes Thema mit weitreichenden politischen Folgen. Diesmal, Ende 2017, setzte die Große Koalition im Stadtrat ihre Lösung ohne großen Widerstand durch.

1996 aber hatten sich die Mönchengladbacher im ersten Bürgerentscheid der Stadtgeschichte mit 92.986 zu 3471 Stimmen entschieden, gegen den Willen der Politik die kleine Tonne zu behalten. Und damit auch für den Mann, der in vorderster Front gekämpft hatte: Erich Oberem. Er hatte sich als Umweltdezernent der Stadt gegen seine Partei, die CDU, ihren Koalitionspartner USD (ehemalige SPD-ler) und gegen Kollegen in der Verwaltung gestellt.

 Bundeskönigschießen 1986 in Mönchengladbach: Bundeskanzler Helmut Kohl, Bundestagsabgeordneter Hans-Wilhelm Pesch und Erich Oberem (von links).

Bundeskönigschießen 1986 in Mönchengladbach: Bundeskanzler Helmut Kohl, Bundestagsabgeordneter Hans-Wilhelm Pesch und Erich Oberem (von links).

Foto: EO

Oberem trat schließlich aus der CDU aus. All das hat ihn am Ende den Job gekostet: Er wurde 1998 von der Rats-Mehrheit nicht wiedergewählt. Der Stadt hat dies indes für ein gutes Jahrzehnt einen streitbaren Politiker beschert, der nach dem Sprichwort "Tue Recht und scheue niemand" arbeitete. Erich Oberem gründete 1999 die Freie Wähler-Gemeinschaft (FWG), holte im ersten Anlauf als Oberbürgermeister-Kandidat 16,8 Prozent der Stimmen, die FWG wurde drittstärkste Fraktion im Stadtrat. Unter einem Chef, der sich mit aller Kraft engagierte und in keine Zwangsjacke, sprich Koalition oder die pure Rolle als Mehrheitsbeschaffer, stecken ließ. Sondern der stets nach Sachlage, bestem Wissen und Gewissen entschied. Mit dieser Haltung wurde er als "Bereicherung für die Politikszene" gelobt, aber auch mal als "halsstarriger Besserwisser" beschimpft.

Besseres Wissen ist freilich Oberems große Stärke. Es gibt in dieser Stadt kaum jemanden, der wie er mit all den Vorschriften, Möglichkeiten und Tücken der Kommunalverwaltung vertraut ist. Er hat das Geschäft von der Pike auf gelernt bei der Alt-Gladbacher Stadtverwaltung und sich über all die Jahre immer auf aktueller Höhe der Entwicklung gehalten.

 Neugieriger Blick in die Welt: Erich beim Weihnachtsfest 1938.

Neugieriger Blick in die Welt: Erich beim Weihnachtsfest 1938.

Foto: EO

Er hat damals den gehobenen Dienst im Eiltempo durchlaufen als Mann mit festen Zielen und Grundsätzen. Als seine weitere Beförderung 1981 stockte, weil er auch Gegner hatte, setzte Erich Oberem der Stadt in einem zweijährigen Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf mit harten Fakten solange zu, bis sie das Versäumte nachholte.

Vier Jahre später war Oberem dennoch weg, ergriff die Chance als Erster Beigeordneter der Stadt Grevenbroich. Und ließ sich 1990 zurückholen: als Mönchengladbacher Umweltdezernent. Acht Jahre war er dies - bis zum großen Streit um die Mülltonnen. Auch heute findet er diese Lösung nicht gut. Doch er ist nicht mehr in der Position, sie zu verhindern.

 Empfang 1991 für Prinz Philipp und Ministerpräsident Johannes Rau (r.)

Empfang 1991 für Prinz Philipp und Ministerpräsident Johannes Rau (r.)

Foto: EO

Kenntnisreich im Detail, meinungsfreudig, entscheidungsstark, streitlustig, hartnäckig: So beschreiben Weggefährten und Beobachter Erich Oberem. Doch es gibt auch eine andere Sicht: Von der Fahne gegangene Mitstreiter werfen ihm, vor, keine andere Meinung als seine eigene zuzulassen. Da war schon mal die Rede von diktatorischem Verhalten. "Ich mag vielleicht im Umgang nicht immer ganz leicht sein", räumt Oberem ein. Seine FWG hat er vor knapp zwei Jahren aufgelöst, weil sie immer mehr zerstritten und dezimiert war. "Sie hatte sich im Lauf der Jahre verschlissen", sagt Oberem. Von sechs Ratsmitgliedern, die sie 1999 hatte, war noch einer geblieben: Klaus Oberem, Sohn des FWG-Gründers.

Der Vater hat kein Amt mehr in der Politik. Doch er sitzt nicht im Schmollwinkel, sondern verfolgt das Geschehen aufmerksam und kritisch: "Ich bin ein Mensch, den seine Heimatstadt sehr interessiert. Und es tut mir weh, wenn ich Dinge sehe, die nicht optimal gelöst sind." Da gibt es schon das eine oder andere. Aber er weiß: "Es ist schwer, etwas dagegen zu tun. Und ich möchte nicht die Rolle des ewigen Neinsagers spielen."

(RP)
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