Mönchengladbach Trafowerk: Auf Schockstarre folgt Kampfansage

Mönchengladbach · Die 371 Mitarbeiter von GE Grid, das geschlossen werden soll, fühlen sich als Opfer von Profitgier - und hoffen auf einen neuen Investor.

 Das Logo von General Electric prangt erst seit zwei Jahren an der Außenhaut. Zuvor hatte das Werk Alstom gehört.

Das Logo von General Electric prangt erst seit zwei Jahren an der Außenhaut. Zuvor hatte das Werk Alstom gehört.

Foto: Detlef Ilgner

Es ist gegen 11.30 Uhr, als sich bei General Electric (GE) Grid an der Rheinstraße die Türen öffnen. Es ist kalt draußen, aber die Beschäftigten brauchen frische Luft, eine Zigarette vor dem Werkstor. Manche haben Tränen in den Augen, andere blicken fassungslos auf den Boden und schütteln den Kopf. Gerade haben sie von ihrer Geschäftsleitung in einer bis dahin 90-minütigen Betriebsversammlung erfahren, dass sich alle 371 Mitarbeiter in dem Transformatorenwerk einen neuen Arbeitsplatz suchen müssen. Das Werk schließt 2019. Das Unternehmen bestätigte gestern einen Bericht unserer Redaktion.

"Jetzt darf ich mir in meinem Alter einen neuen Job suchen", sagt ein Arbeiter in Arbeitshose mit GE-Logo, der wohl die 50 schon deutlich überschritten hat. "Geschockt", seien die Kollegen, sagt ein anderer. Mancher Mitarbeiter ist sauer, dass er von der bevorstehenden Schließung aus der Zeitung erfahren hat, nicht von seinen Chefs. Das sei den allermeisten so gegangen, sagt Betriebsratsvorsitzender Falk Hoinkis - auch ihm selber, obwohl er zugleich Gesamtbetriebsratsvorsitzender der Grid-Sparte und Vorstandsmitglied des europäischen Betriebsrates ist. "Damit hatte keiner gerechnet, dafür gab es keine Anzeichen. Es herrscht Schockstarre. Ab halb sechs morgens war hier der Teufel los." GE hatte die Entscheidung im Vorfeld einer ganzen Reihe von Entscheidungsträgern in der Stadt mitgeteilt, bevor es die eigene Belegschaft informierte.

Wie gestern bereits berichtet, sei das Werk mitnichten defizitär, bestätigt GE-Sprecher Bernd Eitel. Auch die Auftragsbücher seien gut gefüllt. Grund für die Schließung seien vielmehr hohe Überkapazitäten und ein insgesamt schrumpfender Markt. Sowie eine weitere Tatsache: Drei Transformatorenwerke habe GE 2015 mit dem Portfolio des französischen Konkurrenten Alstom übernommen - in Gladbach, in der Türkei und in Stafford (England). Der Standort Türkei habe gegenüber Gladbach einen Kosten-, Stafford einen Leistungsvorteil. "Dort können Transformatoren bis 800 Kilovolt gebaut werden, in Gladbach nur bis 600", sagt Eitel. Und für die aktuelle Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragungstechnologie - etwa für "Stromautobahnen" und die Anbindung von Offshore-Windparks - würden nun einmal die höheren Leistungsmerkmale benötigt. Deswegen werde man sich künftig auf die zwei verbleibenden Standorte konzentrieren.

"Wir haben mit allem gerechnet, aber nicht damit", sagt Reimund Strauß, Erster Bevollmächtigter der IG Metall. Auf einer Betriebsversammlung vor rund zwei Wochen seien zwar Änderungen angekündigt worden, die auch durchaus auf einen Personalabbau hätten hindeuten können - aber keineswegs auf eine Schließung. Er bestätigt, dass das Werk gut dasteht. "Wenn man die Maßstäbe, die GE hier anlegt, an alle Betriebe anlegt, könnten in der Region 80 Prozent von ihnen sofort dicht machen", sagt Strauß. "Das ist doch aberwitzig."

Das bestätigt Hoinkis. "Wir bilden aus, haben regelmäßig Landesbeste, sind als familienfreundlich ausgezeichnet, haben viele Schwerbehinderte", zählt er auf. Für die hoch qualifizierten und spezialisierten Mitarbeiter gäbe es in der Region jedoch keine alternativen Arbeitgeber in ihrer jetzigen Sparte: "Die nächsten Trafowerke sind in Bad Honnef und Nürnberg." Nachdem der erste Schock verarbeitet war, gab er sich bereits kämpferisch: "Wir werden als Betriebsrat und mit der gesamten Mannschaft den Beweis antreten, dass das eine Fehlentscheidung von GE ist, mit der sie auch Märkte verlieren werden." An dem Konzern, dessen Name erst seit zwei Jahren auf dem Briefkopf steht, hänge man keineswegs - nach mehreren Eigentümerwechseln sehen sich die Altgedienten immer noch als Vertreter der Schorch-Trafowerke, in denen bereits seit über hundert Jahren produziert wird. Man sei jedem Investor gegenüber aufgeschlossen, der Interesse an Leistung und Know-how der Mitarbeiter hat.

Das könnte die Resthoffnung für das Werk und seine Mitarbeiter sein - dass ein Konkurrent das Werk aus dem GE-Bestand herauskauft. "Denkbar ist vieles", sagt Sprecher Eitel. Es sei zwar in der aktuellen Situation nicht angeraten, über so etwas zu spekulieren, GE würde sich einer solchen Möglichkeit aber nicht verschließen. "Es sollte dann aber nicht jemand aus der Liga Siemens, ThyssenKrupp oder GE sein", sagt Strauß, der sich mit der Gewerkschaft ebenfalls in die Investorensuche einklinken will. "Die unter dem Druck der Anteilseigner den Profit trotz Milliardengewinnen immer noch weiter erhöhen müssen."

(RP)
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