Hans Wilhelm Reiners Die Tour beflügelt Menschen in der Stadt

Mönchengladbach · Der Oberbürgermeister will Borussia mit ins Boot holen, wenn 2017 die Stars der Tour de France durch die Stadt rollen. Er sagt, warum dieses Ereignis wichtig ist, er kein Mann für lange Soloritte ist und wie es um den Radverkehr in der Stadt steht.

 Hans Wilhelm Reiners: Für die kurzen Touren in der Stadt nutzt er ein City-Bike. Aber er hat auch ein Rennrad, das er für lange Strecken nutzt. Und die Tour de France ist für ihn eine Herzensangelegenheit.

Hans Wilhelm Reiners: Für die kurzen Touren in der Stadt nutzt er ein City-Bike. Aber er hat auch ein Rennrad, das er für lange Strecken nutzt. Und die Tour de France ist für ihn eine Herzensangelegenheit.

Foto: Ilgner

Wie groß ist der Imagewert, den die Tour de France mit sich bringt?

Hans Wilhelm Reiners Alleine das Medieninteresse bei der Bekanntgabe, dass wir dabei sind, zeigte, dass der Imagegewinn riesig sein wird. Besonders wegen der Tatsache, dass wir die erste Sprintwertung des ganzen Rennens in der Stadt haben. Und die wird in 190 Ländern zu sehen sein. Die Berichterstattung wird also weltweit zu einer Kommunikation des Namens Mönchengladbach führen, wie sie sonst schwer zu erreichen sein dürfte.

Wie schwierig war es, die Tour nach Mönchengladbach zu holen?

Reiners Es hatte in erster Linie etwas damit zu tun, die Initiative zu ergreifen. Das habe ich mit viel Herzblut von Anfang an gemacht, weil ich einfach eine große Affinität zum Radsport und zur Tour de France habe. Düsseldorfs Oberbürgermeister Geisel sagte mir einmal: ,Man merkt, dass du das wirklich willst.'

Wie wichtig war die Kooperation mit Düsseldorfs OB Geisel? Sie scheinen gut miteinander zu können.

Reiners Es hilft, wenn man das Interesse an aktivem Sporttreiben und an der Tour de France im Speziellen teilt. Da hat man eine gute Einstiegsebene, unabhängig von der Parteizugehörigkeit.

Der Anfang ist da: Welche Arbeit liegt jetzt noch vor Ihnen?

Reiners Wir haben ja bis jetzt noch keine wirklichen Ressourcen da reingesteckt, auch weil wir wissen: Die Marke Tour de France allein hat schon ausreichend Strahlkraft. Wichtig war es zunächst einmal, die definitive Entscheidung abzuwarten, dass wir dabei sind. Die ist jetzt da. Jetzt muss die genaue Strecke festgelegt werden, das machen allerdings die Organisatoren. Unsere Arbeit wird darin liegen, diesen Sonntag im Juli 2017 zu einem Tour-Festtag zu machen, an dem die ganze Stadt im Radsportfieber ist.

Wie viel kostet das die Stadt? Bleibt es bei den 100.000 Euro, die für die Sprintwertung aufgerufen wurden?

Reiners Das hängt maßgeblich davon ab, wie wir das Rahmenprogramm gestalten. Drei Riesenleinwände auf dem Alten Markt würden zum Beispiel sehr viel Geld kosten. Ich bin guter Dinge, dass wir das meiste mit der Hilfe von Sponsoren refinanzieren können. Es wird nicht so sein, dass wir mal eben aus dem städtischen Haushalt größere Summen zuschießen können.

Wird Borussia mit im Boot sein? Ihnen schwebt streckentechnisch eine Verknüpfung von Radsport und Fußball vor, sagten Sie.

Reiners Ich habe Borussias Präsident Rolf Königs schon darauf angesprochen, dass es eine schöne Idee sein könnte, das Feld einmal ums Stadion zu führen. Die Organisatoren suchen ja auch immer nach schönen Motiven für die Hubschrauberkameras - da könnte man beispielsweise auf dem Rasen des Stadions etwas inszenieren.

Wie schlimm wäre es für die Anstrengungen Mönchengladbachs, wenn sich die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten - beispielsweise aufgrund weiterer Dopingfälle - wieder aus der Live-Berichterstattung zurückzögen?

Reiners Das ist reine Spekulation und würde dann sicher von den Dimensionen solcher Vorfälle abhängen. Als Sportler hoffe ich einfach, dass diese negativen Dinge so langsam einmal aufhören. Es wäre ein schönes Signal, wenn die Tour dieses Jahr ,sauber' bliebe.

Es ist nicht die einzige spektakuläre Veranstaltung in der Stadt in den nächsten Monaten. Ist das ein Zeichen, wie gut es in Gladbach läuft?

Reiners Gute Stimmung vermittelt ja auch: Da geht was. Wir zeigen zuletzt vermehrt den Mut, die Dinge anzupacken. Man kann 1000 Gründe finden, warum man besser die Finger von der Tour lassen sollte, genauso für den Snowboard-Weltcup. Das Problem ist eben, dass man immer nur den Aufwand, aber nicht den Ertrag in Euro und Cent beziffern kann. Aber solche Events haben definitiv Auswirkungen auf das Lebensgefühl in einer Stadt. Die Leute können sagen: Schaut her, bei uns fährt die Tour durch!

Sucht Gladbach jetzt gezielt die Nähe zu Düsseldorf - etwa im Rahmen des dortigen Frankreichfestes - um die maximal mögliche Marketing-Wirkung zu generieren?

Reiners Die Tour de France muss und wird jetzt zur Story werden, die wir ein ganzes Jahr spielen können. Es ist zu früh, um über konkrete Maßnahmen zu sprechen. Aber vielleicht kann man schon beim französischen Genießermarkt im Mai in Rheydt etwas tun.

Sie sind selbst ein großer Radsport-Fan - was bedeutet es für Sie, als OB die Tour de France in Ihre Heimatstadt geholt zu haben?

Reiners Das ist für mich gar nicht so sehr ein persönliches Ding. Wir versuchen doch, im Team Positives für Mönchengladbach zu erreichen. Für mich wäre es ein Erfolg, wenn hinterher auch die schärfsten Kritiker sagen: Es war gut, die Tour nach Gladbach geholt zu haben.

Eine OB-Amtszeit hat ja auch was von einem Radrennen: Wie liegen Sie gefühlt im Rennen?

Reiners Na gut, wenn die Amtszeit eines Oberbürgermeisters eine Tour-de-France-Etappe ist - dann bin ich nicht der Typ für Ausreißversuche und lange Soloritte, um damit Aufmerksamkeit zu erlangen. Radsport ist am Ende des Tages ein Mannschaftssport - ohne seine Wasserträger verdurstet der Kapitän. Vielleicht ist mir eine Flucht über 200 Kilometer aber auch einfach zu anstrengend (lacht).

Schauen wir auf die aktuellen Entwicklungen hin zu einer Fahrradstadt. Ende des Monats werden 40 Einbahnstraßenabschnitte in beiden Richtungen für Radfahrer freigegeben. Wie wichtig ist dieser Schritt?

Reiners Es ist ein Baustein von vielen, die notwendig sind. Ich halte ja persönlich überhaupt nichts von dieser Diskussion ,Fahrradstadt gegen Autostadt'. Idealerweise fühlen sich die Nutzer aller Mobilitätsformen gleich ernstgenommen und gleich wohl. Aber ja, es ist definitiv erstrebenswert, den Anteil des Radverkehrs in der Stadt deutlich zu erhöhen. Man sieht: Wo immer das passiert, stellt sich schnell ein besseres Lebensgefühl ein.

Die "blaue Linie" für Radler zwischen den Hauptbahnhöfen ist finanziert, auch gegen Falschparker auf Radwegen wird jetzt stärker vorgegangen. Welche weiteren Schritte müssen schleunigst folgen, damit sich die Radfahrer in der Stadt sicherer und ernstgenommen fühlen?

Reiners Das Thema wird ja im Masterplan Nahmobilität eine ganz zentrale Rolle einnehmen. Es geht in allererster Linie darum, die Einstellung zum Radfahren zu verändern. Wir müssen das zum Beispiel bei der Verkehrsplanung noch mehr auf dem Schirm haben.

Hat die neue Mentalität - weg von der reinen Autostadt - schon alle wichtigen Akteure in der Stadt erreicht oder gibt es hier und da immer noch dicke Bretter, die man als "Rad-Lobbyist" bohren muss?

Reiners Ich habe erstens den Eindruck, dass die Leute mir meinen Einsatz abkaufen, weil ich das Thema einfach lebe. Andererseits ist es nach wie vor schwierig, weil die Diskussion immer noch schnell eine ideologische wird. Ich sage es noch einmal: Es geht nicht um ,Fahrrad gegen Auto'. Nicht um ein Entweder/Oder, sondern ein Miteinander. Beispiel Hindenburgstraße: Die Strecke zwischen Minto und Europaplatz haben wir für den Radverkehr freigegeben - passiert ist nichts. Ich bin froh, dass das jetzt so weiterläuft. Ich glaube auch, es wäre nicht mit irrsinnigen Risiken verbunden, auch den oberen Teil zu öffnen.

Hat Gladbach das Zeug dazu, eine Radmetropole zu werden?

Reiners Das ist gar nicht mein Ziel. Es reicht mir, wenn diejenigen, die mit dem Rad durch Gladbach fahren, sich ernstgenommen und dabei wohl fühlen.

JAN SCHNETTLER STELLTE DIE FRAGEN.

(RP)
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