Mönchengladbach Streit zwischen Verdi und Drekopf eskaliert

Mönchengladbach · "Frühkapitalistisches Verhalten" eines Unternehmens oder "persönlicher Feldzug" eines Gewerkschaftssekretärs? Zwischen Verdi und Drekopf fliegen zunehmend die Fetzen.

 Die Drekopf-Filiale an der Boettgerstraße.

Die Drekopf-Filiale an der Boettgerstraße.

Foto: Detlef Ilgner

"Arbeitszeitvergehen", "Nötigung, Bedrohung und Hetzkampagnen", "frühkapitalistisches Verhalten": Die Gewerkschaft Verdi erhebt schwerste Vorwürfe gegen das Gladbacher Entsorgungsunternehmen Drekopf. "Aus einem anfangs noch sportlichen Schlagabtausch ist eine Situation geworden, die wir in dieser Art und Weise eigentlich nur von Schlecker und einigen Speditionsunternehmen kennen", sagt Gewerkschaftssekretär Gerd Walter, im Verdi-Landesbezirk zuständig für den Fachbereich Ver- und Entsorgung, bei einem Pressegespräch im Essener Gewerkschaftshaus. "Mitarbeiter haben sogar Angst, Urlaub zu nehmen oder krank zu werden."

In der Tat ist die Chronik der Vorwürfe umfangreich. Im September 2014 sei Verdi erstmals von Beschäftigten in der Gladbacher Zentrale angesprochen worden, die ihre Arbeitsbedingungen verbessern wollten. Die ersten Initiatoren für eine Betriebsratswahl seien sofort entlassen, einer abgefunden worden; bei einem späteren Vorstoß verlangte Drekopf, damit die Gewerkschaft Zutritt bekam, um einen Aushang zu machen, einen Nachweis, dass sich tatsächlich Verdi-Mitglieder in der Belegschaft befinden. Er habe dies notariell erklären lassen, um die Namen der Betroffenen zu schützen, sagt Jörg Koburg, zuständiger Gewerkschaftssekretär auf Landesebene. Die RP berichtete seinerzeit über den Fall, der vor dem Arbeitsgericht landete. Es sei in der Folge zu Verzögerungen der Wahlausschreibung gekommen, weil die Geschäftsführung keine vollständigen und gültigen Wählerlisten aushändigte. Im April 2015, so die Verdi-Chronik weiter, sei der Wahlvorstand genötigt worden, eine Arbeitgeberliste für die Wahl zuzulassen, die Wahl daraufhin abgebrochen worden. Beim nächsten Versuch im Mai "bekam die Arbeitgeberliste nach Druck auf die Beschäftigten mehr Sitze als unsere", sagt Koburg. Seitdem gebe es so gut wie keine Aktivitäten des Betriebsrats mehr: "Es sieht so aus, als wolle Drekopf sich nach der Wahlperiode hinstellen und sagen: Na, was hat der Betriebsrat denn für euch erreicht?" Verdi behalte sich vor, zur Auflösung des Gremiums aufzurufen, falls es Pflichten wie Monatsgesprächen und Betriebsversammlungen weiter nicht nachkomme. Drekopf stellt all dies markant anders dar. Geschäftsführerin Nicole Finger nennt viele Behauptungen "schlichtweg falsch", der Betriebsratsvorsitzende Udo Schwarz bestätigt das. Koburg habe seinerzeit einen dreiköpfigen Wahlvorstand benannt - im Übrigen ohne echten Wahlvorgang -, von denen noch alle drei im Betrieb seien, so Finger, und benennt die Mitarbeiter namentlich. Sie zeigt die Wahllisten vor, die weder unvollständig noch ungültig anmuten. Sie führt detailliert von Verdi zu verantwortende Unzulänglichkeiten und Fehler im Wahlverfahren auf. Und Schwarz, der Koburg "freibeuterisches Verhalten" vorwirft, sagt: "Der Begriff ,Arbeitgeberliste' ist eine Frechheit. Ich mache das hier aus freien Stücken und aus eigenem Antrieb, denn natürlich gibt es im Betrieb Redebedarf und einiges zu verbessern." Die Betriebsratsarbeit sei in der Tat aufgrund des hohen Schulungsbedarfs nur langsam angelaufen, auch hinke man mit der ersten Betriebsversammlung hinterher. Sie solle jedoch bald erfolgen. Und auf der Habenseite stünden bereits eine Gleitzeitvereinbarung für Verwaltungsangestellte sowie zurückgenommene Abmahnungen, in Kürze folgen sollen Betriebsvereinbarungen zu Arbeitskleidung und Sozialräumen. Die Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung sei konstruktiv - "und wir haben uns eben für eine Betriebsrats-Arbeit ohne Gewerkschaftsbeteiligung entschieden".

Führt Koburg also nur einen "persönlichen Feldzug" gegen Drekopf, wie Finger sagt? Aktuell jedenfalls brennt der Baum am Standort Essen; insgesamt haben die Unternehmen der Gruppe 17 Standorte, davon 14 in NRW, und rund 700 Mitarbeiter. In Essen ist es der zuständige Verdi-Sekretär Christian Jürgens, der rund um die Installation eines Betriebsrats im Januar von "mehrfacher Behinderung der Wahl, Drohung, Nötigung und Entlassungen" spricht. Und davon, seitens der Polizei den Zugang zum Wahllokal verwehrt bekommen zu haben. Und seitdem? "Keine Antworten auf Tarifforderungen, mehrere Arbeitsgerichtsverfahren, Strafanträge gegen Gewerkschaftssekretär Koburg und Hausverbote" zählt er auf. Zuletzt seien am 3. Juni erneut Gewerkschaftssekretäre seitens der Polizei vom Betriebsgelände entfernt worden, die zur Betriebsversammlung eingeladen gewesen seien.

Auch hierzu argumentiert Finger anders. Man habe ausschließlich Koburg den Zutritt zum Betriebsgelände verwehrt. Einmal mehr habe dieser versucht, die von ihm angedachten Mitarbeiter als Wahlvorstände bzw. Betriebsräte durchzusetzen, was zu einem "aggressiv geführten Wahlkampf" und Spannungen in der Belegschaft geführt habe. Hausverbote und Strafanträge habe man nicht zuletzt deshalb einleiten müssen, weil "Koburg versucht hat, sich als Kunde getarnt aufs Gelände zu schleichen". All dies und "offenkundig eklatante Fehler im Wahlverfahren" hätten dazu geführt, "dass drei Mitarbeiter sich dazu entschieden haben, die Betriebsratswahl anzufechten". Der vorläufige Höhepunkt der Auseinandersetzungen - sieht man davon ab, dass man sich mit dem Essener Betriebsratsvorsitzenden vor Gericht ganz aktuell auf eine Aufhebung des Arbeitsverhältnisses und die Zahlung einer Abfindung einigte. Er soll sich unter anderem wiederholt ausländerfeindlich geäußert haben. Sein Nachfolger dürfte Stellvertreter Hartmut Elias werden. Er sagt: "Wenn man sieht, was hier in den letzten Jahren alles ablief, fällt es schwer zu glauben, dass es sich noch mal ändert."

(RP)
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