Serie Denkanstoss Sprache ist verräterisch

Mönchengladbach · Im sächsischen Freital geht eine Bürgerversammlung über eine Unterkunft für Flüchtlinge in Geschrei und Hetze unter. Pfarrer Dr. Albert Damblon erinnert an Jesus, der auch fremd und obdachlos war.

 "Ich war fremd und obdachlos, und ihr habt mich aufgenommen." Pfarrer Dr. Albert Damblon lässt im Denkanstoß auf die Reaktionen in einer Bürgersammlung im sächsischen Freital Jesus antworten.

"Ich war fremd und obdachlos, und ihr habt mich aufgenommen." Pfarrer Dr. Albert Damblon lässt im Denkanstoß auf die Reaktionen in einer Bürgersammlung im sächsischen Freital Jesus antworten.

Foto: Action Medeor

Es verrät mein Verhältnis zu meinem Auto, ob ich ihn eine "Dreckschleuder" oder einen "treuen Gefährten" nenne. Vor "Schurkenstaaten" hat sich die Politik zu hüten. Sprache offenbart, wie ich denke. Natürlich kann ich auch mit Worten verschleiern. Dann verstecke ich mich hinter ihnen. Aber wenn die Beherrschung fehlt, um nach Worten zu suchen, drängt die Wahrheit wie von selbst nach vorne. Und meine Sprache verrät tatsächlich.

Die Gespräche um die Flüchtlinge verraten, wie manche Mitbürgerinnen und Mitbürger wirklich denken. Vor Kurzem geht in Freital, einer Kleinstadt in Sachsen, eine Bürgerversammlung in Geschrei und Hetze unter. Eine ältere Frau versucht, Verständnis zu wecken Die anderen brüllen sie nieder: "Heul doch! Geh nach Hause."

Die anwesenden Politiker kommen kaum zu Wort. Die Menge schreit: "Alles Lügner, alles Schweine!" Sie sollen sich sofort "verpissen" und die "Fresse" halten. "Freital wehrt sich, Frigida - unsere Stadt bleibt sauber" lauten die Parolen der Bürgerinitiativen gegen eine Flüchtlingsunterkunft.

Mehrere Demonstranten vor der Türe rufen: "Kanaken raus." Im Saal meint einer lautstark: "Das sind doch alles Illegale hier, schafft sie fort." Oder ein Nachbar des Heimes stimmt ein: "Die versauen uns die ganze Gegend." Als wieder eine Frau dagegen hält: "Niemand hat das Recht, sich die Nachbarn auszusuchen!", kommt ein einziger dumpfer Schrei: "Zecke raus!" und "Lass dich doch von denen ficken!" "Raus, raus, raus!"

Alle Sätze in Anführungszeichen habe ich einem Zeitungsbericht vom 8. Juli entnommen. Nichts ist von mir erfunden, kein Wort hinzugefügt. Die Sprache der Veranstaltung ist tatsächlich verräterisch. Aufregung alleine entschuldigt keine Ausfälle. Selbst wenn sich die Lage in dem Ort beruhigen sollte, wissen die Flüchtlinge, dass sie dort von vielen nicht gerne gesehen werden.

Was würde Jesus uns sagen? Er antwortet, ohne sich zu verstellen. "Ich war fremd und obdachlos, und ihr habt mich aufgenommen."

DER AUTOR DES HEUTIGEN DENKANSTOSSES, DR. ALBERT DAMBLON, IST SEELSORGER IN ST. BENEDIKT.

(RP)
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