Serie Gladbacher Lesebuch (21) So waren die Lehrjahre in den 1960ern

Mönchengladbach · Der Autor erzählt, welche Geschäfte es früher an der Hindenburgstraße gab und welche elektrischen Geräte in vielen Haushalten standen.

 In seiner Lehre beschäftigte sich der Autor mit Radios. Die glichen in den 1960er Jahren noch einem Möbelstück.

In seiner Lehre beschäftigte sich der Autor mit Radios. Die glichen in den 1960er Jahren noch einem Möbelstück.

Foto: Phono+RaDIomuseum Dormagen

Gladbach Was meinen Start in das Berufsleben am 1. April 1960 anbelangt, so war dieser mit einigen Schwierigkeiten verbunden, da ich den selbigen von einem Internat in der Eifel aus zu bewerkstelligen hatte. Ich musste mir während der sehr knapp bemessenen Weihnachtsferien 1959 beim Heimaturlaub eine Lehrstelle suchen, was mir mit Hilfe des Arbeitsamtes und unter der Assistenz meines Onkels Heinz auch gelang. Da ich von Kindesbeinen an von Zeitungen fasziniert war, hatte ich mir in früheren Kindertagen beim Druckhaus B. Kühlen an der Neuhofstraße schon einmal die Produktion einer Tageszeitung in den einzelnen Schritten genau angeschaut. Ich wollte nach Beendigung meiner Schulzeit als Schriftsetzer in einem Zeitung produzierenden Unternehmen tätig werden und war froh, meinen so sehr ersehnten Ausbildungsplatz in dieser Branche gefunden zu haben. Ausschlaggebend hierfür war damals sicherlich auch mein Herbst-Zwischenzeugnis.

Diesen Berufswunsch hatte ich, da damals noch ohne einen höheren Schulabschluss, in einem gewissen Maße als Einstieg zu einer geplanten Laufbahn als Zeitungsredakteur gesehen. Nach dem erst später erfolgten Studium des Romans "Bauern, Bonzen und Bomben" von Hans Fallada wurde mir schnell klar, dass ich hinsichtlich der Schaffens- und Entfaltungs-Möglichkeiten eines Redakteurs ziemlich romantische Vorstellungen gehegt hatte, weil eben die auch einen Verlag prägenden wirtschaftlichen Aspekte von mir außer Acht gelassen worden waren. Ich wurde damals von meinem Vorgesetzten bei meinem Berufsstart aufgefordert, bei einem der neuen Kollegen nach dem "Gläsernen Augenmaß" zu fragen, um dann von dem einen zum anderen "in den April" geschickt zu werden. Infolge meines unzureichenden Sehvermögens musste ich schnell von meinen Karriereträumen in der Drucker-Branche Abschied nehmen und habe mich nach Beendigung der Probezeit alternativ dem Beruf des Kaufmanns zugewandt.

 Eine Rechenmaschine Walther.

Eine Rechenmaschine Walther.

Foto: Museum für Hist. Bürotechnik Naundorf

Die aufzusuchende Berufsschule am Platz der Republik wurde damals von einem, von allen Schülern gefürchteten oder wenigstens erheblich respektierten Studiendirektor namens "Schummers" geleitet. Für meine Unterweisung in BWL, kaufmännischen Rechnen, Handelsrecht, Buchführung auf sogenannten T-Kontenblättern, nebst den dazugehörigen Buchungssätzen, sowie auch Bürgerkunde trug hingegen der Handelslehrer Leopold Leven die Verantwortung, welcher mich später im großen Saal der IHK an der Bismarckstraße gemeinsam mit dem für mich fachkundigen Hans Rhein vom gleichnamigen Radio-Geschäft an der Hindenburgstraße examinierte.

Jener Pädagoge hat uns regelrecht eingebläut, dass Kosten immer "betriebsbedingt" zu sein hätten und der Begriff "Unkosten" demzufolge falsch sei. Für die Unterweisung im Fach "Religion" war der später in Korschenbroich tätige Pfarrer Alois Müller zuständig. Für die Unterweisung der Techniker im Bereich Radio-TV, Mess- und Regeltechnik trug hingegen ein Hans Drathen die Verantwortung, der später in Waldhausen ein eigenes Fachgeschäft betrieb.

Serie Gladbacher Lesebuch (21): So waren die Lehrjahre in den 1960ern
Foto: Phono+Raidomuseum Dormagen

Während meiner Lehrzeit in einer Rundfunkgroßhandlung an der Steinmetzstraße durfte ich auch einige prominente Gladbacher Geschäftsleute und leitende Beamte der Stadtverwaltung kennenlernen. So den Leiter des Wohnungsamtes, Stadtamtmann Lüdde, den Inhaber von Musikhaus Hogrebe, der mir immer als äußerst kultiviert erscheinende Kurt Geronne, welcher als ehrenamtlicher Handelsrichter tätig war. Dessen Sohn heiratete später eine Tochter der Familie Herbrand aus Viersen. Die Herbrands waren auch Miteigentümer der Firma Cramer, Halstrup und Schründer, Tuchfabrik. Auch der Inhaber von Hörgeräte Aumann, Filiale im Haus Westland, direkt neben dem LUX-Kino, sowie der Geschäftsführer vom Bürobedarfshaus Peter Wiebel an der Hindenburgstraße, Bernd Flachsenberg, und Ignaz Jansen von der gleichnamigen Firma für Elektro-Installationen an der vorderen Rheydter Straße, sowie auch der Vorsitzende des "Rheinischen Rennvereins zur Förderung der Traberzucht", Rechtsanwalt Erwin Müller, und der Kegelbruder des Herrn Zilles, Roderburg, der am Sittardplatz als schwer kriegsbeschädigter Heimkehrer einen Teppichhandel betrieb und darüber hinaus auch noch als Sachverständiger in diesem Metier tätig war, waren als Kunden häufiger bei meinem Lehrherrn von mir zu bedienen.

Auch der Pfarrer Sommer von St. Albertus ließ sich gelegentlich bei uns blicken. Das Haus an der Steinmetzstraße 52 beherbergte auch die Buchhandlung Eckers, sowie die Versicherungsagentur eines Herrn Mahlendorf. Diese Immobilie gehörte dem Inhaber von Café Wolschke, Bernd Wolschke, über dessen Café an der Bismarckstraße sich damals noch die Geschäftsstelle der Borussia in der ersten Etage befand. Im Nachbarhaus betrieb der Malermeister Otto Schütz sein Handwerk und Gewerbe. Den Sohn Otto E., später lokaler Sportredakteur der Rheinischen Post als Nachfolger von W. A. Hurtmanns, habe ich damals noch als Gymnasiasten in kurzen Hosen herumlaufen oder auf dem Fahrrad fahren sehen. Schräg gegenüber war die Abendgaststätte "Salönchen" gelegen, wo sich gelegentlich die Gladbacher "Boheme" ein Stelldichein gab. Dieses Lokal wurde von einem Herrn betrieben, welcher im Chor der städtischen Bühnen mitwirkte.

Herr Zilles hatte während des Krieges als Soldat auch als Instruktor für eine Fernmeldeeinheit gearbeitet. Seine in den Gesprächen mit den Rundfunk-Händlern und Technikern an den Tag gelegte Fachkompetenz hat mich immer wieder beeindruckt. Er hatte sich 1952 in der Wohnung seiner Eltern an der Sittardstraße selbstständig gemacht, nachdem er zuvor als Angestellter bei der Rundfunkgroßhandlung Kurt Schippers an der Stepgesstraße tätig gewesen war.

Besagter Herr Zilles war ein starker Raucher. Dies hatte zur Folge, dass ich bei Tabakwaren Gerhard Rietz an der Bismarckstraße 42 häufiger Nachschub an Zigaretten einzukaufen hatte. Obwohl selbst ein sehr starker Raucher, hatte der Firmeninhaber mir als Auszubildendem das Rauchen in den Geschäftsräumen untersagt. Hierfür bin ich diesem posthum noch dankbar. Ich habe das Rauchen nie angefangen, weil ich von dessen schädlicher Wirkung auf die körperliche Befindlichkeit überzeugt war. Der kalte Rauch in Vorhängen und der Kleidung ruft bei mir ein widerwärtiges Gefühl hervor. Was die mir zur Verfügung gestellten Büro-Utensilien anbetrifft, so war dort eine elektrische Walther-Rechenmaschine sowie eine elektrische Schreibmaschine, Triumph-Adler, vorhanden, deren Gebrauch ich mir im Selbststudium beigebracht habe. Dies kam mir auch zustatten, als ich später bei anderen Unternehmen den Fernschreiber zu Kommunikationszwecken zu bedienen hatte. Des weiteren stand auf der Verkaufstheke eine Registrierkasse von NCR. Hier hatte ich nach einiger Zeit nach Geschäftsschluss "die Kasse abzuschlagen". Dies geschah, indem der gesamte Bargeldbestand den verschiedenen Fächern in der ausfahrbaren Kassenlade entnommen wurde, und die Summen von Münzen und Scheinen auf einem Blatt eingetragen und dann addiert wurden.

Ich hatte auch die tägliche Postabfertigung zu besorgen und gelegentlich Pakete zu packen und diese bei der Hauptpost an der Hindenburgstraße abzuliefern. Ganz eilige Sachen wurden auch per Bahnexpress zum Versand gebracht. Die Namen der Adressaten wurden bei den Briefen mit dem entsprechenden Porto in einem Buch verzeichnet und der Bestand an Briefmarken gelegentlich vom Chef anhand der gemachten Aufzeichnungen in diesem Postausgangsbuch überprüft. Die Buchhaltung war in diesem kleinen Unternehmen aushäusig, so dass ich auf diesem Sektor betriebsintern sehr wenige Kenntnisse erlangen konnte, was sich bei meinen Schulnoten negativ auswirkte. Für den Zahlungsverkehr hatte ich die entsprechenden Scheckformulare oder die Vordrucke für das Postscheck-Konto der Firma in Köln auszufüllen und mit dem gesamten Vorgang in eine Unterschriften-Mappe einzuordnen. Bei der jährlichen Inventur kam auch schon einmal ein kleines portables Philips-Tonbandgerät "RK5" zum Einsatz.

(RP)
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