Pfarrerin aus Mönchengladbach macht es vor So sieht die Weihnachtsgeschichte in Gebärdensprache aus

Mönchengladbach · Pfarrerin Annette Beuschel aus Mönchengladbach hat die Gebärdensprache gelernt, um auch mit Gehörlosen kommunizieren zu können. In unserem Video erzählt sie die Weihnachtsgeschichte.

Die Gebärdensprache ist eine Sprache, die berührt. Die wunderbar Gefühle ausdrücken kann. Die zu Herzen geht und auch diejenigen erreichen kann, die sie nicht erlernt haben. Bei der Gebärde, die Vergebung für andere anzeigt, streichelt eine Hand sanft über die andere. Wenn es um die eigene Schuld geht, wird an die Brust geklopft, Versuchung symbolisiert der lockend bewegte Zeigefinger. Das Jesuskind wird durch zwei zarte Berührungen der Handinnenflächen und gekreuzte, Geborgenheit vermittelnde Arme dargestellt, der christliche dreieinige Gott durch drei nach oben weisende Finger. Und wenn Maria die Worte der Engel und Hirten in ihrem Herzen bewegt, streicht die Hand in der Gebärdensprache vom Kopf zum Herzen hin.

Es ist eine Sprache, die Menschen erreicht, die in einer Welt ohne Lautsprache leben, die sehr schwer oder gar nicht hören. Die aber auch von Hörenden erlernt werden kann. Annette Beuschel hat dies vor Jahren getan, damit sie mit ihrer Gemeinde ins Gespräch kommen, beten und singen kann. Ja, auch singen.

Die evangelische Pfarrerin ist für die Gehörlosenseelsorge in Mönchengladbach und der Region zuständig. Einmal im Monat findet in der Christuskirche am Kapuzinerplatz ein Gehörlosengottesdienst statt. Die Teilnehmer kommen aus Gladbach und Korschenbroich, Erkelenz und Neersen. Es kommen Einzelne, Paare, Familien mit Kindern. "Die Kinder sind nicht unbedingt gehörlos, aber sie haben die Gebärdensprache als ihre Muttersprache erlernt, wenn die Eltern gehörlos sind", erzählt Annette Beuschel. Deshalb kommen sie auch im Gottesdienst gut zurecht, der ohne Lautsprache stattfindet. Die Pfarrerin hält die Predigt und betet in Gebärdensprache. Die Gemeinde gebärdet die Gebete mit, so dass dasselbe intensive Gefühl von Gemeinschaft entstehen kann wie beim gemeinsam gesprochenen Gebet. Auch Lieder gibt es im Gehörlosengottesdienst: Sie werden im Gebärdenchor dargebracht. "Nur solche Lieder wie "Leise rieselt der Schnee" verwenden wir nicht", sagt die Pfarrerin. Da liegt der Inhalt den Gehörlosen zu fern.

Die Gebärdensprache hat ihre eigene Grammatik, bei der Verben beispielsweise immer am Ende stehen. Der Plural fasziniert durch Wiederholung: Wenn in der Weihnachtsgeschichte der Chor der Engel erscheint, wird die Gebärde für Engel mehrfach wiederholt. Und wenn die Engel wieder gen Himmel verschwinden, wird ein paar Mal hintereinander "weg" gebärdet, um zu zeigen, dass alle Engel wieder fort sind. Unterstützt werden die Gebärden durch die entsprechenden Mundbewegungen. "Aber wenn kein Hörender dabei ist, stellt man die Stimme sozusagen ab", erklärt Annette Beuschel. Die Pfarrerin dolmetscht auch für Gehörlose in besonderen Situationen: bei Beerdigungen von Angehörigen etwa, aber auch bei Konfirmationen. Weil die Gebärdensprache eine andere Grammatik hat, ist es bei Reden, Vorträgen oder Veranstaltungen sinnvoll, wenn der Dolmetscher den Text vorher hat und umschreiben kann, um flüssig zu übersetzen.

Für Menschen, die nur schwer oder gar nicht hören können, ist die Gebärdensprache der emotionale Zugang zu Religion und Bibel. "Für Gehörlose ist es kompliziert, die Bibel in Schriftdeutsch zu lesen und zu verstehen", sagt Jennifer Emler aus der Gehörlosengemeinde. "Die Gebärdensprache vermittelt die wesentlichen Inhalte und die Gefühle, die der Text ausdrückt." Um es mit einem Bild aus Afrika zu sagen: Die Bibel in Schriftdeutsch gleicht einer Banane mit Schale. In der Gebärdensprache ist die Banane geschält.

(RP)
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