Mönchengladbach So feierten die Rittersleut’

Mönchengladbach · Kämpfe mit Schwertern und Äxten, Edelfräulein in Samtkleidern und starke Männer in Kettenhemden – mehr als 10 000 Besucher wurden am Wochenende ins Mittelalter entführt. Und wer sich nicht schickte, musste damit rechnen, an den Pranger gestellt zu werden.

Ritterfest auf Schloss Rheydt 2008
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Ritterfest auf Schloss Rheydt 2008

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Kämpfe mit Schwertern und Äxten, Edelfräulein in Samtkleidern und starke Männer in Kettenhemden — mehr als 10 000 Besucher wurden am Wochenende ins Mittelalter entführt. Und wer sich nicht schickte, musste damit rechnen, an den Pranger gestellt zu werden.

Mit zusammengekniffenen Augen und aufeinander gepressten Lippen schüttelt Sven Meerkamp verzweifelt den Kopf. "Ich hab' mich noch nie so hilflos gefühlt", sagt er dann in gespielt weinerlichem Tonfall. Der Viersener wollte an diesem Samstagmittag doch nur gemütlich mit seiner Familie das Ritterfest auf Schloss Rheydt besuchen — und jetzt steht er am Pranger. Sein Kopf lugt durch ein Loch in einem dunkelbraunen Brett, die Hände stecken auf gleicher Höhe links und rechts davon fest. Jetzt kann Sven Meerkamp wohl ansatzweise nachvollziehen, wie sich Diebe um 1561 am Pranger gefühlt haben. Außerdem weiß er, wie die Menschen sich damals kleideten und lebten — das hat er bei seinem Rundgang durch das Ritterlager und über den Mittelaltermarkt mit insgesamt rund 70 Akteuren gesehen.

Ritter und Edelfräulein flanieren auf dem sandigbraunen Weg der Wallanlage an Sven Meerkamp vorbei, der in Jeans und T-Shirt immer noch am Pranger steht. Das mittelalterliche Bestrafungsinstrument hat die Gruppe Communis Pristina aus dem Raum Düsseldorf und Mönchengladbach bei sich im Zeltlager aufgebaut, die regelmäßig auf Festen den Besuchern mittelalterliches Leben und Handwerk näher bringt.

Von der Bühne auf der Turnierwiese wehen Dudelsack-Melodien der Band Wirr-Wahr zu Meerkamp darüber, doch dafür hat der Familienvater gerade keinen Sinn. Er wird nämlich ziemlich gepiesackt, sein Sohn Noah (8) und Tochter Zoë (6) traktieren seine Beine mit ihren Holzschwertern. Er sei nicht artig zu seinen Kindern gewesen und der Pranger sei nun die Strafe, erläutert Sven Meerkamp lachend. Dann endlich befreit ihn ein Mitglied der Communis Pristina, und Familie Meerkamp kann ihren Rundgang über das Gelände fortsetzen: Vorbei an Händlern, die zum Beispiel Schwerter und Schilder, Schmuck, Körbe, Seife, Lederbeutel und mittelalterliche Gewänder feil bieten. Weiter zu den übrigen Ritterlagern, in denen die Männer zur Mittagszeit ihre Kettenhemden lüften, und zu den Ständen, an denen sich die Besucher mit Kirschbier und Met erfrischen können.

Die Communis Pristina bereitet sich derweil aufs Mittagessen vor, Pfaffe Armin Schwanz brät fünf dicke Senfkrustenbraten für 40 Personen in einer riesigen Pfanne. "Das nenne ich doch mal ein ordentliches Stück Fleisch", meint Fest-Besucher Volker Stratmann und beäugt hungrig einen der Braten. Die seien jedoch nicht zu kaufen, erfährt er vom Pfaffen und zieht enttäuscht von dannen.

An einem Marktstand ein paar Meter entfernt hat ein kleiner Junge hingegen kurze Zeit später leuchtende Augen vor Freude: Sein Papa Dirk Plätzmüller hat dem vierjährigen Niklas soeben einen schwarzen Ritterhelm, ein Schwert und einen Schild mit einem Drachen darauf gekauft. "Das muss schon drin sein, wenn man hier her kommt", meint der Vater - und Niklas ist von nun an einer der vielen kleinen Ritter, die rund um das Schloss Schwerter schwingend unterwegs sind.

(RP)
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