Mönchengladbach Selbstverteidigung für Frauen: Und plötzlich sind da diese Schritte

Mönchengladbach · Immer wieder werden Frauen Opfer von Übergriffen. Wie sie sich besser schützen, zeigt Kampfkunstsportler Axel Jonsthövel - und wir im Video.

 RP-Reporterin Sabine Kricke testet gemeinsam mit Kampfkunstlehrer Axel Jonsthövel die Verteidigungstechnik. Der Sportler empfiehlt: Den Gegner nie im Rücken haben.

RP-Reporterin Sabine Kricke testet gemeinsam mit Kampfkunstlehrer Axel Jonsthövel die Verteidigungstechnik. Der Sportler empfiehlt: Den Gegner nie im Rücken haben.

Foto: Raupold, Isabella (ikr)

Axel Jonsthövel schleicht sich von hinten an die junge Frau ran, packt sie, so dass sie ihre Arme nicht mehr bewegen kann. Das vermeintliche Opfer beginnt zu kichern, vergisst prompt, was ihr der Kampfkunstlehrer gerade noch erklärt hat. Dann ein paar Verrenkungen, und irgendwie kann sich die Frau lösen. Was so lustig klingt, hat einen ernsten Hintergrund. Immer wieder werden Frauen Opfer von Übergriffen, in den vergangenen Monaten wurden bei der Polizei mehrere solcher Attacken angezeigt.

Manche Angriffe gehen glimpflich aus, weil Helfer eingegriffen haben oder sich das Opfer irgendwie aus der Situation befreien, vielleicht sogar wegrennen konnte. Zu häufig aber passiert das, wovor viele Frauen Angst haben. Sie werden überfallen, geschlagen, vergewaltigt. Die Polizei gibt an, dass es im August, September und Oktober zu drei sexuellen Übergriffen auf Frauen auf offener Straße gekommen ist. Ein Täter konnte bislang festgenommen werden. "Vergewaltigungen und Übergriffe auf der Straße gegen Frauen fallen allgemein unter sogenannte ,Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung'", sagt Jürgen Lützen, Pressesprecher der Polizei Mönchengladbach. Die Anzahl an Übergriffen aus der eigenen Familie, dem Bekanntenkreis oder aus Bekanntschaften, die in sozialen Netzwerken gemacht würden, liege deutlich über der Zahl der Übergriffe auf offener Straße durch einen Unbekannten, so Lützen. Wichtige Handgriffe zur Selbstverteidung sehen Sie hier im Video.

Angriffe, (sexuelle) Belästigung und Mobbing haben auf die Frauen häufig psychische Auswirkungen, die sich in psychosomatischen Beschwerden, Depressionen, sozialer Isolation und im schlimmsten Fall in einem posttraumatischen Belastungssyndrom äußern können, erklärt Psychologin Andrea Lauber von der Klinik Königshof in Krefeld. "Diese Beschwerden können sogar in die Arbeitsunfähigkeit führen", sagt die Expertin. Dann rutschen die Opfer in einen Teufelskreis, der Zustand wird immer schlimmer. "Neben einem Selbstverteidigungstraining, das unter anderem von Frauenberatungsstellen angeboten wird, ist eine begleitende ambulante Psychotherapie und der Austausch in Selbsthilfegruppen hilfreich, um die Folgen verarbeiten zu können", sagt Lauber.

Axel Jonsthövel setzt auf Prävention in seiner WingTsun-Kampfkunstschule. Dort bietet er extra für Frauen Selbstverteidigungskurse an. Er weiß, dass Täter niemals auf der Suche nach Gegnern sind. Sie wollen Opfer. Doch genau die müssen im Notfall zum Gegner werden, sich dem Angreifer stellen, sich wehren, verteidigen können. Sein erster Tipp: "Man muss sich des Angriffs bewusst werden. Wir wenden uns dem Gegner zu." Sollte es also hinter einem im Gebüsch rascheln, empfiehlt der Trainer sich umzudrehen. "Denn nach hinten lässt es sich nicht gut kämpfen", sagt Jonsthövel.

Dann kommt es auf die Körperhaltung an, die Mimik, die Gestik. "Der Blick ist fest, wir gucken dem Gegner in die Augen, es gibt kein erwischtes Wegschauen", sagt der Kampfkunstlehrer. Überhaupt darf das Gesicht keine Angst zeigen, und das gilt auch für den Körper. Die Arme werden schützend vor die Brust genommen, so, dass man den Gegner abwehren, im Notfall schlagen kann. "Kopf hoch, Schultern nach hinten, Brust raus", sagt Axel Josthövel, der zudem auf eine selbstbewusste Stimme setzt. "Kein überlautes Kreischen - das ist ein Zeichen für panische Angst", sagt der Sportler. Die Stimme sollte ruhig sein, langsam, möglichst tief und besonders laut: "Nein! Ich will das nicht! Lassen Sie mich in Ruhe! Finger weg!" All diese Signale können einen Angreifer beeindrucken, vielleicht abschrecken. All diese Signale würden von einer ungeschulten Frau vermutlich nicht ausgestrahlt. "Das können wir im Training aber üben", sagt Jonsthövel.

Ein paar Stündchen reichen dafür nicht aus, am besten sei es, regelmäßig an Kursen teilzunehmen. Auch Kinder lernen in der Kampfkunstschule schon, wie sie sich verteidigen, vor allem mit Worten - zum Beispiel gegen Mobber. Denn vor der Selbstverteidigung kommt die Selbstbehauptung. Und die funktioniert nur, wenn das Opfer weiß, dass es sich selbst verteidigen kann.

Einen einfachen Handgriff, mit dem man jeden Angreifer abwehren kann, gibt es nicht. Schließlich gebe es tausende verschiedene Möglichkeiten, wie so ein Überfall ablaufe. Der Angreifer kann von vorne kommen, oder von hinten, das Opfer vom Fahrrad reißen, gleich mit einem Gegenstand auf den Kopf einschlagen oder die Augen verbinden. Grundsätzlich empfiehlt Axel Jonsthövel, den Gegner immer vor sich zu haben. Die Hände sind in der bekannten Schutzposition. Sobald der Täter angreift, muss das Opfer mit dem Körper ausweichen und aus der Flanke zuschlagen. In einem Video (siehe QR-Code) zeigen wir weitere Möglichkeiten, wie Opfer sich wehren können, wie sie sich aus einem Klammergriff von hinten lösen oder einen Angreifer, der auf einem sitzt, loswerden.

(skr)
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