Dr. Peter Liersch Screening senkt Brustkrebssterblichkeit

Mönchengladbach · Dr. Peter Liersch berichtet, dass rund 17.300 Karzinome innerhalb eines Jahres im Mammographie-Screening-Programm bei Frauen entdeckt werden, die glauben gesund zu sein. Ein Großteil der Tumore sei noch sehr klein.

 Ein Beispiel eines hochaggressiven In-situ-Karzinoms (links herausvergrößert), das man in der Mammographie an den typischen Mikroverkalkungen erkennen kann.

Ein Beispiel eines hochaggressiven In-situ-Karzinoms (links herausvergrößert), das man in der Mammographie an den typischen Mikroverkalkungen erkennen kann.

Foto: Peter Liersch

Brustkrebs ist die häufigste Krebserkrankung bei Frauen. Je früher der Krebs erkannt wird, desto besser sind die Heilungschancen. Zur Früherkennung wird seit einigen Jahren das Mammographie-Screening eingesetzt. An wen richtet sich das Angebot?

DR. Peter Liersch Das Programm zur Früherkennung von Brustkrebs richtet sich bundesweit an über zehn Millionen Frauen zwischen 50 und 69 Jahren. Es wird von den gesetzlichen Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung getragen, ist freiwillig und kostenfrei. Das Mammographie-Screening Programm ist ein zusätzliches Vorsorge-Angebot und ergänzt die jährlichen Krebsvorsorgeuntersuchung bei der Frauenärztin oder dem Frauenarzt.

Und was genau passiert dabei?

Liersch Es werden Röntgenaufnahmen der weiblichen Brust in zwei Ebenen angefertigt. Die Mammographie eignet sich sehr gut zur Brustkrebsfrüherkennung, weil sie schon sehr kleine, nicht tastbare Tumore sowie Tumorvorstufen in einem frühen Stadium sichtbar machen kann. Denn je früher eine Brustkrebserkrankung erkannt wird, desto besser sind die Heilungschancen und desto besser lässt sie sich behandeln.

Wenn Sie ein Karzinom feststellen, wie sind die weiteren Schritte?

Liersch Jede Mammographie-Aufnahme wird von zwei gut geschulten und jährlich geprüften Ärzten, Radiologen und/oder Gynäkologen, unabhängig voneinander begutachtet. Als Nachweis ihrer Qualifikation müssen diese Experten mindestens 5000 Mammographien pro Jahr beurteilen. Sollte mindestens einer der beiden Ärzte einen auffälligen Befund entdeckt haben, so wird dieser Fall in einer gesonderten Konferenz besprochen und die Frau zur weiteren Abklärung zu ergänzenden Untersuchungen wie zum Beispiel Röntgen-Spezialaufnahmen, Brustultraschall oder einer Gewebeprobe eingeladen.

Welchen grundlegenden Vorteil sehen Sie im Mammographie-Screening? Ist es sinnvoll, alle Frauen ab 50 Jahren auf diese Weise zu untersuchen?

Liersch Brustkrebs ist der häufigste bösartige Tumor der Frau, der Erkrankungsgipfel liegt um das 60. Lebensjahr. Rund 17.300 Karzinome werden innerhalb eines Jahres im Mammographie-Screening-Programm bei Frauen, die glauben gesund zu sein, entdeckt. Ein Großteil - etwa 80 Prozent - dieser bösartigen Tumore ist zum Diagnosezeitpunkt noch sehr klein und ohne Lymphknotenbefall, so dass der Anteil an Tumoren mit geringer Heilungschance durch die Einführung des Screening-Programms mehr als halbiert werden konnte. Für Teilnehmerinnen des Screening-Programms wird die Brustkrebssterblichkeit nach aktuellen Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO um etwa 40 Prozent gesenkt. Das entspricht laut Angaben der WHO etwa acht geretteten Leben pro 1000 Frauen, die 20 Jahre lang regelmäßig die Untersuchung im Screening in Anspruch nehmen.

Wie sicher ist das Verfahren?

Liersch Das Mammographie-Screening-Programm unterliegt sehr strengen Qualitätsanforderungen. Dabei finden die Untersuchungen in sogenannten Screening-Einheiten statt. Das sind Zentren, die auf die Mammographie spezialisiert sind und eine spezielle Zulassung dafür haben.

Und wie sieht es mit der Strahlenbelastung aus?

Liersch Die Mammographie wird von dafür speziell ausgebildeten Medizinisch-technischen Röntgenassistenten an streng kontrollierten, modernen Geräten durchgeführt. Die Strahlenbelastung hat sich durch die neue, volldigitale Aufnahmetechnik erheblich verringert. Großangelegte Studien konnten zeigen, dass der Nutzen der Screening-Mammographien das geringe Risiko durch die Strahlenbelastung dabei deutlich übersteigt.

Etliche Frauen lehnen das Verfahren ab, weil es schmerzhaft sein kann. Was antworten Sie diesen Frauen?

Liersch Eine schmerzhafte Mammographie liegt häufig an nicht ausreichend geschultem Personal. Da die Medizinisch-technischen Röntgenassistenten im Screening speziell ausgebildet sind und sie aufgrund der vielen Untersuchungen über große Erfahrung verfügen, klagt nur eine kleine Minderheit der Patientinnen über eine schmerzhafte Untersuchung.

Seit einiger Zeit wird über den Sinn des Screenings gestritten. Viele Frauen würden Behandlungen unterzogen, obwohl kein Krebs vorliege, heißt es. Wie stehen Sie zur Kritik?

Liersch Bei rund 20 Prozent der im Screening aufgespürten bösartigen Gewebeveränderungen handelt es sich um Brustkrebsvorstufen, die duktalen In-situ-Karzinome. Diese Karzinome haben die Gewebegrenzen noch nicht durchbrochen. 99 Prozent der Frauen mit In-situ-Karzinomen überleben die folgenden zehn Jahre.

Was, wenn die zehn Jahre vorbei sind?

Liersch Werden die Karzinome jedoch erst erkannt, wenn die Tumorzellen ins Gewebe eingedrungen sind und sie somit als Tumor im Ultraschall imponieren oder tastbar werden, so verschlechtert sich die Prognose deutlich. Bei im Screening entdeckten In-situ-Karzinomen handelt es sich in rund 80 Prozent der Fälle um schnell oder mittelschnell wachsende Tumorvorstufen, welche durchschnittlich in zwei bis fünf Jahren invasiv werden. Aus diesem Grund empfehlen die medizinischen Leitlinien für diese In-situ-Karzinome eine Behandlung.

Und der Vorwurf der Übertherapien?

Liersch Sie sind selten, aber leider wie bei jeder Krebsfrüherkennung nicht vollständig vermeidbar, da derzeit keine Möglichkeit besteht, genau vorherzusagen, ob und wann dieser gefährliche Wachstumsprozess einsetzt und wie schnell er abläuft. Die Kritik an möglichen Übertherapien hat in den vergangenen Monaten potenzielle Teilnehmerinnen des Mammographie-Screening-Programms verunsichert. Die wissenschaftliche Bewertung neuer Ergebnisse aus anderen Ländern sowie der ersten Daten aus Deutschland bestätigt jedoch, dass durch das Screening eine deutliche Senkung der Sterblichkeit erreicht wird.

Wer genau hat diese Ergebnisse festgehalten?

Liersch Zu diesem Fazit gelangen die Arbeitsgemeinschaft gynäkologische Radiologie, die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, die Deutsche Gesellschaft für Senologie sowie der Berufsverband der Frauenärzte in einer aktuellen gemeinsamen Stellungnahme. Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat in einem kürzlich veröffentlichten Positionspapier die Teilnahme am Mammographie-Screening international ausdrücklich empfohlen.

Welche Vor- und Nachteile bieten andere Früherkennungsverfahren wie die Tastuntersuchung oder der Brustultraschall?

Liersch Bei der Selbstabtastung der eigenen Brust können meist nur große Knoten gefunden werden, die glücklicherweise häufig gutartig sind. Ein bei der Selbstabtastung gefundener bösartiger Knoten hat leider oft schon in die Lymphknoten gestreut. Als geeignete Früherkennungsmaßnahme ist die Selbstabtastung demnach nicht einzustufen. Der Brustultraschall ist wie die Mammographie ebenfalls ein sehr gutes Verfahren zur Detektion von Brustkrebs. Dabei sind der Brustultraschall und die Mammographie keine konkurrierenden, sondern sich ergänzende Verfahren mit unterschiedlichen Stärken.

ANGELA RIETDORF STELLTE DIE FRAGEN.

(arie)
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