Serie Denkanstoss Schöne, neue Technik-Welt

Mönchengladbach · Pfarrer Klaus Hurtz fragt sich, warum in Kommerz-Tempeln pseudosakrale Zeichen so bewusst eingesetzt werden. Braucht es etwa Schrumpfformen des Sakralen, um nicht an der eigenen Profanität zu ersticken?

 Der Apple-Store, über den Klaus Hurtz schreibt, liegt ganz in der Nähe der Düsseldorfer Johanneskirche.

Der Apple-Store, über den Klaus Hurtz schreibt, liegt ganz in der Nähe der Düsseldorfer Johanneskirche.

Foto: Andreas Endermann

Auch wenn man sein Handy sorgfältig behandelt, kann es kaputt gehen. Man riet mir, direkt zum Hersteller zu fahren, um dort die Garantieleistung einzufordern; in unserer Landeshauptstadt ist eine seiner Niederlassungen. Zunächst muss man lernen, dass man nicht ein Geschäft oder einen Laden, sondern einen "Store" besucht; ein Portal öffnet dem Kunden den Raum, der die Höhe von drei Etagen umfasst. Links und rechts sind in Längsrichtung Vitrinenschreine und Bänke aufgestellt, die sparsam, aber würdevoll die Produkte des Hauses präsentieren; manch ehrfurchtsvoller Blick darauf lässt sich wahrnehmen. Freundliche Mitarbeiter im Einheitsshirt und "Tablet" in der Hand eilen herbei, um im Namen der "Company" nach den Wünschen zu fragen. Via "Tablet" wird der nächste freie Mitarbeiter gesucht, und man selbst wird an den quer zum Raum stehenden wuchtigen Tisch an der Stirnseite geleitet, um dort auf seinen Betreuer zu warten.

Nun gilt es zu bekennen, ob man auch ordentlich mit dem Handy umgegangen ist, doch da man sich vertrauensvoll duzt, fällt die Wahrheit nicht schwer; dann muss man PIN-Nummer, PUK-Nummer, ID-Passwort preisgeben, damit "kaputt" endlich durch eine systematische Fehleranalyse ersetzt werden kann. Ist diese erfolgt, entschwindet das Handy in höhere Regionen, doch nach gut zwei Stunden ist es wieder heil zurück, und man ist wieder voll kommunikationsfähig.

In eine für mich seltsam fremde und doch irgendwie bekannte Welt geriet ich durch meine Handyreparatur; es ist wirklich erstaunlich, mit welchen Mitteln Weltkonzerne ihr Marketing betreiben. Warum werden in einem Tempel von Kommerz und Konsum pseudosakrale Zeichen und Riten so bewusst eingesetzt? Begünstigen sie unbewusst die Kaufentscheidungen der Kunden? Sind sie Ausdruck für eine Vergötzung der Technik? Oder braucht eine säkularisierte Gesellschaft Schrumpfformen des Sakralen, um nicht an der eigenen Profanität zu ersticken? Auf alle Fälle geriet ich ins Grübeln, doch eine andere Beobachtung ließ mich noch verwundeter zurück, denn ungewollt konnte ich während meiner Wartezeit am großen Tisch drei anderen Reparaturgesprächen zuhören. Natürlich waren unterschiedliche Fehlfunktionen die Ursache des Kommens, doch alle wollten keine Instandsetzung, sondern sofort ein neues Smartphone. Erst recht konnte keiner auch nur über Nacht das eigene Smartphone entbehren, allein die Vorstellung schien Panik auszulösen.

Wir leben in einer vernetzten Gesellschaft, in der Kommunikation großgeschrieben wird. Grundsätzlich ist es gut, wenn Menschen miteinander sprechen, aber ob wir deshalb immer und überall erreichbar sein müssen, wage ich sehr zu bezweifeln. Und wenn sich Gott sicherlich auch im Wald oder im Konsumtempel finden lässt, sollten wir doch eher die Kernkompetenz der Kirchen nutzen, wenn wir das Defizitäre des Profanen spüren.

Im Nachhinein ging mir auf, dass mein Handy-Konzern ausgerechnet einen angebissenen Apfel im Logo führt - Natur pur steht für einen "Global Player" der Technik! Übrigens eine Frucht, die auch in den Bildern von Adam und Eva keine unwesentliche Rolle spielt; doch bei deren Lebensgeschichte befällt uns generell gerne Amnesie.

KLAUS HURTZ, DER AUTOR DES HEUTIGEN DENKANSTOSSES, IST PFARRER VON ST. MARIEN RHEYDT.

(RP)
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