Mönchengladbach Projekt Grüne Welle rollt an

Mönchengladbach · Vor einem Jahr lieferten 150 Autofahrer freiwillig Millionen Daten über ihre Autofahrten. Daraus hat die Stadt gelernt und an vielen Stellen Kontaktschleifen repariert und Ampelschaltungen verbessert. Das Projekt ist für einen Preis nominiert.

 Das ist tatsächlich eine Ampel, und zwar am Bismarckplatz.

Das ist tatsächlich eine Ampel, und zwar am Bismarckplatz.

Foto: angr

Die Kreuzung Gladbacher Straße/Dahlener Heide ist eine sehr besondere. Sie hat sich nämlich beispielhaft für viele andere in der Stadt verändert, ohne dass dies groß sichtbar ist: Die Ampelschaltung ist seit einiger Zeit so optimiert, dass die vielen Autofahrer auf der Gladbacher Straße seltener "Rot" sehen und halten müssen. Das war zum Beispiel immer dann der Fall, wenn ein Auto von der vierspurigen Gladbacher Straße in die Dahlener Heide abbog. Warum das? Die Schleifen im Boden meldeten bisher an die Ampel: Da kommt ein Auto, also auf "Grün" schalten für die Autos, die von der Dahlener Heide auf die Gladbacher Straße abbiegen wollten. Tatsächlich allerdings wartete dort gar kein Fahrzeug. Die Rotphase, über die sich auch im Bürgermonitor unserer Redaktion einige Bürger aufgeregt haben, war also sehr oft völlig umsonst.

Das ist nun korrigiert. Möglich gemacht hat das ein Projekt, für das Mönchengladbach in diesen Tagen bundesweit gelobt wird. Im vergangenen Jahr haben nämlich 150 Gladbacher Autofahrer über zweimal vier Wochen sämtliche ihrer Fahrten mit einem kleinen Gerät namens "OBD-Adapter" im Auto aufgezeichnet und auf das Internetportal "Envirocar" hochgeladen. Dadurch sammelten die Verkehrsplaner der Verwaltung insgesamt 9300 Fahrten mit insgesamt rund 2,25 Millionen Datensätzen. Und die haben den Planern wesentlich dabei geholfen, den Verkehr in der Stadt zu optimieren, die Güte von Grünen Wellen zu verbessern - was wiederum direkte Auswirkungen auf die Schadstoffbelastungen hat. Die genauen Ergebnisse werden in der nächsten Sitzung des Planungs- und Bauausschusses den Politikern vorgestellt.

"Wir haben uns in der Analyse der Daten auf die gefahrene mittlere Geschwindigkeit fokussiert und darauf, wie viele Halte ein Autofahrer auf der Strecke hat", erklärt Ralf Klöpper, bei der Stadt der zuständige Abteilungsleiter für Verkehrs- und Kommunikationstechnik. Durch die Daten haben die Planer, die vom Münchner Ingenieur-Büro TSC unterstützt wurden, festgestellt, an welchen Stellen Theorie und Praxis im Verkehrsfluss stark abweichen. So wurden in den vergangenen Wochen etwa 30 der Kontaktschleifen repariert, die die Ampelschaltungen falsch beeinflusst haben. Insgesamt gibt es in der Stadt etwa 2400 solcher Schleifen und rund 260 Ampelanlagen. "Wir haben die Schleifen darauf eingestellt zu erkennen, ob ein Auto wirklich ,Grün' braucht, oder ob der Impuls nur von einem abbiegenden Auto ausgelöst worden ist", sagt Klöpper. Außerdem erkennt die Stadt jetzt besser, wann wie viel Verkehr unterwegs ist. Ab einer bestimmten Auslastung zu Stoßzeiten (nämlich 85 Prozent) funktioniert das Konzept der "Grünen Welle" nicht mehr. "Dann geht es in der Ampelschaltung darum, die Leistung eines Knotenpunktes zu maximieren", sagt Klöpper. Noch immer fahren einige der Tester mit dem Adapter im Auto und liefern weiter Daten. "Aus diesen Daten lassen sich auch Hotspots der Schadstoffbelastung auf den Straßen ermitteln", sagt Ingenieur Herwig Wulffius, der das Projekt für das Büro TSC begleitete. "Man erhält so aussagekräftige Informationen für eine umweltgerechte Verkehrssteuerung. Dieses Projekt ist deutschland- und wahrscheinlich auch europaweit einzigartig."

Der Technische Beigeordnete Gregor Bonin, im Mönchengladbacher Rathaus zuständig für Bauen, Verkehr und Umwelt, zieht aus dem Projekt folgende Schlüsse: "Erstens lohnt es sich immer, solche Dinge gemeinsam mit der Bürgerschaft und ihrem Wissen anzugehen, statt alles nur über Verbote zu regeln." Zweitens seien zwar für die Zukunft viele Maßnahmen mit Blick auf E-Mobilität und Radverkehr in Planung, aber die jetzt gewonnenen Erkenntnisse ermöglichten Sofortmaßnahmen ohne hohe Kosten: die Regelung von Lichtzeichen der Ampelanlagen sowie Korrekturen bei Induktionsschleifen, die defekt oder falsch geschaltet seien. Dadurch gebe es weniger Stop-and-go beim Autoverkehr, was wiederum den Ausstoß von Schadstoffen verringere. "Umwelt- und Verkehrsaspekte lassen sich so sinnvoll vereinen", sagt Bonin.

Das Projekt ist als eines von dreien für den Deutschen Ingenieurspreis Straße und Verkehr in der Kategorie Innovation nominiert. Der Preis wird am 22. September verliehen. Auch das "Heute Journal" berichtete darüber.

(RP)
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