Mönchengladbach Probleme mit Flüchtlingen in der Nachbarschaft - Gladbacher klagen Stadt an

Mönchengladbach · Seit junge Flüchtlinge mitten im Stadtteil Geistenbeck in Mönchengladbach leben, haben Nachbarn fünf Polizeieinsätze und etliche Belästigungen erlebt. Wütend macht sie nicht das Verhalten der jungen Männer - sondern das der Stadt.

Vier Nachbarn sitzen an diesem Nachmittag in einem Wohnzimmer in einer der bürgerlichen Gegenden der Stadt und fühlen sich mitten in einem Film, in den sie nie hinein wollten. Da sitzen Bürger, die erst Sorgen hatten. Dann wütend wurden. Zwischenzeitlich hilflos. Die aber eines nicht sind und auf keinen Fall sein wollen: besorgte Bürger. Also Menschen, die ein grundsätzliches Problem mit Flüchtlingen haben. Ihre Namen wollen sie aber im Zusammenhang mit der Geschichte lieber nicht in der Zeitung lesen. "Wir wollen nicht in die falsche Ecke gestellt werden", sagt Martin Müller (alle Namen geändert).

Als er im Mai aus dem Urlaub kam, lebten in den beiden Häusern statt polnischer Bauarbeiter plötzlich Jugendliche. Flüchtlinge, die ohne ihre Eltern nach Deutschland gekommen sind, wie die Nachbarn erfuhren, als sie die jungen Männer und ihre beiden Betreuer ansprachen. "Ich habe eine Tochter. Ich weiß, was in der Pubertät los ist. Und die haben Schlimmeres erlebt und keine Eltern", sagt Beate Haarhoff.

Dass es mal laut wird, dass Alkohol im Spiel ist - alles okay für die Nachbarn. Als an einem Abend acht Polizeiwagen mit Blaulicht vor der Tür stehen, ist es nicht mehr okay. Ein Bewohner wollte auf einen anderen mit dem Messer los, wohl wegen eines Mädchens. Die Polizei kommt öfter. Weil sich die Jugendlichen immer öfter daneben benehmen. Halten Autos auf, die losfahren wollen. Rempeln junge Mädchen an. Schlagen eine Tür ein. Sind bis tief in die Nacht unterwegs. Nehmen offenbar Drogen. Ohne, dass irgendwer einschreitet. "Ich gehe nicht mehr gerne durch die dunkle Gasse zu meinem Haus", sagt Katharina Lenzen. Und wenn Beate Haarhoff beim Spazierengehen mit den Hunden an den Häusern vorbeikommt, telefoniert sie via Handy die ganze Zeit mit ihrem Mann.

Die Haarhoffs nehmen Kontakt zur Stadt auf. Sie wollen Informationen zu den neuen Nachbarn. Wollen wissen, wer der Träger der Einrichtung ist und warum es so wenige Betreuer gibt. Und haben Fragen dazu, wie man die Situation gedeihlicher für alle gestalten können. Es beginnt eine kleine Odyssee durch Ämter und das, was Beate Haarhoff beim Blättern durch den Mail-Verkehr als "Salami-Taktik" bezeichnet.

Es dauert Wochen, bis Antworten kommen. Erst heißt es, dort lebten nur acht Jugendliche. Tatsächlich sind es 18, von denen aber nur ein Teil in Obhut der Stadt ist. Und schließlich heißt es in einer Mail: "Wir werden kurzfristig mit den Jugendlichen erörtern, welche Rahmenbedingungen für ein gelungenes Miteinander notwendig sind." Das ist der Punkt, an dem sich die Nachbarn nicht mehr ernst genommen fühlen. "Es ist doch verständlich, dass es in dieser Konstellation Probleme gibt. Aber es kann nicht sein, dass man erst mal versucht, die Probleme wegzuschweigen."

Als um die Ecke ein Straßenbauprojekt begann, habe es alle paar Monate Bürgerversammlungen gegeben, sagt Thomas Haarhoff. Zu den jugendlichen Flüchtlingen habe die Stadt von sich aus keinen Satz gesagt. Die jüngste Auskunft aus dem Rathaus war: "Schauen Sie ins Ratsinformationssystem, da sehen Sie doch, dass die Einrichtung Ende September aufgelöst wird." Damit sei alles klar. Ist es für die Anwohner nicht - und zwar abgesehen davon, dass es in der Ratsvorlage heißt, es gebe fast keine Auffälligkeiten. "Es ging uns doch nicht darum, die hier wegzubekommen", sagt Beate Haarhoff. Es ging darum, informiert zu werden, Einfluss nehmen zu können, die Situation mit zu gestalten. Was hätten sich die Nachbarn gewünscht? Beate Haarhoff: "Dass man von Anfang an eine Anlaufstelle hat und zum Beispiel mal besprechen kann: Stellt euch mit euren Bierflaschen lieber nicht nachts in die Gasse. Das verunsichert die Leute. So was kann man klären."

Thomas Haarhoff sagt, dass er sich in seinem Unternehmen so ein Verständnis von Service und Information nicht leisten könne und auch nicht wolle. "Wenn ich auf die letzten Wahlergebnisse gucke, habe ich den Eindruck, dass der Staat sich das auch nicht leisten sollte."

(RP)
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