Serie Gladbacher Lesebuch (6) Pferdeäpfel für Mutters Garten

Supermärkte gab es in meiner Jugend nicht, dafür aber viele unzählige kleine "Tante Emma" Läden. Soweit ich mich noch erinnern kann, gab es in der Honschaft Bell in den 50er Jahren fünf Lebensmittelläden, drei Bäckereien, zwei Milchläden und drei Metzgereien. An der Mülgaustraße und heutigen Beller Hecke war ein großer Bauernhof namens Koch, und alle kannten "Koch Marie", denn sie hatte einen kleinen Bauernladen, in dem die Beller immer Frisches aus eigener Produktion erwerben konnten. Dann gab es noch das Milchgeschäft Henseler. Onkel Henseler hatte ein Auto, einen Dreitömp. Ab und zu durfte ich mitfahren. Das war toll. Auch hatten sie einen Hund, der Seppel hieß und einem brav Pfötchen gab, aber keine Radfahrer mochte.

 "Koch Marie" war die bekanntestes Frau in der Honschaft.

"Koch Marie" war die bekanntestes Frau in der Honschaft.

Foto: Kleinen

Ein paar Meter weiter war der Kohlenhändler Paulussen. Der fuhr mit Pferd und Wagen. Wenn er bei uns Kohlen lieferte, stand sein Pferd vor dem Haus, und ich wartete, dass es "äppelte", denn meine Mutter brauchte das für die Blumen. Es war damals noch für viele Familien eine harte Zeit. Trotz Lebensmittelkarten, die es bis Anfang 1950 noch gab, musste oft auf gutes Essen verzichtet werden. Doch Not macht erfinderisch, und so hatten viele Beller Familien eine kleine Gartenparzelle, wo Lebensmittel angepflanzt wurden. Diese Gärten lagen überwiegend dort, wo sich heute die Tennishalle und die Tennisplätze befinden. Nicht vergessen darf ich die Schule an der Kochschulstraße, in der alle Mädchen in ihrem letzten Schuljahr Haushalt und Kochen lernten. Meine Frau hat mir viel davon erzählt, besonders über die Lehrerin Fräulein Pampus. Viele Jahre war ich Messdiener in St. Laurentius Odenkirchen. Das war immer ein weiter Weg zum Dienst, denn ich wohnte an der Grenze zu Mülfort, und die Mülforter Kirche war viel näher als die Odenkirchener. Kneipen gab es eine ganze Menge in Bell, aber mein Opa und mein Vater waren tot, und somit gab es in unserer Familie keine Kneipengänger.

Die bekannten Namen von Gaststätten sind der Bellerhof und Croonenbroek. Im Bellerhof wurde im Jahre 1883 der Liederkranz Bell gegründet, und der Gasthof Croonenbroek war von 1925 bis 1970 das Vereinslokal des Gesangvereins. Dieser Chor war weit über die Grenzen Mönchengladbachs bekannt und beliebt. Doch nach 110 Jahren wurde der Liederkranz Bell leider im Februar 1992 aufgelöst.

(RP)
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